MAN-Komfort trotz neuem Konzern-Antriebsstrang

FAHRBERICHT Im Vorfeld der IAA Transportation 2024 hatte MAN Truck & Bus für seine Langstrecken-Lastwagen den Motor D30 eingeführt, der das Herzstück für den neuen Konzern-Antriebsstrang ist. Auf einer Fahrt von München nach Wien haben wir ihn in einem MAN TGX erprobt.

Mit der Bezeichnung D30 hat MAN eine neue Motorenfamilie eingeführt. Der Konzernmotor ersetzt bei der Sattelzugmaschine die eigenen Motoren und Getriebe.
Mit der Bezeichnung D30 hat MAN eine neue Motorenfamilie eingeführt. Der Konzernmotor ersetzt bei der Sattelzugmaschine die eigenen Motoren und Getriebe.

Wer sich nicht in jedem Detail bei der Marke MAN auskennt, dürfte äusserlich kaum erkennen, ob ein Fahrzeug mit dem neuen Motor unter dem Fahrerhaus ausgestattet ist. Doch im Rahmen der aerodynamischen Verbesserungen wurde mit dem neuen Motor auch die Tankabdeckung im Chassis verlängert und sie deckt nun bei Modellen mit D30-Motor zugleich auch die Abgasnachbehandlung ab. Der im Testfahrzeug eingebaute Sechszylinder D3066 hat einen Hubraum von 12,7 Litern, leistet 412 kW (560 PS) und verfügt über ein Drehmoment von 2800 Nm zwischen 900 und 1350/min. Es handelt sich um das Herzstück im neuen Konzern-Antriebsstrang.

Ausgerüstet mit zweistufigem Turbolader und ungekühlter Abgasrückführung erreicht der D30 einen ausgezeichneten Wirkungsgrad von über 50 Prozent. Er ist zudem für den Einsatz von synthetischem und biogenem Diesel (z.B. HVO) ausgelegt. Der Einstiegsmotor der in gesamthaft sechs Leistungsstufen erhältlichen D30-Motorenreihe startet übrigens mit den folgenden Leistungsdaten: 279 kW (380 PS) und 2100 Nm.

Der 12,7-l-Konzernmotor D30 wird mit einem neuen 14-Gang-Getriebe gekoppelt.
Der 12,7-l-Konzernmotor D30 wird mit einem neuen 14-Gang-Getriebe gekoppelt.

Gutes Zusammenspiel

Die Kraftübertragung erfolgt über ein ebenfalls aus der Traton Group stammendes, neues automatisiertes Getriebe mit 14 Vorwärts- und 4 Rückwärtsgängen. Bei diesem Overdrive-Getriebe ist der 13. Gang der Direktgang, die Getriebespreizung beträgt 26,67. Aus den Massnahmen zur Verbrauchssenkung erfolgt eine um rund vier Prozent verbesserte Effizienz gegenüber der bisherigen hauseigenen Motor-Getriebe-Einheit.

Da wir für die gefahrene Strecke keine Referenz haben, können wir die Verbrauchsfrage nicht wirklich beurteilen, doch gemäss dem Bordcomputer waren wir über die rund 450 Kilometer lange Strecke (meist Autobahn) stets sehr verbrauchsgünstig unterwegs. Parallel zur Verbrauchsreduktion steigt allerdings der Adblue-Verbrauch an (von 6,4 auf 9,8 Prozent des Dieselverbrauchs), weshalb der Verbrauchsvorteil nicht komplett in den Kosten durchschlagen kann, gleichwohl wird die TCO gemäss MAN deutlich reduziert.

Das sehr praktische Easy-Control-Bedienfeld in der Fahrertüre lässt sich je nach Anwendung anpassen.
Das sehr praktische Easy-Control-Bedienfeld in der Fahrertüre lässt sich je nach Anwendung anpassen.

Das Zusammenspiel von Motor und Getriebe gefällt sowohl beim Manövrieren, wo das feinfühlige Rangieren besonders angenehm auffällt, als auch bei Fahrt. Dabei wählt das Fahrzeug die Schaltstrategie teilweise selbstständig, doch der Fahrer kann mittels Getriebe und Strategievorgaben das Ganze bis zu einem gewissen Mass beeinflussen. Erst kürzlich hatten wir die neue, vorausschauende Fahrfunktion Predictive Drive vorgestellt, bei welcher bis zu drei Kilometer der bevorstehenden Strecke in die Schaltstrategie des Fahrzeugs einbezogen werden. Dadurch schaltet der Truck bei Bedarf bereits am Einstieg in eine Steigung, um Schaltungen während der Leistungsphase zu verhindern. Nicht zuletzt daran wird erkennbar, wie stark MAN die Abstimmung von Motor und Getriebe beim Einsatz von Konzernmotoren durchdringt.

Bremsenseitig sind die neuen, besser gekühlten Scheibenbremsen mit einer aktiven Rückstellung versehen, welche beim Lösen der Bremse Scheiben und Backen voneinander wegdrücken, um ein Restschleifmoment zu verhindern. Als Dauerbremse gelangt ein neuer «Retarder 47» zum Einsatz, der bis zu 4700 Nm Bremskraft erzeugen kann, ergänzend zur Hochleistungsmotorenbremse mit 355 kW Dauerleistung. Zur Verbrauchsreduktion ist der Retarder 47 abkoppelbar, sodass auch hier kein Schleifmoment auftreten kann.

Mit dem Spiegelkamerasystem erhält der Chauffeur eine sehr gute Rundumsicht beim Fahrzeug.
Mit dem Spiegelkamerasystem erhält der Chauffeur eine sehr gute Rundumsicht beim Fahrzeug.

Eindrücke

Trotz nochmals optimierter Geräuschisolierung ist der D30-Motor in der Kabine bei Fahrt stets gut vernehmbar, wirkt aber trotzdem nicht aufdringlich. Neben neuen Zeigerdesigns im Hauptinstrument gefällt uns vor allem, dass jetzt in der Startup-Sequenz die wichtigsten Informationen zum Fahrzeug dargestellt werden, ohne dass der Zündschlüssel gedreht werden muss. Zudem lässt sich auf einfache Weise die Informationsfülle der Instrumentierung unterwegs minimieren, was beispielsweise bei Nachtfahrt die Lichtintensität reduziert, oder auch ganz generell für weniger Ablenkung sorgt.

Noch immer gewöhnungsbedürftig ist das spürbare dynamische Segeln bei MAN. In flachem Gelände wechselt der Truck automatisch zwischen Beschleunigen und Rollen. Er beschleunigt bis etwa 3 km/h über die im Tempomat festgelegte Geschwindigkeit, schaltet auf Neutral und rollt im Leerlauf so lange, bis er etwa drei km/h unter dem Tempomatwert liegt. Dann beschleunigt er wieder, usw. Dieses Auf und Ab über die Spanne von rund 6 km/h mag zwar verbrauchsmässig effizient sein, kann jedoch andere Chauffeure bei dichtem Verkehr stören.

Die Seitenabdeckung des Tanks reicht nun auch über die Abgasnachbehandlung – das ist das wichtigste Erkennungszeichen für den neuen Motor an der Karosserie.
Die Seitenabdeckung des Tanks reicht nun auch über die Abgasnachbehandlung – das ist das wichtigste Erkennungszeichen für den neuen Motor an der Karosserie.

Die aktive Spurhaltung gefällt nach kurzer Angewöhnung gut. Vor allem das Ziehen am Lenkrad irritiert zu Beginn etwas, wird jedoch auf breiter Strasse bald einmal zu einem integralen Teil der Lenkarbeit. Auf schmalen und vor allem kurvigen Strecken verzichtet man jedoch besser auf den Einsatz des Systems.

Integration von Konzern-Antriebsstrang gelungen!

In Wien angekommen haben wir den Eindruck gewonnen, dass MAN den neuen Konzern-Antriebsstrang gut für seine eigenen Bedürfnisse und auf die MAN-eigenen Präferenzen abgestimmt hat. Fazit: Integration gelungen! Vorerst werden damit aber lediglich in den Sattelzugmaschinen die bisherigen D26- und D15-Motoren ersetzt. In den Bussen und für den Schwerlastbetrieb bleiben weiterhin die MAN-eigenen Motoren im Einsatz. Gleichwohl ist man auf Lösungssuche, um den D30-Antriebsstrang künftig auch in der für MAN wichtigen Sparte der Spezialanwendungen in Bau- und Schwertransport einsetzen zu können.

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