Gotthardtunnelsperrung: Hupac mit blauem Auge davongekommen
ALPENRANSIT Der am 10. August im Gotthard-Basistunnel verunfallte Güterzug dürfte wegen eines Radscheibenbruchs entgleist sein. Der Tunnel bleibt auf unbestimmte Zeit gesperrt. Wir fragten bei Hupac Intermodal nach, welche Auswirkung dies auf den schienengeführten Transitverkehr hat.
Wie lange die Sperrung des Gotthard-Basistunnels noch dauert, kann nach Angaben der SBB noch nicht prognostiziert werden. Die Inbetriebnahme verzögere sich, teilten die SBB am Montagabend (14.8.2023) mit. Der Tunnel könne sowohl für den Güter- als auch Personenverkehr noch nicht wieder in Betrieb genommen werden, da sich noch immer 16 Güterwagen an der Unfallstelle befinden. Eine Prognose, wie lange die Behebung der Schäden dauern wird, sei noch nicht möglich. Die SBB werden im Verlaufe des heutigen Mittwochs (16.8.2023) über das weitere Vorgehen informieren.
Aktuell werden die Personenzüge über die alte Bergstrecke umgeleitet. Dadurch verzögert sich die Fahrt zwischen 60 und 120 Minuten. Die Umleitung habe sich bisher bewährt, teilen die SBB mit. Probleme gibt es aber auch im Güterverkehr. Zahlreiche Güterzüge seien im In- und Ausland abgestellt, die Abstellkapazitäten in der Schweiz seien inzwischen erschöpft. Wir wollten von Hupac, dem führenden Netzwerkbetreiber im intermodalen Verkehr in Europa mit Sitz in Chiasso wissen, welche Auswirkungen die Gotthardtunnelsperrung auf ihren Alpentransit-Gütervekehr hat. Mediensprecherin Irmtraut Tonndorf erklärt:
«Jeder Unterbruch der verkehrsintensiven Nord-Süd-Achse hat massive Auswirkungen auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Transportangebots. Bei dem gegenwärtigen Vorfall kommt erschwerend hinzu, dass das Ereignis in einem Tunnel erfolgt ist, was die Bergungs- und Reparaturarbeiten verlangsamt.
In dieser Sommerperiode Mitte August (Stichwort: Ferragosto in Italien) ist die Transportnachfrage reduziert, was den Impact der Sperrung auf die Wirtschaft nördlich und südlich der Alpen mindert. Aus diesem Grund können wir derzeit praktisch alle Züge via Lötschberg/Simplon umleiten. Dort bestehen allerdings Einschränkungen bezüglich Zuglänge, -gewicht und Profil (geringe Anzahl von SIM-Trassen verfügbar).
Umleitungen via Gotthard-Bergstrecke schliessen wir aus, da dort ein sehr niedriges Profil besteht. Zudem braucht es Schiebeloks, um die Neigungen am Berg zu überwinden, was den Betrieb erschwert. Umleitungen via Brenner sind derzeit nicht möglich, da die Strecke wegen Bauarbeiten geschlossen ist.»
Diese Aussagen decken sich auch mit der Komunikation der SBB, die auf ihrer Medienseite schreibt: «Der kombinierte Verkehr (Container, Sattelaufleger, Lastwagen) überschreitet die Eckhöhe der Panoramastrecke und kann die Gotthard-Achse deshalb nur über den Gotthard-Basis-Tunnel befahren. Deshalb wird der kombinierte Verkehr im Transitbereich über die Lötschberg-Simplon-Achse umgeleitet oder in den Ausgangterminals zurückbehalten. Es gibt nur kleine Einschränkungen bei den Gütertransporten und der Güterfluss ist sichergestellt.»
Mit Einschränkungen und Verspätungen – aber die Züge rollen
Irmtraut Tonndorf weiter: «Dennoch können wir gegenwärtig praktisch alle Züge fahren, wenn auch mit Einschränkungen und Verspätungen. Die Herausforderung liegt darin, bei der Wiedereröffnung der Strecke den Rückstau der Transporte zügig abzufahren und Lösungen für den Anstieg der Transportnachfrage nach der Sommerpause zu finden. Zu diesem Zweck verstärken wir unser Angebot via Lötschberg/Simplon und passen die Kapazität in den Terminals an.
Den finanziellen Schaden durch Mehrkosten und Umsatzausfall können wir noch nicht beziffern – unsere Priorität liegt heute auf dem Notfallmanagement. Einmal mehr zeigt diese Situation jedoch, dass es im Bahnnetz Redundanzen braucht, also Alternativstrecken mit den gleichen Parametern (Länge, Gewicht, Profil) wie die Hauptstrecke. Nur so kann der Verkehr auch im Notfall aufrechterhalten werden.»
Zur Frage der Haftung und allfälliger Schadensersatzforderungen durch die Gotthardtunnelsperrung wollte sich Hupac nicht konkret äussern, da derzeit das Krisenmanagement im Vordergrund stehe. Weil entsprechende Ansprüche aber entlang der Vertragskette geltend gemacht und weiterverschoben würden, dürfte dieser Zwischenfall die Gerichte noch über Jahre beschäftigen.