Der Erste Transporter mit Plug-in-Hybrid

FORD TRANSIT CUSTOM PLUG-IN-HYBRID Ford zeigt Mut und lanciert als erster Hersteller leichter Nutzfahrzeuge einen Plug-in-Hybrid. Mit dem PHEV nutzt man die Vorteile eines Elektrofahrzeugs, allerdings ohne sogenannte Reichweitenangst, dafür mit mehr Nutzlast. Hat Ford damit das Ei des Kolumbus geschaffen?

Ford Transit Custom Plug-in-Hybrid TIR transNews
Ab Januar auf der Strasse: Ford Transit Custom Plug-in-Hybrid.

«Entweder machen wir als Einzige alles richtig oder als Einzige etwas falsch.» Mit diesen Worten präsentierte Hans Schep, General Manager bei Ford Nutzfahrzeuge, an der letztjährigen IAA Nutzfahrzeuge in Hannover den Transit Custom PHEV. Das Kürzel steht für Plug-in Hybrid Electric Vehicle, ein Konzept, das sich bereits in vielen PW etabliert hat. Hinter dem humorvoll gemeinten Spruch steckt natürlich auch eine gewisse Unsicherheit: Nimmt der Nutzfahrzeugmarkt ein solches Konzept an? So wie es heute aussieht, lautet die Antwort Ja! An einem zwölfmonatigen Feldversuch mit 20 Fahrzeugen in London und 240 000 abgespulten Testkilometern wurden 75 Prozent der Strecken in der Innenstadt elektrisch gefahren. 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen haben danach gesagt, sie würden sich einen PHEV anschaffen. Aber: London ist eine der Städte mit einer Umweltzone und hohen Zufahrtsgebühren. Da gibt es handfeste monetäre Vorteile für Betreiber von Zero-Emis­sion-Fahrzeugen. Doch reichen die anderen Vorteile, um Kunden auch ohne Mauteinsparung zu überzeugen, den deutlich höheren Preis zu bezahlen? Weitere Tests in Köln und Valencia sollen diesbezüglich Klarheit schaffen.

Bewährte Technik aus dem Konzernregal Weil der PHEV relativ schnell entwickelt werden musste, entschied man sich bei Ford, auf bestehende und bewährte Komponenten zurückzugreifen. Der Hybridantrieb ist seriell konzipiert, es gibt also keine mechanische Verbindung des Verbrennungsmotors mit den Rädern. Angetrieben werden diese stattdessen von einem 92,9 kW (126 PS) starken, unterhalb des Benziners platzierten Elektromotor. Der 1,0 Liter grosse EcoBoost-Turbobenziner mit nahezu identischer Leistung dient als Stromlieferant und verlängert die Reichweite auf rund 500 Kilometer. Er kann je nach Fahrmodus das Fahrzeug vorwärtsbewegen oder sogar gleichzeitig die Batterie laden. Letzteres macht sich allerdings mit hohen Drehzahlen bis 5000/min und einem damit einhergehenden hohen Benzinverbrauch bemerkbar. Doch dazu später mehr.

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Der 1,0-l-Benziner ist mechanisch nicht mit den Rädern verbunden. Links hinten zu sehen (orange) der Alternator, vorne ein Inverter.

Kernelement der Plug-in-Hybrid-Architektur ist die 13,6 kWh grosse Batterie, die an einer Haushaltssteckdose (10A) in rund vier Stunden vollständig aufgeladen werden kann. Mit einem Typ-2-Ladestecker für Wechselstrom (16A AC) verkürzt sich diese Zeitspanne auf 2,7 Stunden. Zudem gewinnt der Transit Custom PHEV beim Bremsen mittels Rekuperation Energie zurück. Den Grad der Energierückgewinnung und der Bremsunterstützung kann der Fahrer beeinflussen, und zwar indem er am Schalthebel zwischen dem «Drive-» und dem «Low»-Modus wechselt.

Reichweite theoretisch unbeschränkt Die vollständig geladene Batterie ermöglicht eine theoretische Reichweite von 50 km im reinen Elektromodus. Auf unseren Überland-/Gemischtverkehr-Testfahrten konnten wir gegen 30 km zurücklegen, bis sich der Verbrenner dauerhaft zuschaltete. Durch die Unterflurbauweise der Batterie bleibt der Laderaum unverändert bei 6 m³. Die gegenüber einem reinen EV deutlich leichtere Batterie kommt der Nutzlast zugute. Diese beträgt je nach Konfiguration bis zu 1130 kg, was derjenigen des um einiges grösseren Renault Master Z.E. entspricht. Die Art des Antriebs kann der Fahrer über vier Fahrprogramme selber beeinflussen:

  1. «EV Auto» (Standardmodus) wechselt automatisch zwischen rein elektrischem Modus und der Nutzung des Range Extenders.
  2. «EV Jetzt» priorisiert das Fahren im elektrischen Modus, solange jedenfalls, bis der Akku leer ist.
  3. «EV Später» priorisiert das Fahren mit aktiviertem Range Extender, um den Ladezustand des Akkus möglichst aufrechtzuerhalten. Dies ist von Vorteil, wenn zum Beispiel die Einfahrt in eine emissionsfreie Umweltzone absehbar ist.
  4. «EV Aufladen» nutzt den Range Extender, um den Akku während der Fahrt bis zu rund 75 Prozent aufzuladen, damit weitere Fahrten im rein elektrischen «EV Jetzt»-Modus möglich sind. Dies treibt allerdings den Benzinverbrauch in die Höhe (laut Anzeige bei unserer einstündigen Testfahrt deutlich über 10 l/100 km).
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Bei der Variante Tourneo Custom Plug-in-Hybrid handelt es sich um eine achtsitzige Grossraumlimousine mit grosszügigem Platz­angebot und Konferenzbestuhlung. Hotels zeigten sich bereits sehr interessiert, sehen sie doch eine grosse positive Wirkung auf ihr Image als nachhaltige Adresse.

Wird Geofencing-Modul zum STandard? Serienmässig ist das FordPass-Connect-Modem an Bord. Es gewährt Firmenkunden den Zugang zu Fuhrparkmanagementsystemen wie Ford Telematics und Ford Data Service. Bereits im Apple-App-Store sowie auf Google Play herunterladbar ist die App «FordPass Pro», die insbesondere kleineren Firmen und selbstfahrenden Transit-Custom-Besitzern einen hohen Nutzwert bietet. Voraussichtlich ab Frühjahr 2020 kann mithilfe dieser App auch der Batterieladezustand für bis zu fünf elektrifizierte Ford-Fahrzeuge gecheckt werden. Dann sorgt auch ein sogenanntes Geofencing-Modul dafür, dass der PHEV-Transporter in Umweltzonen und in individuell definierbaren Bereichen automatisch in den «EV Jetzt»-Modus wechselt, also auf reinen Elektroantrieb umschaltet. Diese Funktion zeichnet verschlüsselt Daten auf, die den Einsatz des Elektroantriebs bestätigen. Vorteil: Gegenüber zuständigen Behörden dienen diese Informationen als sicherer Beweis, dass das betreffende Fahrzeug nicht versehentlich mit aktiviertem Range Extender in eine Null-Emissions-Umweltzone eingefahren ist – und beugt damit saftigen Geldbussen vor. Inwiefern diese Funktion aber in der Schweiz je relevant sein wird, ist noch nicht abzusehen.

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Links Energieverbrauch (oder Rekuperation), rechts Geschwindigkeit, zwei Füllstandsanzeigen für Batterie und Benzintank (etwa 40 Liter). Die blaue Zahl zeigt die Restreichweite für rein elektrisches Fahren an, die weisse Zahl für Range Extender.

Genial – für bestimmte Profile Bei den Testfahrten wurde klar: Der PHEV ist eine geniale Lösung, die viele Vorteile bietet – aber auch Einschränkungen unterliegt. Laut NEDC (New European Driving Cycle nach Richtlinie ECE R 101) beträgt der CO₂-Ausstoss 60 g/km. Das entspricht einem Benzinverbrauch von lediglich 2,7 l/100 km. Allerdings – und dessen muss man sich bewusst sein – ist das kein allgemeiner Durchschnittswert, sondern nur für die im NEDC-­Testverfahren vorgegebene Zeit von insgesamt 1180 Sekunden, also knapp 20 Minuten. Fährt man weiter, steigt der Verbrauch an, sobald die Batterie leer ist.

Fazit: Wer die Batterie nicht oder selten lädt, fixe Tagesreichweiten von über 70, 80 km hat oder regelmässig viele Autobahnkilometer zurücklegt, für den macht ein Plug-­in-­Hybrid wenig Sinn. Wer hingegen wenig Tageskilometer fährt und nur gelegentlich grössere Strecken zurücklegen muss, sollte sich das Fahrzeug näher ansehen. Selbst im Mischbetrieb kann der Verbrauch deutlich unter dem eines Dieselfahrzeugs liegen, vor allem, wenn man den Modus «EV Aufladen» vermeidet und das Fahrzeug stattdessen bei jeder Gelegenheit an den Strom hängt. Leider verfügt es noch nicht über eine Schnellladeoption, sie ist aber für die nächste Generation vorgesehen

Die Plug-in-Hybride des Transit Custom und Tourneo Custom sind ab sofort bestellbar (Auslieferungen ab Januar), Ford bietet acht Jahre/160’000 Kilometer Garantie auf die Hybrid-Batterie. Die Preise waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

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