Die grosse Unbekannte bei einem Unfall
SICHERHEIT Die zunehmende Elektromobilität verändert nicht nur unser Verhalten bezüglich Reisen und Tanken respektive Aufladen, sie bringt auch im gesamten Umfeld neue Herausforderungen. Eine davon betrifft den Fall, den sich niemand wünscht, nämlich wenn es zum Unfall kommt.
Es ist ruhig im engen Tal zwischen Frinvillier und Vauffelin, leichter Regen verleiht der Szenerie oberhalb von Biel eine düstere Note. Dann zerreisst ein lauter Knall jäh die Stille, als zwei Autos mit 50 km/h aufeinandertreffen. Hier befindet sich das Versuchsgelände des Dynamic Test Center DTC und ist Austragungsort des Crashtests, bei dem das moderne Elektromobil im Zentrum steht.
Stromschlag und Brand Die noch nicht gänzlich gelösten Herausforderungen von Ladeinfrastruktur und Reichweite haben sich als festen Bestandteil der Diskussion rund ums Elektromobil eingenistet. Nicht aber der Notfall. Was müssen Feuerwehr, Ambulanz, Polizei und Abschleppdienst beachten, wenn sie an das Unfallgeschehen herankommen? Die Frage ergibt sich, weil Elektromobile zum einen mit sehr hohen Spannungen (400 bis 800 Volt) und Strömen funktionieren. Zum andern sind sie mit Lithium-Ionen-Batterien bestückt, die neben vielen Vorteilen die negative Eigenschaft haben, dass sie sich (beschädigt) selber entzünden können.Hochvolt ist mit dem Hybridantrieb seit 1997 ein Thema. «Die eher geringe Marktdurchdringung hatte grossräumige Vorkehrungen überflüssig gemacht», heisst es vonseiten der Verantwortlichen beim Schweizerischen Feuerwehrverband. Die starken Entwicklungstendenzen beim Elektromobil würden heute jedoch ein Umdenken verlangen. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Auto-Strassenhilfen-Schweiz ASS (Abschleppdienste), zusammen mit Feuerwehr, Polizei, Ambulanz und Recyclingfirmen, sucht gemeinsam nach Lösungen, um der Problematik von Unfall-Elektromobilen gerecht zu werden. Trotz Notabschaltung moderner E-Mobile müssen Rettungskräfte sichergehen, dass sich kein Strom auf der Karosserie befindet, bevor sie mit der Rettung der Verunfallten beginnen können.
Suche nach schneller Info Genau dieses Wissen, dass in den Unfall ein Elektromobil verwickelt ist, sei eine wichtige Grundvoraussetzung, um passend eingreifen zu können, heisst es von Feuerwehrseite. Eines der vordringlichen Projekte der ASS-Arbeitsgruppe ist es denn auch, dass Rettungskräfte einen Zugang zur Fahrzeug- und Fahrzeughalter-Datenbank Mofis des Bundesamts für Strassen (Astra) erhalten. Über die Kontrollschildabfrage könnte innert Sekunden klar sein, ob ein E-Mobil ins Geschehen involviert ist, was eine entsprechende Vorbereitung der Rettungstruppe bereits bei der Anfahrt möglich machen und Zeitverluste durch Vorortabklärungen reduzieren würde.Um die Problematik plastisch aufzeigen zu können, haben die Baloise Versicherungen zusammen mit dem DTC und den diversen Nothilfeorganisationen den E-Mobil-Crash in Vauffelin durchgeführt. Abschliessend wurde beim Renault Fluence, der zu diesem Zweck als Crashfahrzeug herhalten musste, eine kontrollierte Entzündung der Lithium-Ionen-Batterie herbeigeführt. Mit intensivstem Löschwassereinsatz konnte schliesslich die Batterie derart gekühlt werden, dass das Feuer nicht weitergegeben wurde von Zelle zu Zelle. Die Schwierigkeit beim E-Mobil ist allerdings, dass die Batterie meist in der Fahrzeugstruktur gut gekapselt integriert ist, was eine effiziente Kühlung von aussen erschwert.
Firebox Wegen der Gefahr einer spontanen Entzündung der Batterie stellt sich zudem für die Abschleppdienste eine neue Situation. Was tun, wenn beispielsweise ein Unfallfahrzeug aus dem Tessin in die Deutschschweiz überführt werden muss? Wegen Selbstentzündung ist ein ungeschützter Transport durch einen Tunnel nicht möglich. Ein Lösungsansatz ist die sogenannte Firebox (Feuerkiste). Es ist ein speziell ausgestatteter Container, in den das verunfallte E-Mobil eingeladen und darin auf einem Lastwagen abtransportiert wird. Entzündet sich das Fahrzeug in der Box, löscht Aerosolgas den Brand und warnt den Fahrer vor der Gefahr. Allerdings gibt es in der Schweiz vorerst nur ganze zwei Fireboxen, die von der Schöpfer Strassenhilfe AG in Oberentfelden gebrauchsbereit gemacht wurden und auch bei Schöpfer auf ihren Einsatz warten. Die Firebox dürfte für PW und Lieferwagen eine probate Lösung sein, dereinst aber die Problematik eines verunfallten Elektro-LKW jedoch auch nicht lösen können.