Im Markt Stagnieren ist keine Option. Wir wollen wachsen

MERCEDES-BENZ VANS SCHWEIZ Seit 1. November 2018 ist er der neue Managing Director Vans von Mercedes-Benz Schweiz AG und verantwortet damit das Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen. Wir fühlten Michael ­Pflüger 50 Tage nach Amtsantritt auf den Zahn.Schweizer konfigurieren Fahrzeuge wie ein Militär­sackmesser – auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Michael Pflüger Mercedes-Benz Schweiz TIR transNews
Den Kunden im Fokus: Michael Pflüger ­leitet das Geschäft mit leichten Nutz­fahrzeugen von Mercedes-Benz in der Schweiz.

TIR: Sie haben in Stuttgart vor Ihrem Wechsel in die Schweiz das globale Flottengeschäft geleitet. Was ist Ihnen nach der Stabsübergabe besonders aufgefallen?

Michael Pflüger: Ich war lange international unterwegs, habe viele Märkte kennengelernt und war oft bei Kunden wie auch bei den Kollegen. Beides, globales wie nationales Business, hat seinen Reiz. Hier bei Mercedes-Benz Schweiz ist es die gesamte Bandbreite, die mir gefällt, von Marketing, PR, After Sales, Vertrieb und Netzentwicklung, wo ich wieder viel mit Händlern zu tun habe. Toll war, wie gut ich aufgenommen wurde, sowohl von der Mannschaft, von der Händlerseite her wie auch von den Kunden, die mir sehr unvoreingenommen begegnen. In den bereits 50 Tagen meines Wirkens konnte ich schon sehr tief in viele Themen eintauchen.

Stehen die durchschnittlichen Flottengrössen, mit denen Sie in Stuttgart zu tun hatten und nun zu tun haben, überhaupt noch in Relation zueinander?

Es führt zu nichts, das zu vergleichen. Wichtig ist etwas anderes. Der Kunde– egal wie gross – ist uns wichtig. Natürlich gibt es weltweit Kunden, die in deutlich vierstellige Re­gionen gehen, aber für uns steht der Kunde im Mittelpunkt, egal wie gross seine Flotte ist. Der Reiz an der Aufgabe hier ist, wieder mehr auf den Einzelkunden einzugehen, deutlich mehr in den sogenannten Retail zu kommen. Wichtig für mich persönlich ist dabei auch, wieder eine neue Perspektive zu haben, nachdem ich fünf Jahre lang Grosskunden und davor Aufbauhersteller betreut habe.

Was wissen Sie über den Schweizer Markt?

Zum einen ist Wachstum möglich, wie wir letztes Jahr gezeigt haben. Unser Absatz ist hier im globalen Vergleich überproportional gewachsen. Wenn es um gewerbliche Anwendung von Vans geht, ist der Schweizer Markt mit ­einer der professionellsten und individuellsten, die es gibt auf der Welt. Weil die Kunden gewöhnt sind, ihr Werkzeug zu konfigurieren wie ein Schweizer Taschenmesser. In der Schweiz liegt der Modifikationsanteil höher als im inter­nationalen Durchschnitt.

Was ist für Schweizer Kunden das Wichtigste?

Funktionalität und Zuverlässigkeit, nicht nur aufs Produkt bezogen, sondern auf alles: Aufbaulösung bis Zubehör und Zuverlässigkeit in der Verfügbarkeit der Fahrzeuge.

Wie steht Mercedes-Benz Vans im Markt?

Wir konnten Marktanteile gewinnen und es gibt noch viel Potenzial. Das Schöne ist, man hat Potenzial sowohl bei den Grosskunden als auch in der Nische. Auch wenn der Schweizer Markt stabil scheint, ist Stagnieren keine Option. Wir wollen wachsen. Am Schluss geht es aber darum, den Kunden voranzubringen. Wachstum geht nur über den Erfolg des Kunden.

Verkaufs-Highlight 2019 wird voraussichtlich der neue Sprinter. Wie reagiert die Schweizer Kundschaft auf die Neuentwicklung?

Ein Einführungsjahr, wie wir es letztes Jahr hatten, stellt für den Vertrieb die grösste Herausforderung dar. Das alte Produkt läuft aus und das neue Produkt wird eingeführt. Das ist schwierig, aber es ist uns sehr gut gelungen, so dass wir im Übergangsjahr zweistellig gewachsen sind. Der neue Sprinter hat mehrere Dimensionen. Die Innovation ist nicht nur im Blech. Es wurden auch viele Sicherheitsfea­tures aus dem PW verbaut. Das hat Einfluss auf die «total cost of usage» – weniger Unfälle heisst auch weniger Geld für Unfälle auszugeben. Der Fokus liegt aber auf der Vernetzung mit MBUX und Mercedes Pro.

Welche Konfigurationen sind hierzulande beim Sprinter besonders beliebt?

Durch den hohen Individualisierungsgrad gibt es keinen eigentlichen Hit. Aber die Allradquote ist hoch.

Ihr «Chef» Volker Mornhinweg hatte den neuen Sprinter als «den ersten Van im Internet der Dinge» angekündigt. Wie wichtig ist den Schweizer Kunden die Konnektivität?

MBUX wird bei deutlich über 50 Prozent der Fahrzeuge bestellt. Die Kunden sehen den Bedarf. Warum? Weil Konnektivität ein Mittel zum Zweck ist. Im Moment sind es fast 30 Dienste im Mercedes-Pro-Portfolio. Diese Dienste erleichtern dem Kunden das Leben, helfen Geld zu sparen, mehr Geld zu machen, effizienter zu sein. Es geht um den Profi-­Einsatz. Es gibt heute wenig Grossflotten, die ohne Konnektivität auskommen. Sie wollen die Daten des Fahrzeugs im Griff haben und die Kosten optimieren. Wir haben nur positive Rückmeldungen. Natürlich ist es ein Evolu­tionsprozess. Der Händler ist erst mal in der Pflicht, die Kunden von den Vorteilen zu überzeugen. Unsere Aufgabe ist es, den Händler weiterzubringen. Wir haben künftig eine ­Datenschnittstelle, die dem Kunden zur Verfügung steht, und wir werden im Laufe dieses Jahres auch Spezialisten in der Schweiz haben, die Kunden und Händlern weiterhelfen.

Im März kommt der eVito und später der eSprinter. Wie ist das Interesse in der Schweiz?

Wir werden mit einem halben Dutzend Kunden Piloteinsätze fahren, in denen das Fahrzeug über längere Zeit in der Flotte verbleibt. Die Elektrofahrzeuge passen nicht für jeden Kunden, das muss man von Anfang an transparent spielen. Wir haben ein Tool entwickelt – die E-Van ready App –, mit der wir beim Kunden den Anwendungsfall durchspielen. Der liegt im Moment ganz klar im urbanen Lieferverkehr. Dort ist Elektromobilität sowohl für die Umwelt als auch für den Geldbeutel günstiger, man kann einen Business Case generieren. Aber Simulation ist das eine, die Realität das andere, deshalb Piloteinsätze.

Wie muss sich der Kunde darauf vorbereiten?

Es ist mehr als nur Infrastruktur. Wie heize ich das Auto? Wie schule ich die Fahrer? Der Fahrer muss dazulernen, wie man mit einem E-Fahrzeug umgeht. Einen eSprinter oder eVito zu laden, ist das eine. Wenn Sie aber einen Hub haben, an dem 150 Fahrzeuge geladen werden müssen, ist das eine andere Sache. Es geht auch weiter an unsere Händler: Welche Infrastruktur brauchen wir dort? Welche Serviceschulung? Das sind alles Herausforderungen und Fragen, die wir im Moment klären. Man darf sich aber dieser Entwicklung nicht verschliessen. Mit dem Vito und Sprinter haben wir Autos, die sehr gut positioniert sind. So gehe ich davon aus, dass wir uns auch einen gehörigen Teil des Elektrokuchens abschneiden können.

Mit der X-Klasse hat sich Mercedes-Benz in ein neues Segment gewagt, nämlich das der Pick-ups. Wie zufrieden sind Sie diesbezüglich in der Schweiz?

Sehr zufrieden, auch jetzt nochmals mit dem V6-Motor, den wir eingeführt haben. Es ist halt wahnsinnig vielseitig, das Auto. Sowohl für den Dual-Use-Kunden, der die Woche über sein Fahrzeug in gewerblichem Einsatz hat und auch privat die Vorteile einer Ladepritsche geniesst, über Familien bis hin zu Segmenten, die wir bisher nicht erschlossen haben.

Warum soll ein Gewerbetreibender oder ein Flotten­manager eine X-Klasse mit V6 nehmen?

Wie kann ich 3,5 Tonnen Anhängelast dynamisch bewe­gen? Man kann dies auch mit vier Zylindern bewerkstel­ligen, aber nicht so dynamisch. Was auch dafür spricht, ist das 7-Gang-Automatikgetriebe und das 4Matic-Allradsystem von Mercedes-Benz. Gerade in Segmenten wie Handwerk oder Bau funktioniert der Imagetransfer gut: Sprinter, Vito, Citan und jetzt X-Klasse – der Vorteil eines Komplettportfolios liegt auf der Hand: Der Flottenbetreiber hat einen einzigen Ansprechpartner im Service. Und wenn wir über Flottenkunden reden, da profitiert er natürlich zudem von Flottenkonditionen.

Demnächst wird die neue V-Klasse vorgestellt. Folgt bald auch ein neuer Vito?

Unsere Autos werden ständig weiterentwickelt, aber über Zeitpläne können und wollen wir uns nicht äussern.

An der IAA wurde – im Zusammenhang mit Vision Urbanetic – eine neue Van-Baureihe angekündigt – für den Personentransport und autonom fahrend. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Dass wir als Konzern uns natürlich sehr umfassend mit dem Thema autonomes Fahren beschäftigen, ist klar,von daher kann man schon etwas von uns erwarten in Zukunft. Es ist aber ein Entwicklungsprojekt, da ist es schwer, Terminierungen zu nennen, vor allem, weil unter anderem die gesetzlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren zuerst stimmen müssen. Aber allein dass wir an der CES das Auto zeigen, beweist ja, dass es uns ernst ist damit.

Sie haben anfangs von Marktpotenzial gesprochen und der starken Regionalisierung. Gibt es Bewegung in der Netzentwicklung?

Wir sind zufrieden mit der Netzperformance, das wissen die Händler auch. Ein Grossteil des Erfolgs wird aus dem Netz getragen, Direktvertrieb gibt es nur bei ganz grossen Geschäften. Mein persönlicher Eindruck aus 50 Tagen: ­Super professionell, genau so, wie man es braucht, gut in den Geschäften, sehr fokussiert. Der Van-Fokus ist wichtig und den haben wir. Aktuell sind die privat positionierten Baureihen V- und X-Klasse bei 96 Händlern erhältlich, für die gewerblichen Baureihen Citan, Vito und Sprinter gibt es 44 Verkaufsstützpunkte.

In Steinhausen, Zug, feierte kürzlich das neue Mercedes-­Benz Retailkonzept Schweizer Premiere (TIR 12/2018). Kommt es auch in Ihrem Segment zum Tragen?

Ja, MAR2020 (Mercedes Architecture of Retail, Anm. d. Red.) wird für Vans adaptiert und von den Händlern umgesetzt. Wesentlich sind vor allem zwei Säulen: Erstens die Hingabe für Van-Kunden (Dedication) und zweitens die volle Nutzung der digitalen Möglichkeiten, wie bespielbare Wände und ­ein sehr flexibles Konzept. Für Van-Kunden wird es noch wich­tiger, Verkauf und Service miteinander zu verzahnen.

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