Auf Achse mit dem «Sound of Swedish Metal»

VOLVO TRUCKS Er war eines der viel beachteten Highlights in Bern: der Volvo FH16-750 «The Sound of Swedish Metal» am Volvo-Stand. Was allerdings kaum ein Besucher wusste: Die Überführung von Göteborg, Schweden, nach Bern wurde von zwei TIR-Mitarbeitern durchgeführt.

Volvo FH16-750 The Sound of Swedish Metal transport-CH 2019 Volvo Trucks TIR transNews
Volvo FH16-750 «The Sound of Swedish Metal» an der transport-CH 2019.

Die Sonne steht tief am Himmel, obwohl es erst halb drei Uhr nachmittags ist. Doch hier im hohen Norden wird es früh dunkel. Es ist Mittwoch und in genau einer Woche findet die Jubiläumsveranstaltung der transport-CH in Bern statt. Der mächtige Vierachser, der frisch gewaschen vor uns steht, soll dort als Showcar ausgestellt werden, und zwar in der Halle, was bedeutet, dass er spätestens am Samstag in die Bernexpo gefahren werden muss. Dementsprechend sollte er also am Freitag gegen Mittag im Volvo Truck Center in Münchenbuchsee eintreffen, damit noch genug Zeit bleibt, ihn auf Vordermann zu bringen. So machen wir uns gleich nach der Übergabe in Göteborg (S) auf den Weg, um die fast 1800 Kilometer in Doppelbesatzung abzuspulen.

EIn Fall für Zwei «Wir», das sind Bruno Niederberger, über ein Jahrzehnt in festen Diensten der TIR transNews, dabei vor allem Busse im Fokus und seit Ende Januar offiziell in Pension, sowie meine Wenigkeit, Henrik Petro, seit über einem Jahr im Besitz der nötigen Fahrerlaubnis. So gesehen sind wir (was die Überführung betrifft) zwei Greenhorns, die diese Herausforderung angenommen haben und sich optimistisch und mit viel Enthusiasmus auf den Weg machen.

Volvo FH16-750 The Sound of Swedish Metal transport-CH 2019 Volvo Trucks TIR transNews
Bruno Niederberger (l.) und Henrik Petro zu Beginn ihrer Reise bei Volvo Trucks in Götheborg (S).

Die ersten Meter am Steuer sind noch etwas verkrampft, doch nach kurzer Zeit sind die 21 t Leergewicht – der 27-t-Palfinger-Kran und das Hakengerät mit Mulde zollen ihren Tribut – gezähmt und der 8×4 schnurrt wie eine grosse Katze. Unser Weg besteht fast ausschliesslich aus Autobahn, und so wird das Fahren an sich dank I-Shift (12-Gang-Craw­ler), Dynamic Steering und Abstandsregeltempomat selbst für einen Anfänger wie mich zur Spazierfahrt.

Schwedisches Prunkstück Der FH16-750-Vierachser wird von einem 750 PS starken 16-Liter-Motor angetrieben. Beeindruckend sind die 3550 Nm maximales Drehmoment, welche selbst mit dem (in Schweden durchaus normalen) maximalen Gesamtzuggewicht von 65 t spielend fertig werden und uns am Hang jeden Kollegen überholen lassen – sofern wir wollten. Die für ein Baustellenfahrzeug eher unübliche Globetrotter-Kabine deutet auf den Einsatz als Showtruck hin. Tatsächlich übernehmen wir den LKW mit gerade mal 2400 km auf dem Tacho. Am Vortag erst war er von einer Ausstellung in Norwegen zurückgekommen, und nun wird er gleich drei neue Länder kennenlernen, wenn auch zwei davon nur von der Autobahn aus. Weitere Merkmale des Trucks sind Luftfederung, diverse Ausstattungspakete, Spurhalteassistent mit Warn- und Lenk­korrekturfunktion. Zudem kann das Fahrzeug über eine externe Fahrzeugsteuerung ferngelenkt werden.

Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn Die Fahrt in die Schweiz ist von einigen Besonderheiten geprägt. Wir hatten uns für den Landweg entschieden und überqueren am späten Abend die Öresundbrücke. Sie ist die weltweit längste Schrägseilbrücke für kombinierten Strassen- und Eisenbahnverkehr und verbindet (zusammen mit dem Drogdentunnel und der künstlichen Insel Peberholm) Malmö in Schweden mit der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Die Gesamtlänge des am 1. Juli 2000 eröffneten Brückenzuges beträgt 7845 Meter. Das Bauwerk ist beeindruckend, die zu bezahlende Maut von weit über 200 Franken allerdings auch.

Henrik Petro Sound of Swedish Metal Volvo Trucks transport-CH TIR transNews
Henrik Petro irgendwo im Nirgendwo: Am Lenkrad eines LKW wird der Weg zum Ziel. Und der Fahrer zum Zen-Buddhisten.

Nach der Übernachtung in einem reinen Schlafhotel geht es über die insgesamt 6790 Meter lange Storebæltsbroen («Grosse Belt-Brücke»), die mit einer Hauptspannweite von 1624 Metern die längste Hängebrücke in Europa und die drittlängste der Welt ist. Es ist schon ein erhabenes Gefühl, über so ein Bauwerk zu fahren und dabei weit unten grosse Tankschiffe und Frachter zu kreuzen. Überhaupt sorgen die visuellen Eindrücke manches Mal für einen Flash, etwa der Sonnenaufgang, die Regenbogensäule (wie ein Regen­bogen, aber nicht als Bogen, sondern als Säule) oder das Wechselspiel von Regen und Sonne. Und noch vieles mehr.

Wildwest in Deutschland Mit gemütlichen, konstanten 82 km/h unterwegs (der Tacho zeigte 85 an, das Navi 82), kann man sich der Faszination des Trucker-Lebens nicht entziehen. Das ist es also, wovon alle schwärmen! Bis man die Grenze zu Deutschland überquert, in unserem Fall ausgerechnet bei Flensburg. Kaum auf deutschem Boden, fühlen wir uns wie mitten in Dreharbeiten eines neuen Fast-and-Furious-Teils. Für eine deutsche Version würde ich den Titel «Todessehnsucht in deutschen Premium-­Automobilen» empfehlen. Hispeed-Wettrennen gehören hier offenbar zur Tagesordnung. Doch ein weiterer Leidensweg steht uns noch bevor: die zahllosen, über mehrere ­Kilometer langen Baustellen, die den Verkehr zu Stosszeiten zusammenbrechen und uns stundenlang im Stau warten lassen. Kein Vergleich mit zu Hause, und wer mir noch einmal über die Schweizer Baustellen jammert, bekommt ein Heft um die Ohren gehauen – versprochen!

Volvo FH16-750 The Sound of Swedish Metal transport-CH 2019 Volvo Trucks TIR transNews
Skeptischer Blick von Bruno Niederberger beim Tanken: Bei 490 l Diesel wird die Kreditkarte schon schmerzempfindlich strapaziert.

Gerade noch geschlüpft So können wir unser ehrgeiziges Tagessoll am Donnerstag nicht einhalten und müssen die Nachtrast rund 200 km früher einlegen. Durch die neun Stunden zwingende Lenkpause verspätet sich auch unsere Abfahrt am darauffolgenden Tag. Dazu kommen unerwartete Verzögerungen am Zoll, sodass wir erst am späteren Abend in Münchenbuchsee ankommen, wo bereits alle Mitarbeiter der Werkstatt gegangen und die Tore geschlossen sind. Für die transport-CH ist dies kein Problem; der FH16 schafft es trotzdem rechtzeitig am nächsten Tag, frisch­ geputzt, in die Halle. Doch als wir in der Kabine auf unser Taxi warten, drücken wir aus Neugier auf einen unbekannten Knopf am Schlüssel, worauf plötzlich ein infernalischer Lärm aus dem Truck dröhnt, der Tote wecken könnte (als Zombie-Genre-Liebhaber hoffe ich wirklich, dass kein Friedhof in der Nähe liegt). Es ist die Alarmanlage, die uns kurz paralysiert und damit gleichzeitig ihre Wirkung unter Beweis stellt. So endet unser kleines Abenteuer wortwörtlich mit Pauken und Trompeten. Oder wie Bruno meint: «Ist doch alles bestens. Am Trucker Festival lassen auch alle Trucks am Schluss ihre Hörner klingen.» Eines ist jedenfalls sicher: eine mehrtägige Trucker-Tour? Immer wieder gerne!

Volvo FH16-750 The Sound of Swedish Metal transport-CH 2019 Volvo Trucks TIR transNews
Ohne Zolldokumente keine Einfuhr: Was man an der Grenze so alles erlebt und beobachtet, bietet Stoff für Bücher …
Visited 61 times, 1 visit(s) today

Weitere Beiträge zum Thema