Disruption oder Evolution? Die Branche im ­Wandel

DIGITALISIERUNG Am Experten-Talk «Driving Ahead» von Reifenhersteller Goodyear nahmen wiederum rund 40 Entscheider grosser Nutzfahrzeugflotten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Am runden Tisch wurde unter anderem die Digitalisierung diskutiert, mit dabei auch Felix Bühlmann von Sprinter Logistic aus Muri.

Goodyear Driving Ahead Digitalisierung
Beim Zukunftsforum von Goodyear diskutierte Felix Bühlmann von Sprinter Logistik (2. v. li.) mit Thomas Rosenberger, Chefredaktor «Lastauto Omnibus» und «Fernfahrer», Thomas Krämer (Vestische Strassenbahnen), Andreas Normann (Mathias Normann Spedition), Felix Wiegand (Pamyra GmbH) und André Weisz (Goodyear Proactive Solutions, Ventech Systems und Goodyear Dunlop Tires Operations) über Digitalisierung.

Die Frage, ob der Logistik-Primus Deutschland beim Zukunftstrend Digitalisierung hinterherhinkt, sehen die Experten am runden Tisch differenziert. Laut André Weisz, Managing Director Goodyear Proactive Solutions und CEO von Ventech Systems, sind die deutschen Transporteure zurzeit in einer extrem schnellen Aufholjagd. Doch die Diskussion zeigt: Dies gilt nicht nur für Transport­unternehmen, sondern trifft auch auf den ÖV-Betrieb der Vestische Strassenbahnen GmbH in Westfalen zu. Laut dem Betriebsleiter Thomas Krämer ist der Kostendruck der grösste Treiber von Digitalisierung in seinem Unternehmen. Dabei gehe es vor allem um eine rechtssichere Dokumentation und um Prozesssicherheit für Werkstatt und Wagenakte. Dazu kommt die Schnittstelle zum Kunden. Dabei prognostiziert Krämer tiefgreifende Veränderungen für ÖV-Dienstleistungen: «Die Zukunft liegt nicht länger nur in starren Fahrplänen, sondern auch in Angeboten wie Door-to-door, welche die Kunden on demand buchen, oder Strecken- und Kombiangebote, insbesondere in schwachen Verkehrszeiten.»

Transparenzdefizit oder Vertrauensgeschäft? Besonders weit in Sachen Digitalisierung seien die Lebensmit­tel- und Automobillogistik, meint Felix Wiegand, CEO der Pamyra GmbH, einer Vergleichs- und Buchungsplattform für Speditionstransporte. In anderen Bereichen gebe es hingegen grossen Nachholbedarf, und der Start-up-Gründer verweist auf eine unzureichende Preis­transparenz am Markt: «Es ist einfacher, eine Preisübersicht für ein Airbnb auf den Malediven zu bekommen als für einen simplen Standardtransport durch Deutschland!» Der junge Unternehmer hat für Abhilfe gesorgt und das booking.com-Konzept in die Speditionsbranche gebracht. So sieht man ein Dutzend Angebote für eine Transportanfrage innerhalb von 30 Sekunden, mit der Möglichkeit, direkt zu buchen.

Der Schweizer Spediteur Felix Bühlmann, Inhaber und Geschäftsführer der Sprinter Logistik GmbH mit Sitz in Muri, setzt andere Prioritäten. Transporte sind in KMU mit einer Flotte von 45 Fahrzeugen auch Vertrauenssache. Eine Plattform, über die er seine temperaturgeführten Transporte zu einem fixen Preis anbietet, bringe sein Geschäft nicht wei­ter. Dabei nutzt auch Bühlmann digitale Systeme, etwa zur Überwachung der Temperatur oder zum Tracking von Lieferungen. «Viele Anwendungen arbeiten jedoch noch weitestgehend eigenständig», bemängelt er und verweist auf Systeme für Telematik, Dokumentenmanagement oder die Verarbeitung von Tachografendaten. «Hier brauchen wir eine sinnvolle Integration, ähnlich einer Verknüpfung verschiedener Apps auf nur einem Smartphone.»

Start-ups als Querdenker Um den Weg hin zu einer di­gitalisierten Logistik zu meistern, sind Start-ups extrem wichtig, sind sich die Experten am runden Tisch einig. «Sie sind oft Querdenker mit Lösungen, die bestimmte Funktionalitäten sicherstellen», sagt der ÖV-Experte Krämer. Normann zum Beispiel arbeitet in Sachen Logistik 4.0 mit einem Start-up zusammen. «Das Thema ist absolute Chefsache und steht ganz oben auf der Agenda», bekräftigt Andreas Normann, Geschäftsführer der Mathias Normann Spedition. Bühlmann wiederum macht beim Angebot vieler Start-ups Nachholbedarf aus, so gingen die Produkte oft an den Bedürfnissen der Speditionen vorbei. Dabei fordert der Schwei­zer Unternehmer eine beiderseitige Annäherung, damit die Logistik-Start-ups ein besseres Veständnis für die tägliche Praxis der Branche erhielten.

Laut Wiegand hat sich im Denken der Speditionen bereits viel getan. «Noch vor zwei Jahren hatten wir Probleme, Transportunternehmen überhaupt vom Sinn einer Preis­transpa­renz zu überzeugen – diese Diskussion müssen wir so heute nicht mehr führen.» Dabei sagt er der Digitalisierungsindustrie einen Innovationsschub voraus: «In den nächsten fünf Jahren wird auf jeden Fall mehr passieren als in den letzten fünf Jahren. Und wir können die Lösungen gemeinsam gestalten.»

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