Used Trucks – Ein zweites Leben für gebrauchte LKW

Seit Anfang 2017 läuft bei Renault Trucks in Bourg-­en-Bresse (F) das Projekt «Used Trucks». Dabei ­bearbeitet Renault gezielt das riesige Geschäftsfeld der gebrauchten Lastwagen. In zwei Stoss­richtungen werden die Fahrzeuge für neue Einsätze auf- und umgerüstet: Die Stichworte dazu heissen «X Road» und «­Tractor to Rigid».

Die Motoren werden mit zertifizierter Abgasnachbehandlung nötigenfalls auf Euro-3 zurückgestuft.
Die Motoren werden mit zertifizierter Abgasnachbehandlung nötigenfalls auf Euro-3 zurückgestuft.

Im Used Truck Center sieht es eigentlich aus wie in einer übergrossen Lastwagenwerkstatt, doch die «Operation», die in der Werkhalle am hinteren Ende des Werksgeländes in Bourg-en-Bresse läuft, hat einen ganz anderen Charakter. Aktuell sind die Mitarbeiter an fünf Sattelzugmaschinen und an einem Rigid-Chassis tätig, allesamt in unterschiedlichem Fertigungsstand. Ziel ist es, eingetauschte Fahrzeuge für neue Aufgaben fit zu machen. «Wir wollen damit die Produktvielfalt steigern, indem die gebrauchten Lastwagen für neue Aufgaben und spezifische Märkte adaptiert werden», sagt Emmanuel Duperrey, der die neue Abteilung «Used Trucks» bei Renault Trucks leitet.

Konkret wurde die Idee von «Used Trucks» im Mai 2016, zeitgleich mit der Neuorganisation der Volvo Group. Die Volvo Group fasst unter anderem Renault Trucks und Volvo Trucks unter einem Dach zusammen, wobei besagte Neuorganisation die Eigenständigkeit der beiden Lastwagenmarken stärkte, sodass eine Idee wie Used Trucks zum richtigen Zeitpunkt kam. Mit der Umsetzung begann das Team von Emmanuel Duperrey im September des letzten Jahres und startete schliesslich die konkreten Arbeiten mit Kundenfahrzeugen im Januar 2017.

Aufwerten und Umbauen Flottenkunden erneuern ihre Lastwagen beständig, die gebrauchten gehen an den Hersteller zurück oder direkt in den freien Handel. «Im Schnitt sind Occasions-LKW vier Jahre alt und haben zwischen 250 000 und 450 000 km auf dem Buckel», führt Duperrey aus, was im Lastwagengeschäft noch lange nicht das Ende bedeute. Bei Renault Trucks hat man für sich entdeckt, dass dieser stete Rücklauf an Fahrzeugen nicht nur eine beständige Herausforderung für die Hersteller ist, sondern auch als veritable Chance angesehen werden kann. Durch gezielte Arbeiten an den Fahrzeugen soll ein zusätzliches Angebot geschaffen werden, das einerseits das angestammte Geschäft neuer LKW ergänzt und andererseits aber auch als probates Mittel gegen chinesische OEMs in Schwellenländern genutzt werden kann.

Emmanuel Duperrey ist bei Renault der Kopf hinter dem Projekt Used Trucks und leitet die «Operation».
Emmanuel Duperrey ist bei Renault der Kopf hinter dem Projekt Used Trucks und leitet die «Operation».

Die Endprodukte der Used Trucks entstehen praktisch immer auf Standard-Zugmaschinen, denn diese stellen auch den Hauptharst des Lastwagenmarktes und damit des Rücklaufs nach drei, vier Jahren. «Sie dienen uns als Basis für neue Lösungen», meint Duperrey. Der Grossteil dieser Fahrzeuge wird unter dem Label «X Road by Re­nault Trucks» in widerstandsfähigere Zugfahrzeuge umgebaut, mit beispielsweise stabileren Fahrwerken, 70 mm mehr Bodenfreiheit, Steinschlagschutz für den Kühler und einem entsprechend robusteren optischen Auftritt. «Der typische Einsatz der Fahrzeuge ist im Baugewerbe oder aber in Regionen mit schlechten Strassen, wie in Afrika oder in Regionen mit hohem Wüstenanteil», so Duperrey.

Einen grossen Schritt weiter geht man bei Used Trucks mit der Umwandlung von Zugmaschinen in Rigid-Fahrgestelle. «Die Nachfrage nach gebrauchten Rigid ist vor allem in preissensitiven Regionen gross und kann vom normalen Rücklauf nicht gedeckt werden», erläutert Emmanuel Duperrey. Also hat man in der Used-Truck-Werkstatt begonnen, passende Zugmaschinen mit neuen Chassis zu bestücken und sie in Rigid umzuwandeln – «Tractor to Rigid» heisst denn diese zweite Sparte beim französischen Lastwagenbauer.

Balance finden Jedes Fahrzeug, das bei Used Trucks eintrifft, durchläuft zuerst eine Inspektion mit 200 Punkten. Nötige Reparaturen werden ausgeführt und Teile ausgetauscht. Die Kabine wird gründlich gereinigt und auch hier werden, wenn nötig, Teile ersetzt. «Ein wichtiger Grundsatz im neuen Geschäftsfeld ist es, keine Kompromisse bei der Qualität zu machen», bekräftigt Duperrey. Die Kunst dabei sei es, die Balance zu finden zwischen den nötigen Arbeiten und den anfallenden Kosten, denn «auch Used Trucks muss natürlich ein rentables Geschäft sein». Der einfachere Teil der Kalkulation ist der Rücklauf der Lastwagen. Schwieriger ist es, das Gleichgewicht zwischen notwendigen und möglichen respektive wünschenswerten Arbeiten zu finden.

Dass die Aufwertung der Lastwagen mehr koste als eine einfache Kontrolle, ist den Verantwortlichen bewusst. «Aber die Aufwertung stärkt auch das Image der Marke», ist Duperrey überzeugt. Teil der Aufwertung ist es, Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge durch zertifizierte Downgrade-Bausätze für einen Einsatz in Euro-3-Ländern umzurüsten. Dabei wird die bestehende Abgasnachbehandlung mit Adblue-Zusatz durch ein neues System ohne Adblue und entsprechend neuer Motorensteuerung ersetzt. Speziell in Afrika, wo der hohe Schwefelanteil im Diesel die Abgasnachbehandlung für Euro-5 und -6 zerstören würde, stossen zertifizierte Marktanpassungen in der Abgasnachbehandlung auf grosse Zustimmung und sind ein wichtiges Qualitätsmerkmal.

Standard oder mit Optionenkatalog Anfang 2017 wurden die Arbeiten im Used Trucks Center aufgenommen und aktuell werden pro Woche zehn Fahrzeuge für X Road gefertigt und zwei für Tractor to Rigid. «Das Geschäft läuft gut und wir rechnen damit, in den kommenden Monaten die Kadenz um rund 50 Prozent erhöhen zu können.» Aktuell wird die Hälfte der Used Trucks in den Export geschickt, vor allem in den Mittleren Osten und nach Afrika. Eine Anlaufstation wurde in Dubai eröffnet, wobei das dortige Used Truck Center keine Fahrzeuge umbaut, sondern lediglich ausliefert. Auch in Europa rechnet Renault Trucks mit einer stärkeren Ausbreitung seiner Used-­Truck-­«Operation», wobei in diesen Tagen in Budapest ebenfalls ein neues Auslieferungscenter eröffnet wird.

Die Aufrüstung der Used Trucks umfasst bei allen Fahrzeugen einen gewissen Standard, der unter anderem auch eine Garantie für den Antriebsstrang mit sich bringt. Für den Export beträgt die Garantie sechs Monate, in Europa sind es 12 bis 24 Monate, abhängig vom jeweiligen Garantie-Programm der Länder. Ergänzend dazu kann auf gewisse Kundenwünsche eingegangen werden, wobei Renault Trucks dazu einen ganzen Katalog mit möglichen Adaptionen aufgebaut hat, ähnlich der Optionenliste beim Kauf eines neuen Lastwagens. Darauf ist der hydraulische PTO-Abnahmepunkt für Betonmischer nur ein Beispiel für die zahlreichen Möglichkeiten. Bislang wurde übrigens erst der Premium für neue Einsätze umgebaut; die neuere T-Modellreihe beginnt erst jetzt in Form von Occasionen ins Werk zurückzukommen.

www.renault-trucks.ch

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