2010: Eine Dekade der Transportbranche zurück

50 JAHRE TIR TRANSNEWS Wir blicken zehn Jahre zurück, um uns zu erinnern, was 2010 neu und welches damals die vorherrschenden Themen waren. Dies ist das vierte von zehn geplanten Zeitdokumenten zu Leben und Transportsektor von früher.

Gianenrico Griffini International Truck of the Year 2010 Award Hasse Johansson Scania TIR transNews
Der Vorsitzende der Jury, Gianenrico Griffini (rechts), überreicht den «International Truck of the Year 2010 Award» an Hasse Johansson, Leiter Forschung und Entwicklung bei Scania 2001–2009.

Gerade eben feierten wir unseren 40. Geburtstag – und schon sollen wieder 10 Jahre vergangen sein? Doch in Wahrheit ist viel in diesen Jahren passiert und an manches erinnern wir uns erst wieder beim Durchblättern der Aus­gaben von 2010. Damals, als Bundesrat Moritz Leuenberger Verkehrsminister war und die Transportbranche nach der Finanzkrise von 2007/2008 langsam wieder auf die Beine kam. Die konjunkturelle Stimmung war aber immer noch ähnlich gedämpft wie heute.

Reine Zahlen und Fakten lassen sich einfach vergleichen, wie ein Blick ins Vademecum 2010 von strasseschweiz zeigt. So betrug zum Beispiel der Gesamtumsatz der Automobilbranche im Jahr 2008 gut 95 Mia. Franken – rund eine Milliarde Franken weniger als 2007. Zehn Jahre später lag der Betrag praktisch unverändert bei 94,37 Mia. Gestiegen ist allerdings die Produktivität pro Arbeitskraft, denn gegenüber 21’600 Betrieben mit 256’600 Mitarbeitenden 2008 wurde 2018 fast der gleiche Umsatz von 19’861 Betrieben mit 226’230 Mitarbeitenden gemacht – also mehr als 30’000 Arbeitskräften weniger. Das Transportgewerbe erwirtschaftete vor zehn Jahren noch 20 Mia. Franken, 2018 waren es noch 18 Mia., obwohl mehr Güter transportiert wurden, nämlich 17,8 Mia. Tonnenkilometer gegenüber 16,4 Mia. 2009. Massiv angestiegen ist der Motorwagenbestand: Waren im Jahr 2009 noch total gut 4,6 Millionen Fahrzeuge in der Schweiz eingelöst, betrug die Zahl 2019 bereits 5,4 Mio. (Quelle: www.strasseschweiz.ch/Vademecum).

Schonfrist verlängert
Eine der wichtigen Entscheidungen Ende 2009 war die Verschiebung der Einführung der neuen Abgasnorm. Euro 6 sollte daraufhin nicht, wie ursprünglich vorgesehen, am 1. Oktober 2012 in Kraft treten, sondern erst 2013 für neu entwickelte Fahrzeuge und 2014 für alle neu zum Verkehr zugelassenen Trucks. Doch auch andere Technologien fanden schrittweise den Weg in unseren Alltag. So wurde Ende 2009 der erste Mercedes-Benz Euro-5-Actros-Fünfachser im Engadin ausgeliefert, und zwar an das 1959 gegründete Kies- und Betonwerk Montebello am Fusse des Berninapasses.

Und es finden sich in den alten Ausgaben auch damals neue LKW-Modelle, die man heute kaum noch auf Schweizer Strassen sieht. So erhielt die Hugelshofer-Gruppe in Frauenfeld im Rahmen eines Grossauftrags über 30 Renault Premium Route mit 410 bis 450 PS für den Transport von Wechselbrücken und 12 Renault-Sattelzugmaschinen Magnum Euro-5 mit 500 oder 520 PS für nationale und internationale Ferntransporte.

2010 Renault Magnum Transfood AG Hugelshofer-Gruppe 50 Jahre TIR transNews
Europaweit im Einsatz: Die Renault Magnum waren vorrangig bei der Transfood AG (Hugelshofer-Gruppe) im Bereich Transport flüssiger Lebensmittel und Silotanktransporte unterwegs.

Dynamik in der Schweizer Branche
Der Boom des Online-Shoppings lag erst in den Anfängen. Damals betrieb der Grossverteiler Coop für seinen Hauslieferdienst coop@home mit seinen rund 200 Mitarbeitern eine Flotte von 75 3,5-­Tönnern mit Kühlaufbauten. Anfang 2018 umfasste die Flotte bereits 169 eigene Lieferwagen.

Die Planzer Transport AG in Dietikon kaufte per 1. Januar 2010 die Firma Ruckstuhl Transport AG in St. Gallen. Im April 2009 hatte Camion Transport AG (CT) von der Vereinigung der Strassenverkehrsämter (asa) die Anerkennung als Weiterbildungsstätte gemäss Art. 17 Chauffeurzulassungsverordnung (CZV) erhalten. Mit diesen Grundlagen wurde auch die Basis für die Anerkennung des Lehrgangs «Junior Driver» geschaffen.

Der Schweizer Kombi-Operateur Hupac eröffnete einen neuen Umschlagterminal im Hafengebiet von Antwerpen. Der Bau war trotz Wirtschaftskrise termingerecht fertiggestellt worden. Die Investitionskosten betrugen 22 Millionen Euro, der Schweizer Bund unterstützte das Projekt mit einer Teilfinanzierung.

Für Güter die U-Bahn
Um den drohenden Kapazitätsengpässen auf Strasse und Schiene entgegenzuwirken, waren auch damals neue Ideen gefragt. Die Cargo Tube GmbH erarbeitete multidisziplinär die Machbarkeit und das Konzept eines in unterirdischen Röhren verlaufenden, vollautomatischen Transportsystems für Güter. Gesetzt wurde dabei auf bewährte Technik. Bedingung sei die private Finanzierbarkeit und ein für Investoren gewinnbringender Betrieb. Robert Vogel, Senior Partner der Cargo Tube GmbH, erklärte uns das Konzept: «Die Tunnels für den Gütertransport werden nach heutigen Vorstellungen aus einer 10 bis 30 Meter tief im Boden gelegenen Tunnelröhre mit einem Durchmesser von 3 bis 5 Metern bestehen. Die selbstfahrenden, führerlosen Wagen würden in getrennter Richtung mit konstanter Geschwindigkeit von ca. 30 km/h und vorgegebenem Abstand verkehren und so eine oder mehrere Europaletten transportieren können. Kurze Genehmigungsverfahren, ein schneller Tunnelbau und das Parallelisieren des Ausbaus machen es möglich, dass eine Inbetriebnahme von Cargo Tube in den kommenden sechs bis sieben Jahren durchaus realistisch ist.» Das wäre also spätestens 2017 gewesen.

Selbstfahrende Paletten 50 Jahre TIR transNews
In kleinen, günstig realisierbaren Tunnels sollen selbstfahrende Paletten direkt von Verteilzentrum zu Verteilzentrum gelangen. Weder Ruhezeitverordnung noch Nachtfahrverbot stehen dem im Weg.

Bähnler wird BAV-Direktor
Der Bundesrat wählte Peter Füglistaler zum neuen Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Er war damals noch als Leiter Finanzen und Recht der SBB Infrastruktur tätig.

Mit Vorschlägen für scharfe CO₂-Grenzwerte für Personenwagen reagiert der Bundesrat in Form eines indirekten Gegenvorschlags auf die von den Jungen Grünen eingereichte «Stopp Offroader»-Initiative. Die Importeursvereinigung auto-schweiz und der Schweizerische Gewerbeverband zeigten sich erfreut, dass sich die Landesregierung damit klar gegen die autofeindliche Initiative aussprach. Gleichzeitig feierte der «erste echte deutsche Pick-up» seinen Markteintritt: Der Amarok war nicht nur die vierte Modellreihe der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge, sondern der erste in Deutschland entwickelte Pick-up der 1-Tonnen-­Klasse. Die Produktion im argentinischen Werk Pacheco in Buenos Aires begann im Dezember 2009.

Die im September 2009 vorgestellte neue R-Serie von Scania wurde von der Branche sehr gut aufgenommen. Zusätzlich zum Titel «International Truck of the Year 2010» gewann das Modell R480 mit grossem Punktabstand den 1000-Punkte-Test, durchgeführt von der deutschen Nutzfahrzeug-Handelspresse.

2010 Megatrucks TIR transNews
2010 waren sogenannte Megatrucks ein umstrittenes neues Konzept und wurden in der Schweiz gemäss einer repräsentativen Umfrage von der Bevölkerung abgelehnt.

Volk will keine Megatrucks
Eine klare Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer will keine Megatrucks auf den Strassen. Das ging zumindest aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die der Verein Alpen-Initiative in Auftrag gab. 80 Prozent der Befragten waren dagegen, dass Mega­trucks zugelassen werden, nur 16 Prozent waren klar oder eher für die 60-Tonnen-Lastwagen. Die Umfrage zeigte aber auch, dass der Widerstand gegen Megatrucks tenden­ziell kleiner ist, sollten sie nur auf den Autobahnen A1 und A2 verkehren dürfen. Bereits am 15. September 2009 hatte sich der Schweizerische Nutzfahrzeugverband (Astag) gegen die Zulassung von 60-Tönnern in der Schweiz ausgesprochen. «Sogenannte Gigaliner, die die bisherigen höchstzulässigen Abmessungen und Gewichte übertreffen, machen im Binnenverkehr aus betriebswirtschaftlichen Gründen keinen Sinn. Zudem werden Strasseninfrastruktur und Umwelt ­unnötig belastet», begründete der Verband seine Meinung.

Trucker TIR transNews
Die erste Ausgabe Trucker TIR (Bild) begeisterte im Juni 2009 Tausende Leser. 2010 ging es weiter.

Erste Trucker TIR 2010 am Start!
2009 lancierten wir zum Internationalen Trucker- und Country-Festival die erste Ausgabe unserer Gratiszeitung «Trucker TIR». Die Zeitung richtete sich an Chauffeure und alle anderen Fans von Lastwagen und der Transportbranche. 2010 waren sechs Aus­gaben geplant. Trucker TIR erschien bis Anfang 2015 und erfreute sich einer grossen Fangemeinde. Doch weil die Zeitung nach Aufhebung des Euro-Mindestkurses der Na­tionalbank tiefrote Zahlen schrieb, wurde sie eingestellt.

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