Die leise Fahrt im ­Erdgas-Truck mit LNG

ALTERNATIVE ANTRIEBE Eine erste Testfahrt auf heimischem Terrain zeigt die Unterschiede, die LNG beim Lastwagen zum herkömmlichen Diesel bringt. Mit allem lässt sich leben, sobald die Infrastruktur den ­Betrieb denn auch zulässt.

LNG Drucktanks am Zugfahrzeug Scania TIR transNews
Nur die LNG-Drucktanks am Zugfahrzeug lassen von aussen den Gasbetrieb des Lastwagens erkennen.

Erdgas als Treibstoff hat gegenüber dem herkömmlichen Benzin und Diesel etliche Vorteile, namentlich in der CO2-Thematik und bei den praktisch nicht existenten Partikeln. Gleichwohl konnte sich CNG beim Personenwagen zwar fest-, aber nicht durchsetzen, und beim Lastwagen tat sich der Treibstoff wegen der bislang unzureichenden Leistungsentfaltung und der begrenzten Reichweite schwer. Mit Blick auf die anspruchsvollen Abgasvorschriften bringen neue Technologien beim LKW nun aber Erdgas als kurzfristige Alternative zum Diesel zurück ins Spiel. Dabei ist CNG nur am Rande interessant, im Fokus steht vielmehr das verflüssigte Erdgas LNG, das jetzt die für Langstrecke nötigen 1000 und mehr Kilometer möglich macht. Zudem konnte das Leistungsmanko praktisch elimiert werden.

Mit Iveco, Scania und Volvo sind drei der namhaften LKW-Hersteller auf den LNG-Zug aufgesprungen. Andere halten sich noch zurück oder verweigern sich wie Renault Trucks und DAF explizit dem Flüssiggas. Iveco und Scania bringen LNG in Form von Otto-Verbrennung, was eine Gewichtsersparnis bringt, da der ganze Abgasnachbehandlungsbereich mit Adblue entfällt. Allerdings muss das Gemisch mit einer Zündkerze gezündet werden. Volvo arbeitet nach dem Dieselprinzip, was für eine noch bessere Leistungskurve sorgt, aber auch einen zusätzlichen Dieseltank und Adblue sowie die aufwendige Dieselabgasnachbehandlung verlangt.

Klare Vor- und Nachteile von LNG

Für den Test stand ein Scania G410 LNG zur Verfügung. Er kam als 32-Tonnen-Sattelzug, sodass ein direkter Vergleich der Leistungscharakteristik mit dem im Frühling 2018 gefahrenen 40-Tonnen-G410-­Diesel nicht möglich ist. Die Motorkennzahlen jedoch lassen gewisse Rückschlüsse zu. Diesel- und LNG-Motor weisen mit 12,7 Litern (Bohrung/Hub 130×160 mm) die gleichen Hubräume auf und verfügen beide über nominell 410 PS bei 1900 U/min. Allerdings ist der Leistungsaufbau beim Diesel deutlich steiler, denn er erreicht 400 PS bei bereits 1300 U/min, der Gasmotor bei 1400 U/min. Auch das Drehmoment ist beim Diesel höher und der Verlauf steiler, mit 2150 Nm bei 1000–1300 U/min, beim LNG sind es 2000 Nm bei 1100–1400 U/min.

In LNG interessierte Transportunternehmen werden mit diesen Unterschieden wohl gut leben können. Denn wie die Testfahrt offenbart, ist die Fahrbarkeit des Gasmotors gut und dank des Otto-Verbrennungsverfahrens auch deutlich ruhiger. Die Laufruhe und Geräuschentwicklung kommen direkt dem Komfortempfinden des Chauffeurs zugute und sie sind so verhalten, dass der Scania G410 LNG die PIEK-Geräuschlimite von 72 dBA in lärmsensitiven Gegenden problemlos erfüllt. Das Ottoprizip hat aber auch zur Folge, dass der Motor ohne Abgasdruckbremse auskommen muss. Das sind immerhin 256 kW, welche zum 500 kW-Retarder (4100 Nm) nur beim Diesel zur Verfügung stehen. Das Fehlen der Abgasbremse macht sich zwar bemerkbar, ist aber mit etwas Übung problemlos zu bewältigen, ohne Nachteile auf Verschleiss oder Verbrauch. Die Ecoroll-Funktion ist übrigens wegen des Arbeitsprinzips des LNG-Motors ebenfalls nicht vorhanden. Apropos Verschleiss – die Serviceintervalle beim LNG-Motor sind wegen der Zündkerze zwar verkürzt – Scania spricht von 45 000 km – doch gelangt auch hier kein fester Service-­Rhythmus zum tragen, sondern ist fahrleistungsabhängig flexibel. Mitbewerber Iveco verwendet die gleiche Zündkerze und spricht von 90’000 km. Im harten Transportalltag dürfte verkürzten Service-Intervallen wenig Verständnis entgegengebracht werden.

Erst eine absolute Ausnahme

Die LNG-Betankung dauert ähnlich lang wie bei Diesel – wenn denn eine Tankstelle vorhanden ist. Noch ist die Schweiz absolutes Brachland bezüglich LNG-Tanksäulen, doch entstehen in diesen Wochen und Monaten dank des Engagements von Krummen Kerzers, Lidl Schweiz und von Translait die ersten drei Betankungsanlagen auf der Achse vom Dreiseenland am Jurasüdfuss bis in die Ostschweiz. Für die Betankung des Test-Scania hatte uns der Gasverbund Mittelland Zugang zu seiner Insellösung in Bubendorf BL gewährt, wo aus dem LNG-Reservoir die nahe gelegenen CNG-Säulen der Agrola-Tankstelle gespeist werden. Der Gasverbund hat das Reservoir errichtet, um in dieser Region, wo keine Gasleitung vorhanden ist, gleichwohl das Erdgastanken zu ermöglichen. Eine kommerzielle LNG-Betankung ist mit dieser Insellösung aber nicht möglich.

Die Vorteile von LNG bringen eine CO2-Reduktion um 15–20 Prozent, je nach Herstellung und Herkunft ist gar eine bis 95 Prozent bessere CO2-Bilanz möglich. Zugleich reduziert sich NOx um 60 Prozent gegenüber Diesel und die Partikel fallen praktisch komplett weg. Als Übergangslösung bietet LNG also einen gangbaren Ansatz, der mit passender Infrastruktur seinen Platz haben wird.

 

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