Mario Kress: Ein Leben am Limit

RALLYE DAKAR Mario Kress (48) misst sich seit 26 Jahren im Truck Race mit der internationalen Elite, seit 2010 in Kooperation mit Renault Trucks. Nun steht er unmittelbar vor seiner fünften ­Off­road-Saison, in der er ausschliesslich bei Klassikern wie Rallye Dakar, Silk Road Rallye ­­und Rallye Morocco antritt. Wir trafen den quirligen Deutschen zum Interview.

Race-Truck-Fahrer und Rallye-Teamchef Mario Kress TIR transNews
Der sympathische Race-Truck-Fahrer und Rallye-Teamchef Mario Kress

TIR: Sie waren lange auf den Rundstrecken anzutreffen, was brachte Sie dazu, ins Offroad-Feld zu wechseln?
Mario Kress: Ich fahre schon seit 26 Jahren Truck Race und bin auf dem Asphalt ein alter Hase geworden. Ich habe so viel gelernt und wollte mal etwas Neues machen.

Und Ihre Zwischenbilanz?
Ich wurde überrascht, wie anspruchsvoll Offroad-Rennen sind, weil jeder Tag eine neue Herausforderung bringt und man stets an neue Grenzen stösst, sodass es sich zu verbessern gilt.

Was sind das für Herausforderungen?
Zum Beispiel verschiedene Bedingungen innerhalb eines Rennens, wie schnelle Strecken und technisch anspruchsvolle Abschnitte. So ist auf Sand zu fahren für den Triebstrang enorm belastend, weil man immer mit hohem Drehmoment fährt. Da muss man Kompromisse eingehen zwischen forcierter Gangart und Lebensdauer des Motors.

Von welchen Kräften reden wir?
Ein extrem gutes Drehmomentband ist beim Offroadfahren das A und O, aber es ist zudem eine extreme Belastung des Triebstrangs. Unsere Trucks holen aus dem DXi-13 stolze 1040 PS und ein Drehmoment von 4600 Newtonmeter. Dazu arbeiten wir mit einem Ladedruck von bis zu 4,6 bar. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt laut Reglement 140 km/h.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Renault Trucks auf der technischen Seite aus?
In der kommerziellen Motorenentwicklung ist heute das Gewicht ein Thema, denn ein leichterer Motor bedeutet mehr Nutzlast. Für uns ist das ein genauso wichtiges Thema. Wir sind über die Renault-Trucks-Zentrale in Lyon mit dem Engineering verbunden und testen neue Leichtbaukomponenten, die sich bereits in der praktischen Versuchsphase auf der Strasse befinden, auch im harten Renneinsatz.

Haben Sie ein aktuelles Beispiel?
Mit einem 3D-Drucker hergestellte Ventilkipphebel aus Titan und Klebstoff wiegen 85 Prozent weniger als die heutigen Serienteile. Sie wurden inzwischen auf 1,5 Mio. Kilometern auf der Strasse getestet und werden nun in unserer fünften Saison auch bei uns eingesetzt und erprobt. Ziel ist, mit solchen Massnahmen den Motor um insgesamt 80 bis 85 Kilo leichter zu machen.

Bei der Taxifahrt hier in der Kiesgrube wurde mir bewusst, wie sehr auch das Fahrwerk belastet wird.
Das stimmt, Chassis und Fahrwerk werden extrem belastet. Bei der Dakar müssen am Rest Day – das ist etwa zur Hälfte des Rennens – sämtliche Federn, Dämpfer, Lenker, Lenk­getriebe, Kardanlängswelle, Kardangelenk und Differen­zial­getriebe ausgetauscht werden. Was normalerweise das «ewige Leben» hat, zerstören wir in einer Woche.

Wie grenzt man die Belastung ein?
Du kannst das beste Fahrzeug der Welt haben, aber das nützt dir nichts, wenn dein Fahrer nicht auch den goldenen Kompromiss findet zwischen Gasgeben und darin, das Fahrzeug ins Ziel zu bringen. Und man muss das Glück auf seiner Seite haben.

Sie sind 48, wie lange möchten Sie sich das noch antun?
Ich habe das Ziel, die Rallye Dakar zu gewinnen, egal wie lange es dauert und solange ich zumindest die Möglichkeit dazu habe. Denn es gibt ja auch noch andere Faktoren, wie etwa die Unterstützung durch Renault Trucks.

Welche Verbindung haben Sie zur Schweiz?
Ich arbeite seit 20 Jahren mit meinem Freund und Kollegen Markus Bösiger zusammen. Wir treffen uns ein- oder zweimal im Jahr. Im letzten Mai haben wir Filmaufnahmen gemacht für die TV-Sendung Tacho.

Worum ging es da?
Ich baue «unnormale Fahrzeuge», und so eines wurde in der Sendung vorgestellt.

Ihr Fazit zur Partnerschaft mit Renault Trucks?
Mit Renault verstehe ich mich super. Ich kann sehr gut mit den Franzosen kommunizieren. Der Charakter der Marke ist immer kundennah, einfach und am Boden geblieben. Bei einer Partnerschaft ist mir wichtiger, das von mir gesteckte Ziel zu erreichen, als 500 Euro mehr zu verdienen.

Dakar 2019
Die 41. Rallye Dakar wird vom 6. bis 17. Januar 2019 zum ersten Mal in ihrer Geschichte in nur einem einzigen Land ausgetragen, nämlich Peru. Die früheren Ausrichterländer Bolivien, Argentinien und Chile hatten aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage ihre Unterstützung zurückgezogen. Am Start sind 44 Trucks. Etwa 70 Prozent der Strecke führt durch Dünen und tiefen Sand. Nachdem die Regierung des südamerikanischen Landes Mitte Juni mit der finanziellen Unterstützung der Marathonrallye gezögert hatte, sagte sie später zu und erklärte die Dakar zur «Veranstaltung von nationalem Interesse».

Die Rallye Dakar (früherer Name Rallye Paris–Dakar) ist ein Rallye-Raid-Wettbewerb, der als die bedeutendste Langstrecken- und Wüstenrallye der Welt gilt. Sie wurde von 1978 bis 2007 einmal jährlich hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen. Im Jahr 2008 wurde die Rallye Dakar aufgrund einer Terrordrohung abgesagt. Seit 2009 findet sie aus Sicherheitsgründen auf dem südamerikanischen Kontinent statt.

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