25 Jahre Vertrag von Lugano: Deutschlands Flop

ALPENTRANSVERSALE NEAT Am 6. September 1996 wurde der "Vertrag von Lugano" unterzeichnet. Deutschland und die Schweiz verpflichteten sich, die Infrastruktur für einen leistungsfähigen Eisenbahnverkehr zwischen beiden Ländern zu schaffen. Die Bilanz nach exakt 25 Jahren stellt Deutschland ein miserables Zeugnis aus.

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25 Jahre Vertrag von Lugano: Gefeiert wurde am 9. September mit kritischen Tönen in der Bar du Nord im Badischen Bahnhof Basel. (Foto: Jet-Foto, Kranert)

23 Milliarden Franken kostete die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) bis zu ihrer Vollendung 2020. Die Summe stemmte die kleine Schweiz vollumfänglich selbst und baute mit der Flachbahn durch die Alpen ein Jahrhundertwerk auf höchstem technischen Niveau. Ausgerechnet als Nicht-EU-Mitglied legte die Schweiz damit einen zentralen Stein der Europäischen Verkehrspolitik.

Am 6. September 1996 wurde der „Vertrag von Lugano“ vom damaligen Verkehrsminister Moritz Leuenberger unterzeichnet. Deutschland und die Schweiz verpflichteten sich in diesem Staatsvertrag, die Infrastruktur für einen leistungsfähigen Eisenbahnverkehr zwischen beiden Ländern zu schaffen. Auf den Tag genau 25 Jahre später wurde im badischen Bahnhof der Schweizer Grenzmetropole Basel eine Bilanz gezogen, die vor allem für die deutsche Verkehrspolitik beschämend ist. Während die Schweiz pünktlich Tunnel und Strecken fertiggestellt hat, kommen in Deutschland weder der (vierspurige) Ausbau der Rheintalbahn noch Bypässe schnell genug voran. So soll Stand heute nach erheblichen Verzögerungen der Ausbau auf deutscher Seite frühestens 2042 fertig sein – also mit einer Verspätung von 22 Jahren!

Die Güterbahnen formulierten nun ihre Erwartungen: „Ein Beschleunigungs- und Zusatzpaket, um so schnell wie möglich zusätzliche Schienenkapazität im europäisch wie regional wichtigen Nord-Süd-Korridor entlang des Oberrheins zu schaffen“, fordert das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE). NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling warnt: „Der oder die neue Verkehrsministerin riskiert einen Verkehrskollaps in der Region.“ Kerkeling forderte, die 1996 zugesagte Viergleisigkeit um sechs bis sieben Jahre gegenüber der aktuellen DB-Planung vorzuziehen und 2035 fertig zu sein. Doch selbst das wären 15 Jahre später als versprochen. „Die Güterbahnen wollen als Beitrag zu Verkehrswende und Klimaschutzprogramm bis dahin grob gesagt doppelt so viel transportieren wie heute. Dies und den gewünschten Halbstundentakt im Personenfernverkehr bekommen wir auf der jetzigen Infrastruktur einfach nicht unter.“

In Basel erinnerte der frühere Schweizer Verkehrsminister und Bundespräsident Adolf Ogi daran, dass die Schweiz mit der EU und den Nachbarstaaten einen Kompromiss für den Nord-Süd-Transitverkehr vereinbart und vertraglich gesichert hatte, der auch zur Einführung der 40-Tonnen-Limite auf Schweizer Strassen führte. Winfried Hermann, baden-württembergischer Verkehrsminister, beklagte den inakzeptabel langsamen Ausbau. Dieser hätte gerade wegen des Güterverkehrs schneller realisiert werden müssen. Der Bund habe in der Vergangenheit zu wenig investiert und falsche Prioritäten gesetzt – schon aus Klimaschutzgesichtspunkten müsste das Vorhaben beschleunigt werden.

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Der frühere Schweizer Verkehrsminister und Bundespräsident Adolf Ogi nannte trotz seiner Enttäuschung über die Nicht-Einhaltung des Vertrags von Deutscher Seite die NEAT einen Erfolg und ihren Bau eine Erfolgsgeschichte. (Foto: Jet-Foto, Kranert)

25 Jahre nach Vertragsunterzeichnung fehlen auf der Rheintalbahn auf 96 von rund 180 Kilometern weiterhin zwei Gleise – und die anderen werden immer wieder für Bauarbeiten gesperrt. Die Rheintalbahn ist seit 2010 Teil des Europäischen Güterverkehrskorridors Rhine-Alpine und auch für Personenzüge eine der wichtigsten Verbindungen in Mitteleuropa. Schon heute fahren dort über 200 Züge täglich und im Güter- wie Personentransport steigt die Nachfrage kontinuierlich.

Der Vertrag von Lugano lief am 31. Dezember 2020 aus und verlängerte sich danach automatisch um ein Jahr. Beide Seiten vereinbarten im Mai 2019, das Abkommen erst zu kündigen, wenn ein Nachfolgeabkommen verhandelt ist. Die vom deutschen Verkehrsminister kürzlich vorgestellte neue Vereinbarung mit der Schweiz ist dabei nach den Worten von Kerkeling „nicht wirklich hilfreich und ausreichend. Es ist unnötig, den Vertrag von Lugano zu Gunsten eines Vertragswerks voller unverbindlicher Absichtserklärungen aufzugeben, in dem nun zur Rheintalbahn keine konkrete Aussage enthalten ist und es heisst, dass es für niemanden finanzielle Verpflichtungen hat. Damit hat der Verkehrsminister die Lizenz, die jetzt schon gängige Komm-ich-heut-nicht-komm-ich-morgen-Mentalität, weil wir ohnehin schon in Verzug sind, weiterzuführen und verschiebt mit jedem Tag die dringend gebotene Entlastung des Nadelöhrs in der Region.“

 

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