Eine neue Generation zum Jubiläum der TG-Reihe
MAN TRUCK & BUS Im Jahr 2000 brachte MAN seine TG-Reihe auf den Markt. 20 Jahre später lancieren die Münchner wiederum eine neue Generation. Die neuen Lastwagen sind sehr stark vernetzt und bieten um bis zu acht Prozent reduzierten Treibstoffverbrauch sowie einen entsprechend geringeren CO2-Ausstoss.
Die Anforderungen in allen Bereichen der Transportbranche sind heute vielfältiger und komplexer denn je und die Prognosen für die Zukunft lassen erahnen, dass der fundamentale Wandel der Branche voll «in Fahrt» ist. Dies bringt grosse Herausforderungen mit sich: Das Transportvolumen allein innerhalb der EU soll in den kommenden 20 Jahren um weitere 40 Prozent zunehmen; gleichzeitig sehen strenge gesetzliche Vorgaben zur Reduktion von CO2-Emissionen ein Minus von 15 Prozent bis 2025 und eine weitere Verringerung um 30 Prozent bis 2030 vor. Erschwerend kommt der sich immer stärker abzeichnende Fahrermangel hinzu. Aktuellen Statistiken zufolge fehlen allein in Deutschland in den kommenden zwei Jahren rund 150 000 qualifizierte Berufschauffeure. Darüber hinaus verlangt die immer umfassendere Digitalisierung über alle logistischen Prozesse hinweg von den Transportunternehmen eine enorme Anpassungsfähigkeit ab.
«Unsere Kunden erwarten von uns zu Recht, dass wir ihnen Antworten auf diese Fragen liefern», bringt es der MAN-Vorstandsvorsitzende Joachim Drees anlässlich der Vorstellung der neuen Lastwagengeneration Anfang Februar auf den Punkt. «Für sie müssen wir diesen Veränderungen mit all ihren direkten und indirekten Folgen einen Schritt voraus sein.» Das sei eine grosse, aber zugleich auch extrem spannende Aufgabe. Denn es bedeute, dass man als Truck-Hersteller seine Produkte in anderen, neuen Dimensionen denken müsse. «Und genau das tun wir mit unserer neuen Lastwagengeneration.»
Vier Säulen der Ausrichtung MAN hat diese Aufgabe in vier Bereiche unterteilt. Der erste Bereich dreht sich um den Fahrer, dessen Sicherheit und dessen Wohlbefinden. Der zweite Bereich sorgt für eine höhere Effizienz und für grössere Einsparungen, Stichwort TCO. Die dritte Säule der Entwicklung betrifft am Ende ebenfalls die TCO und ist für eine höhere Uptime besorgt. Und schliesslich wird in der vierten Säule durch höhere Flexibilität und grössere Baukastenorientierung die Partnerschaft mit dem Kunden verstärkt, indem der Kunde seinen spezifisch auf ihn ausgerichteten Truck noch einfacher findet. Oder wie es der seit 2017 benutzte Marken-Claim sagt: Simplifying Business, das Geschäft vereinfachen.
In der Entwicklung wurde die bereits vorhandene modulare Bauweise deutlich verstärkt, indem der Fokus stets auf dem ganzen Modellprogramm liegt und erst in zweiter Linie auf einzelnen Lastwagenlinien. Entsprechend stellte MAN nicht nur eine Reihe vor, sondern präsentierte sein neues Programm zeitgleich mit den Modellen TGL, TGM, TGS und TGX. Wie bei den anderen Lastwagenherstellern auch, wird eine neue LKW-Generation nicht von Grund auf neu entwickelt, sondern man nutzt die vorhandene Basis der bisherigen Modelle. Bei MAN flossen von den Adaptionen rund zwei Drittel in die Fahrerhäuser und ein Drittel ins Chassis. Motorseitig war die neue Euro-6d-Motorenfamilie bereits letztes Jahr eingeführt worden. Wie sie in den Modellreihen eingesetzt wird, wird aus der Tabelle unten rechts ersichtlich.
Mit diesen Motoren, einer optimierten Aerodynamik der neu designten Kabinen, einer neuen Hinterachse und der dritten Generation des adaptiven Tempomaten soll eine mit dem D26-Motor bestückte Fernverkehrssattelzugmaschine gegenüber dem bisherigen Euro-6c-Motor bis zu acht Prozent weniger Diesel benötigen. Das ist mit Blick auf die Tatsache, dass der Treibstoff rund ein Drittel der Fahrzeuggesamtkosten ausmacht, von zentraler Bedeutung.
Bequem und sicher Der zufriedene Fahrer stand bei der Gestaltung des Fahrerhauses im Zentrum. Ergonomie, anwenderfreundliche Bedienung und eine moderne Vernetzung gehen heute mit einem grosszügigen Raumangebot Hand in Hand. «Mit mehr Klarheit und Standardisierung bei den Bedienelementen sowie intuitiver Handhabung durch haptisches Erfassen der Funktionen verbessern wir jetzt nochmals die Nutzerfreundlichkeit», erklärt Manuel Marx, Leiter Gesamtfahrzeugentwicklung. «Hinzu kommen neue Assistenz- und Sicherheitssysteme.»
Im Cockpit kommen zwar grosse Bildschirme zum Einsatz, doch anstelle von Touchscreens, die sich bei Fahrt eigentlich sehr schlecht bedienen lassen, setzt MAN auf den bewährten und bedienungssicheren Dreh-Drück-Controller. Das ganze Cockpit ist mehr zum Fahrer hin gewandt, wobei die Bedien- und die Ableseebene unterschiedlich weit vom Fahrer entfernt sind: die Bedienung in Griffnähe, der Infobereich zum einfacheren Fokussieren etwas weiter weg.
Die Verkehrsübersicht wurde durch eine niedrigere Sichtkante und durch strömungsgünstigere Spiegel verbessert. Zudem sollen im ersten Quartal 2021 auch Kameras anstelle der Aussenspiegel erhältlich sein. Was bei Mercedes-Benz MirrorCam heisst, nennt man bei MAN Mirror-Replacement-System. Ein neuer Komfortsitz, hochwertige neue Betten mit Lattenrost, zusätzliche Ablagen und ein leer geräumter Boden sorgen zudem für zusätzlichen Komfort in der Kabine. Die Bettfernbedienung ist bewusst als Kabelbedienung konzipiert, um sicherzustellen, dass man das Steuergerät nicht irgendwohin verlegt.
Zu den technischen Errungenschaften in der neuen Lastwagengeneration zählen erweiterte Assistenzsysteme. Bei der Abbiegehilfe überwachen Radarsensoren bis Tempo 30 den Bereich auf Beifahrerseite und informieren den Chauffeur mit einer Warnkaskade über herannahende Verkehrsteilnehmer. Die Spurrückführungshilfe erkennt ein Verlassen der Fahrspur ohne Blinkerbetätigung und führt den Lastwagen sanft in die Spur zurück. Im dichten Verkehr wird man die Spurwechselhilfe schätzen, welche nicht nur links den herannahenden Verkehr überwacht und vor kritischen Situationen warnt, sondern – gemäss MAN-Aussage bisher einmalig bei Lastwagen – auch auf der rechten Seite. Das stellt beim Einscheren nach einem Überholvorgang oder einem sonstigen Spurwechsel nach rechts einen echten Sicherheitsgewinn dar. Weitere elektronische Helfer sind der verbesserte, weiterhin nicht abschaltbare Notbremsassistent, bei dem Radar und Kamera zusammenarbeiten. Der Abstandstempomat mit Staufunktion und eine Müdigkeitserkennung sind weitere Ausstattungsmerkmale.
Neues Stromnetzwerk Die wachsende Anzahl an Assistenzsystemen hat die Komplexität von Elektronik und Kabelbaum massiv erhöht. Hier hat MAN eine komplett neue Elektrik- und Elektronikarchitektur entwickelt, welche im Zentrum einen «Supercomputer» besitzt, an den die Elemente relativ einfach angegliedert werden können. Das macht das System skalierbar, leichter und wegen weniger Einzelteile auch flexibler, wenn es darum geht, auf Veränderungen zu reagieren. Dank der hohen Rechnerleistung sind in den neuen MAN lediglich 16 Steuergeräte an der Zentrale angeschlossen, bei anderen Herstellern sind es teilweise 40 bis 60 Steuergeräte. An diese offene Architektur lässt sich auch ein modulares Set für die Integration von Aufbauten anschliessen, und diese lassen sich dabei ins User-Interface einbringen. Das vereinfacht wiederum die Handhabung für den Fahrer.
Mit der neuen E-Architektur wird auch die Konnektivität der Lastwagen um ein Mehrfaches verbessert. Zugleich lassen sich Ausfälle und Schäden im Kabelstrang gezielt reparieren. Und das neue Bordnetz soll auch für künftige Nutzungen beim automatisierten Fahren bereits vorbereitet sein. Zudem dient die Konnektivität für die Implementierung des proaktiven Wartungsmanagements «Service Care», das sowohl Truck und Service-Center bei den Wartungsterminen koordiniert als auch sich anbahnende Defekte frühzeitig erkennt und zur rechtzeitigen Reparatur aufruft. Zudem werden damit Over-the-Air-Updates möglich.
Wegen des Sturms Sabine war es uns nicht möglich gewesen, an den ersten Testfahrten teilzunehmen. Wir müssen daher auf Fahreindrücke in einer späteren Ausgabe zurückkommen.