Sieben Elektrobusse im ­Kurztest auf Linie

ELEKTROBUS-VERGLEICH Ein Vergleich auf einem Bonner Stadtkurs zeigt, wie stark Markenvielfalt und Praxistauglichkeit im Segment der elektrisch angetriebenen Linien­busse gewachsen sind.

ebus 2019 Elektrobusse im Test TIR transNews
Sieben Elektrobusse warten auf dem Betriebshof der SWB Bus und Bahn Bonn auf ihre Testfahrer. Ganz rechts schliesst sich das Versuchsfahrzeug von ZF an.

«Elektrobusse erobern die Städte» – so klang vor vier, fünf Jahren noch die Zukunftsmusik. Heute ist dieser Satz in etlichen Städten Europas bereits Realität. Das Problem sind nicht mehr die Fahrzeuge, sondern die teure Infrastruktur. Diese Kosten relativieren sich aber, da die Investition in die gewünschte Versorgungstechnologie in der Regel nur einmal anfällt, Unterhalt ausgenommen. Dank der sich rasant weiterentwickelnden Batterietechnologie wird die Tagesleistung in Kilometer gemessen immer mehr mit einer Übernachtladung erreicht, und dies, ohne ein riesiges Batteriepaket mitschleppen zu müssen. Bei der Art der Stromversorgung – ob Übernachtladung im Depot, Nachladen an bestimmten Streckenpunkten oder ein «Ausflug» abseits der Trolleybus-Oberleitung – sind die Bushersteller flexibel und können auf die Kundenwünsche eingehen.

Die deutsche Fachzeitschrift Omnibusspiegel organisierte Anfang Dezember einen Vergleichstest zwischen sieben Fahrzeugen und zusätzlich zwei Fahrzeugen von ZF und Voith, die ihre lieferbaren Antriebsvarianten vorstellten. TIR transNews nutzte die Gelegenheit, an diesem Test teilzunehmen. Eine einem realen Einsatzprofil entsprechende Teststrecke mit Kreisverkehr, Steigungen und Gefälle, 30erZonen usw. wurde von den Kollegen sorgfältig ausgesucht und von der SWB Bus und Bahn Bonn bewilligt. Die Teststrecke betrug 18,9 Kilometer, und die Vorgabe war, dass alle 28 Haltestellen angefahren und die Vorder- und Mitteltür jeweils geöffnet werden.

ebus 2019 Elektrobusse im Test TIR transNews
Damit alles funktioniert, braucht es kompetente Betreuung. Auf dem Foto die Repräsentanten der Hersteller und die Fachjournalisten.

Die Fahrzeuge
Alle Busse hatten ihre Vorzüge, aber auch ihre Schwächen. Total 36 Punkte wurden beurteilt. Dabei ist es immer eine persönliche Ansicht des jeweiligen Testers, was sie oder er als positiv oder eben als negativ bewertet.

Der Ebusco 2.2 steht im Einsatz bei der «Borkumer Kleinbahn». Der Arbeitsplatz ist bequem, nur der Fahrersitz ist relativ tief positioniert. Die Spiegel sind gut platziert und geben dem Fahrer einen guten Überblick. Für persönliche Utensilien ist leider (fast) kein Platz vorhanden. Auf der Fahrt muss sich Ebusco einige Abzüge gefallen lassen. Die Federung und Dämpfung ist zu hart eingestellt. Auch das Ansprechverhalten der Lenkung dürfte besser sein. Zudem wurden von den Kollegen die Klappergeräusche im Passagierraum bemängelt (aus Zeitnot konnten wir dieses Fahrzeug leider nicht selbst beurteilen). Fazit: Der Ebusco 2.2 ist ein harter Kerl. Im Alltag hat sich dieses Fahrzeug aber bewährt. Die Version 2.2 wird in Kürze vom Nachfolgemodell 3.0 der dritten Generation, die an der Busworld in Brüssel zum ersten Mal zu sehen war, abgelöst.

Der Heuliez GX 337 E konnte besonders beim Arbeitsplatz punkten. Ein hohes Podest ermöglicht dem Fahrer – mit ­einer kleinen Einschränkung nach oben – eine hervorragende Übersicht. Nur die Platzverhältnisse hinter dem Steuer wirken etwas beengt. Gut angeordnet und erreichbar sind die Schalter. Für persönliche Utensilien gibt es einige Ablagen; diese sind von den Dimensionen her gesehen eher etwas zu klein geraten. Auf der Strecke konnte Heuliez keine Bestnoten erreichen. Minuspunkte sammelte der Franzose vor allem beim Abrollkomfort und bei der hart abgestimmten Federung. Auch die zur Verfügung gestellte Leistung kann noch verbessert werden. Besonders bei der Anfahrt am Berg wünscht man sich etwas mehr Power. Ruhig geht es im Passagierraum zu und her. Unerwünschte Klappergeräusche waren keine festzustellen. Besonders positiv wird, wie bereits erwähnt, der Fahrerarbeitsplatz hervorgehoben.

Der MAN Lion’s City E stellte sich als Vorserienfahrzeug zum Test. Im Zuge der eMobility-Roadmap wird 2020 eine eBus-Demo-Flotte, bestehend aus 15 Testfahrzeugen, in fünf europäischen Ländern im Kundeneinsatz sein und im Rahmen von mehreren Feldversuchen auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Die ersten Kundenfahrzeuge aus der Se­rienproduktion in der 12-Meter-Soloversion sollen dann im zweiten Halbjahr 2020 geliefert werden. Als Vorserienfahrzeug kommt der Lion’s City E bereits auf einem hohen Niveau daher. Der Fahrerplatz ist leicht erhöht, bequem und mit den nötigen Einstellmöglichkeiten ausgestattet. Verbesserungspotenzial ist bei der Platzierung des linken Spiegels vorhanden. Dieser schränkt die Sicht nach vorne links zu stark ein. Mit dem Ersatz der Spiegel durch Kameras dürfte auch dieses Problem gelöst werden.

Der Mercedes-Benz eCitaro ist mit allen positiven Genen des bewährten Citaro ausgestattet. Das Design wurde besonders am Frontbereich mit Elementen des «Future Bus» angereichert. Im Fahrzeug selbst wurde gegenüber der Dieselversion (fast) nichts verändert. Sogar der Motorenturm hinten links wurde beibehalten. Auch das Fahrpersonal muss sich beim eCitaro nur unwesentlich umstellen. Es blickt auf das gewohnte Cockpit, jedoch zeigt ihm anstelle des üblichen Drehzahlmessers ein Powermeter den Energiefluss des eCitaro an. Ergänzende Informationen erhält es bei Bedarf über das Zentraldisplay zwischen Tachometer und Powermeter. Auf der Strecke zeigt sich das mit allen momentan zur Verfügung stehenden Sicherheitselementen ausgerüstete Fahrzeug als ausgereifter – oder eben als «ganz normaler» – Citaro, der übrigens bereits in der Schweiz tagtäglich seine Arbeit verrichtet.

Der Sileo S 12 steht ebenfalls bei der «Borkumer Kleinbahn» im täglichen Einsatz und wurde nach deren Bedürfnissen ausgestattet. Das mit einem eher konservativen, aber zeit­losen Design versehene Fahrzeug punktet vor allem mit dem Arbeitsplatz. Der ist geräumig und übersichtlich. Abstriche gibt es beim Fahrverhalten und im Fahrgastraum. Bei der Berganfahrt liess sich das leere Fahrzeug etwas zu viel Zeit; da wäre etwas mehr Power erwünscht. Mit etlichen unschönen Klappergeräuschen müssen sich die Passagiere zurechtfinden. Aber eben, das Fahrzeug hatte schon einige Kilometer auf dem Tacho und kam direkt vom Tageseinsatz zur Teststrecke. Die von Sileo angegebene Reichweite von 280 km lässt in den meisten Fällen einen Ganztageseinsatz ohne Zwischenladung zu.

Der Solaris Urbino 12 Electric hat sich in verschiedenen Ländern bereits bestens bewährt. Das Fahrzeug kommt mit einem modernen und zeitlosen Design daher. Das Testfahrzeug – auch da ein Kundenfahrzeug – steht bei MVV, Münchner Verkehrs- und Tarifverbund, im Tageseinsatz. Aufgeräumt und modern wirkt der Arbeitsplatz. Alle Schalter sind gut strukturiert und in optimaler Reichweite des Fahrers platziert – MVV hat sich für Schalter und gegen das moderne Touchscreen-Bedienelement entschieden. Auch die Übersicht nach allen Seiten ist optimal. Kleinere und grössere Ablageflächen für persönliche Utensilien stehen genügend zur Verfügung. Modern in der Farbgebung und in der Ausstattung geht es im Passagierraum zu. Unterwegs kommen die positiven Eigenschaften des bewährten Solaris, die Laufruhe und die gut auf das Fahrzeug abgestimmte Federung zum Tragen.

Der VDL Citea SLE electric mit 60 Sitz- und nur 20 Stehplätzen verkörpert die typische Variante Intercitybus. Aufgeräumt und sauber kommt der Arbeitsplatz daher. Die wenigen Angaben des Displays vermitteln nur die notwendigen Informationen wie Geschwindigkeit, Ladezustand usw. Zusätz­liche Infos können je nach Wunsch des Fahrers abgerufen werden. Typisch VDL ist der Bedienhebel zur Feststellbremse unpraktisch weit unten zwischen Fahrerplatz und Seitenwand platziert. Auch etwas gewöhnungsbedürftig ist die immer weniger verwendete stehende Pedalerie. Dank des langen Radstands von 6,9 Metern und einer gut auf das Fahrzeug abgestimmten Federung geniesst der Fahrgast Qualitäten fast wie im Reisebus. Getrübt wird die ruhige Fahrt lediglich durch ein paar wenige Klappergeräusche.

Fazit
Die kurz beschriebenen Fahrzeuge widerspiegeln nur eine bescheidene Anzahl von Elektrobusherstellern. Die Auswahl ist gross (siehe folgenden Artikel Busworld), der Unternehmer steht beim Entscheid für Elektromobilität vor einer grossen Herausforderung. Das Fahrzeug an sich dürfte bei einem Markenentscheid nur einen von verschiedenen Faktoren darstellen. Es wird ja nicht mehr «nur» ein Fahrzeug verkauft. Der Kunde erwartet eine fachkundige Betreuung weit im Voraus, sei dies bei der Bewältigung der geografischen Eigenheiten, den Streckenprofilen oder der dementsprechend nötigen Ladeinfrastruktur. Auch nach dem Entscheid will der Kunde von einem gut funktionierenden After Sales profitieren können. Besonders die gegenüber Dieselfahrzeugen noch teureren Busse sollen schliesslich auf der Strasse und nicht in der Werkstatt zu sehen sein.

Die Vergleichstabelle mit den technischen Daten finden Sie in der gedruckten Ausgabe 1/2020 der TIR transNews.

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