Batterien oder Fuelcell – der e-Lastwagen in Bewegung

ELEKTROMOBILITÄT Neue CO2-Vorschriften setzen die Hersteller von Nutzfahrzeugen unter Druck. Die unterschiedlichen Ansätze zeigen bei batterieelektrischen Lösungen und bei der Brennstoffzelle den riesigen Effort auf, mit dem die Industrie an gangbaren und praxisnahen Ergebnissen arbeitet.

Hyundai Fuelcell TIR transNews
Hyundai hat seit der IAA seine Anstrengungen bezüglich Brenn­stoffzellen-Lastwagen massiv erhöht. Gemäss «Roadmap Fuelcell 2030» wird Hyundai Mobis seine Kapazitäten von heute jährlich 3000 auf 700 000 Fuelcell-Stacks im Jahr 2030 erhöhen.

Mit der «Roadmap Elektromobilität 2022» wurde kurz vor Weihnachten endlich auch in der Schweiz ein breit abgestütztes Projekt zur Förderung von Elektrofahrzeugen ins Rollen gebracht. Über 50 Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Dienstleistern haben die Roadmap entworfen, mit der bis ins Jahr 2022, also bis in drei Jahren, der Anteil an Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen bei den Schwei­zer Neuzulassungen auf 15 Prozent angehoben werden soll. Unter die Roadmap fallen Themen wie Lade­infras­truk­tur, staatliche Verkaufsförderung und emotionale Zugänglichkeit der neuen Technologie. Auch das Thema Nutzfahrzeuge findet in der am 18. Dezember unterzeichneten Roadmap Platz, allerdings «nur» in Form einer rascheren Verfügbarkeit von Elektrolieferwagen. Dass das schwere Nutzfahrzeug hier nicht explizit auftaucht, hat natürlich auch gute Gründe, denn Lastwagen und Busse verlangen für die Elektrifizierung viel komplexere Begleitmassnahmen, als es beim Individualverkehr der Fall ist.

Wie bei den Lieferwagen hat für die Lastwagenhersteller vorerst die letzte Meile eine kurzfristige Relevanz bei den Entwicklungszielen der Elektrolösungen. Hier ist das Einsatzgebiet relativ klar eingrenzbar und der Bewegungs­ra­dius lässt sich einigermassen gut kontrollieren. Abfallentsorgung, Belieferung von Einkaufszentren oder beim Bus der Linienbetrieb ermöglichen es, die für die eingeschränkte Reichweite reiner Batteriekonzepte nötige Infrastruktur zu evaluieren und mitzuliefern.

Bewegung beim Brennstoffzellen-LKW Die Fuelcell, die im Fahrzeug aus Wasserstoff Elektrizität generiert, ist seit vielen Jahren fester Bestandteil in den Entwicklungsabteilungen und findet in Wellenbewegungen auch ihren Weg in die Ankündigung eines bevorstehenden Durchbruchs. Vereinzelte Personenwagen sind von Toyota, Honda und Hyundai bereits im Verkauf. Die Vorteile der Brennstoffzelle liegen in der höheren Speicherkapazität, welche eine mit Verbrennungsmotoren vergleichbare Reichweite zwischen den Betankungen möglich macht. Allerdings erschwert die erst homöopathische Dosierung der Wasserstofftankstellen noch eine stärkere Verbreitung dieser Antriebstechnologie.

Auch im Lastwagen taucht die Brennstoffzelle immer wieder als Lösungsansatz auf, zuletzt im besonderen Masse im vergangenen Herbst, als Hyundai am Rande der IAA in Hannover die Lancierung von 1000 Brennstoffzellen-LKW ankündigte, die zwischen Herbst 2019 und dem Jahr 2023 in der Schweiz auf die Strasse kommen sollen. Mit der Schweiz als Basis will Hyundai die Technik auch ins restliche Europa ausrollen sowie in die USA. Dazu hatte Hyundai auf der IAA mit dem Schweizer Wasserstoff-Interessenverbund «H2energy» eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Aktuell sind die verbindlichen Verträge im abschliessenden Feinschliff und sie sollten gemäss Rolf Huber, Verwaltungsratspräsident von H2energy, Ende Januar unterzeichnet werden können.

Grosse Vision von Hyundai «Die Resonanz auf die Meldung an der IAA war gewaltig», sagt Rolf Huber auf unsere Nachfrage drei Monate nach der Ankündigung. Sie habe alle Erwartungen bei Hyundai und bei H2energy übertroffen, sodass die Vorbereitungen seither stark intensiviert wurden. Hyundai hat auch aus dieser Resonanz seine Brennstoffzellenpläne massiv erweitert und diese am 11. Dezember in Form der «Brennstoffzellen-­Vision 2030» (FCEV Vision 2030) veröffentlicht. Aktuell hat die Fuelcell-Produktionssparte Hyundai Mobis in Korea den Bau einer zweiten Brenn­stoffzellenfabrik in Angriff genommen. Sie ermöglicht es Hyundai Mobis, die heutige Jahresproduktion von 3000 Fuelcell-­Stacks bis 2022 auf 40’000 zu erhöhen, mit einem weiteren Ausbau bis zum Kapazitätsziel der Vision von 700’000 Zellen im Jahr 2030. Von diesen sollen rund 500’000 Stück in Autos und Nutzfahrzeugen eingesetzt werden, 200’000 jedoch für Non-­Automotive-Nutzungen.

In der Schweiz laufen die Vorbereitungen für den Ersteinsatz der Lastwagen auf Hochtouren. Erste Baubewilligungen für Wasserstofftankstellen sind bereits erteilt oder durch­laufen aktuell den Bewilligungsprozess. Zudem wird in der Westschweiz im Bereich der Energieversorgung ein für die Umsetzung wichtiges Projekt angestossen. Details dazu verspricht Huber im Frühling bekannt geben zu können. Bei Hyundai werden aktuell die ersten vier Lastwagen gebaut, die zuerst in Korea auf einer den Schweizer Gegebenheiten nachempfundenen Teststrecke erprobt werden. Zwei der LKW kommen danach auch zu uns, wo sie ebenfalls von Kunden getestet werden. Die Erkenntnisse daraus werden schliesslich in die 50 ersten Serientrucks einfliessen, die ab September 2019 in der Schweiz in Betrieb gehen sollen. Für diese 50 LKW wird Hyundai, wie bislang vorgesehen, die Brennstoffzellen-Stacks aus dem Personenwagen Nexo verwenden, für die restlichen 950 der geplanten Lastwagen aber einen für den kommerziellen Einsatz optimierten Stack da­raus entwickeln. Auch das ist eine Reaktion auf die gewaltige Resonanz auf die Ankündigung in Hannover.

Entwicklungspläne für die Brennstoffzelle hat auch Scania, wobei bis Anfang 2020 ein Wasserstoffkehrichtwagen für das westschwedische Entsorgungsunternehmen Reno­va für einen Testbetrieb einsatzfähig sein soll. Vier Verteilerlastwagen mit Brennstoffzelle hat Scania für den norwegischen Lebensmittelgrosshändler Asko in der Pipeline.

Batterieelektrischer Stand Im Linienbussektor haben die mittels Batteriestrom angetriebenen Fahrzeuge bereits eine beeindruckende Ausbreitung erlebt. Dabei ist man sich weitum darin einig, dass es keine Alternative zur Elektrifizierung der Strassenfahrzeuge gibt, um CO2 nachhaltig zu reduzieren. Das bekräftigte auch der Berner Fachhochschuldozent Professor Dr. Andrea Vezzini anlässlich der Jahrestagung der Schweizerischen Studiengesellschaft für Motorbetriebsstoffe SSM. Die 2018er-Tagung stand unter dem Motto «Alternative Antriebe». Allerdings sieht Vezzini dazu auch einen Nachholbedarf bei der Stromproduktion und bei der Ladeinfrastruktur.

Bei den Lastwagenherstellern steht der Elektro-LKW inzwischen ganz oben auf der Prioritätenliste. Während Re­nault Trucks bereits seine zweite Generation an batterie­elektrischen Trucks lanciert hat, sind die anderen Hersteller meist noch in der Phase von Pilotprojekten. Mercedes beispielsweise hat einen Grossteil der zehn eActros seiner Testflotte bei auserwählten Kunden zur zwei Jahre dauernden Praxiserprobung platziert. MAN hat ebenfalls erste LKW in den Praxisbetrieb geschickt und DAF meldet in diesen Tagen, den zusammen mit VDL entwickelten CF Electric beim ersten Kunden ausgeliefert zu haben. Dieser CF Electric markiert den Start einer Reihe von Langzeitfeldversuchen bei DAF mit rein-­elektrischen und Hybrid-LKW. Der Fahrzeugvermieter Pema wiederum hat beschlossen, 25 Volvo FL Electric in sein Angebot aufzunehmen. Bei den leichten LKW und Lieferwagen stehen Serienfahrzeuge bereits länger in Betrieb, mit beispielsweise dem Nissan e-NV200, dem Mercedes-Benz eVito, dem elektrischen Iveco Daily, dem MAN eTGE oder dem Renault Master Z.E.

Zweites BatterieLeben … Anlässlich der SSM-Tagung sprach auch Dr. Torsten Brandenburg von der Deutschen Rohstoffagentur DERA. Er machte auf das Missverhältnis zwischen den für die Batterieherstellung wichtigen mineralischen Stoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel, Grafit, Mangan sowie seltenen Erden und den Besitzverhältnissen aufmerksam: «Zurzeit sind die asiatischen Anbieter – insbesondere China, aber auch Japan und Südkorea – bei all diesen Stoffen führend, das heisst, alle andern müssen diese Komponenten dort einkaufen. Dabei vermögen die tendenziell sinkenden Batterieproduktionskosten den seit 2016 dreifachen Anstieg der Rohstoffpreise nicht zu kompensieren.» Noch bis 2025 erwartet die DERA, dass die Lithium-Ionen-Batterie marktbeherrschend sein wird. Brandenburgs Empfehlung an die Batteriehersteller: «Unternehmen sollten eigene Ausweichstrategien wie etwa langfristige Lieferverträge oder Projektbeteiligungen gegen Lie­fer­engpässe und willkürliche Preise entwickeln.»

Diese Situation unterstreicht die nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch wichtige Zweitverwertung der gebrauchten Batterien von Elektrofahrzeugen. Hier vertreten praktisch alle Hersteller von E-Mobilen eine sogenannte Second-Life-Strategie und haben teilweise eigene Be­triebs­zweige dazu aufgebaut. Bei den Nutzfahrzeugen hat sich beispielsweise Volvo Bus an ein Forschungsprojekt in Göteborg angeschlossen, wo gebrauchte Elektrobusbatterien als Zwischenspeicher für Solarstrom eingesetzt werden. Nissan wiederum hat an der Entwicklung des absolut CO2-freien Energiespeichersystems für das Fussball­sta­dion Johan-Cruyff-Arena in Amsterdam mitgearbeitet und dort gebrauchte und neue Batterien seiner E-Mobile Leaf und e-NV200 zu einer leistungsfähigen Back-up-Versorgung gebündelt.

… und Rekuperation Doch die Elektrifizierung bringt auch für die Zuliefer­industrie neue Möglichkeiten. So waren auf der IAA zuletzt diverse Achsen- und Trailer-Hersteller mit interessanten Lösungen zur Energierückgewinnung vertreten, einer davon ist Wabco. Die Firma zeigt mit dem eTrailer-Prototypen einen Weg zur Maximierung der Betriebseffizienz und zur Reduktion des Verbrauchs auf. Dazu ist der Trailer mit einer Induktionsmaschine versehen, die Energie zurückgewinnt und sie in die zusätzlichen Trailer-Batterien «zwischenlagert». Dabei arbeitet der Trailer nicht losgelöst vom Zugfahrzeug, sondern die beiden kommunizieren über die herkömmlichen EBS-Steuergeräte. «Der Prototyp nutzt eine intelligente Elektromotorsteuerung, mit der beim Bremsen Energie zurückgewonnen wird», erklärt Entwicklungsleiter Christian Brenneke. «Diese Energie wiederum kann für den Antrieb des Fahrzeugs oder für den Betrieb elektrischer Hilfsgeräte genutzt werden», so Brenneke weiter. Dabei arbeiten die Rekuperationstechnologien im Hänger und die Brems- wie Beschleunigungssteuerung des Zugfahrzeugs eng zusammen, um eine optimale Effizienz zu gewährleisten. Gemäss Brenneke soll nach Schätzung der Entwickler im Verteilerverkehr eine Treibstoffreduktion von bis zu 20 Prozent drin liegen, im Lang­streckenverkehr von noch immer zehn Prozent.

Diese Zeilen bieten nur einen sehr unvollständigen Überblick über das weite Feld der Entwicklungen rund um die Elektromobilität. Aber ausser auf die Megatrends Digitalisierung und autonomes Fahren kann man gespannt sein, wie dereinst beim «Stromern» die Realität aussehen wird.

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