Emissionsfreie Citylogistik nun auch in Basel-Stadt

EMMISSIONSFREI IN DIE INNENSTADT Die Camion Transport AG setzt das Citylogistikkonzept «Emissionsfrei in die Innenstadt» seit Juni 2019 in der Ostschweizer Kantonshauptstadt St. Gallen ein. Seit September sammelt das Transportunternehmen damit auch im Basler Dreiländereck Erfahrungen – mit der Kurierzentrale GmbH als Partner für die letzte Meile.

Basel Jérôme Thiriet Josef Jäger Camion Transport AG Luca Olivieri  Fredy Würzer TIR transNews Citylogistik
Sie informierten über die Projekterweiterung in Basel (sitzend): Jérôme Thiriet, CEO Kurierzentrale GmbH, dahinter (v.l.) Josef Jäger, ­Direktor Camion Transport AG; Luca Olivieri, Projektleiter Güterverkehr, Amt für Mobilität Basel-Stadt; Fredy Würzer, Leiter Projekte/Verkauf Camion Transport AG.

«Die Citylogistik braucht zwingend umweltfreundliche Lösungen», ist Josef Jäger, Direktor der Camion Transport AG, überzeugt. Mit dem Konzept «Emissionsfrei in die Innenstadt» erprobt sein Unternehmen darum nachhaltige Verkehrsträger innerhalb der Logistikkette – bisher in der Stadt St. Gallen, seit August 2019 zusätzlich auch in Basel. Der Fokus liegt dabei klar auf Elektromobilität – aber auch der Antrieb durch Menschenkraft gehört zum Konzept. Selbstbewusst heisst es denn auch auf einer Eigenwerbung: «Citylogistik. Schneller als die Politik.» Jäger erklärt diesen Spruch damit, dass dieses Pilotprojekt gänzlich ohne Fördergelder oder Subventionen auskomme.

Konkret sieht die Logistikkette so aus: Die Waren kommen über Nacht auf der Schiene in den Camion Transport Cityhub. Im Fall von St. Gallen ist das die Niederlassung in Schwarzenbach, gut 30 Kilometer entfernt. In Basel ist es der Standort auf dem Areal Wolf. Beim Pilot in St. Gallen fährt der erste schwere Mercedes-Elektro-LKW eActros die Strecke vom Cityhub zum Mikrohub beim Velokurier. Camion Transport setzt das Fahrzeug im Rahmen eines internationalen Feldversuchs von Mercedes-Benz als Testkunde während eines Jahres ein. Ganz anders in Basel. Weil hier Camion Transport quasi bis in die Stadt auf der Schiene liefern kann, braucht es keinen separaten Mikrohub wie in St. Gallen. Der Velokurier belädt die Fahrzeuge stattdessen direkt an der Rampe und liefert die «grüne Sendung» an Empfänger im Stadtgebiet.

Emissionsfrei in die Innenstadt Camion Transport AG TIR transNews Citylogistik
Auf dem Basler Areal Wolf werden die per Bahn angelieferten ­Güter umver­teilt und auch gelagert. Die Zukunft des Areals ist ­allerdings noch offen.

Kurierzentrale für die letzte Meile Mit der Kurierzentrale hat Camion Transport einen der ältesten Velokurierdienste der Schweiz an der Seite. 1989 gegründet, wickeln heute 106 Mitarbeiter 600 Aufträge täglich ab. Das sind 144 000 Aufträge pro Jahr. Zwischen Erstgespräch über eine mögliche Zusammenarbeit und Start vergingen nur wenige Wochen. Ausschlaggebend für das Interesse der Kurierzentrale war das Konzept der emissionsfreien Belieferung der Innenstadt. «Wir merkten schnell: Camion Transport ist ökologisch stark sensibilisiert, unkompliziert und arbeitet mit straffen Prozessen, wie wir. Das passt perfekt», erklärt Jérôme Thiriet, CEO Kurierzentrale. Die Anbindung für den Datenaustausch war denn auch innert Kürze realisiert. Cargo eBike (Modell Armadillo) und Cargo eScooter (Modell vRBike), die beiden elektrisch betriebenen Kleintransporter aus dem St. Galler Pilot, stehen jetzt auch in Basel im Einsatz. Gemäss einer Studie seien, so Thiriet, 68 Prozent aller Lieferungen in der Stadt mit dem Lastenvelo machbar: «Cargobikes sind flexibler, stauresistent und die TCO schlägt jene eines Lieferwagens.» Dazu komme das wachsende Volumen durch E-Commerce. Allerdings gebe es noch keine Standards, was deren Zulassung langwierig und teuer mache: In der Schweiz etwa darf ein Lastenvelo maximal einen Meter breit sein, in der EU aber 1,20 m.

Der Start der Pilotphase St. Gallen liegt mittlerweile sieben Monate zurück. Bis Oktober wurden 767 Sendungen mit einem Gesamtgewicht von 21 Tonnen emissionsfrei ausgeliefert. Die Systemgrenze liegt im maximalen Gewicht von 30 kg pro Paket – dem Maximalgewicht, das laut Suva-Bestimmung von einem Kurier getragen werden darf. Beim Elektro-LKW sei anfängliche Skepsis des Fahrpersonals schnell verflogen. Der eActros lasse sich sehr dosiert beschleunigen, die Sorge über ungewollte Rucke beim Anfahren sei unbegründet, so die Erkenntnis. Und er sei sehr schön zu fahren, so das Echo der Chauffeure. «Unsere Kunden und auch Passanten reagieren positiv auf den Elektro-LKW. Die Eigenschaften lokal emissionsfrei und leise erzeugen Sympathie», freut sich Josef Jäger, Direktor Camion Transport. Der eActros funktioniert technisch gut, einzig beim Ladevorgang treten hin und wieder Unregelmässigkeiten auf. Die Reichweite ist mit ungefähr 200 Kilometern für eine normale Tagestour ausreichend. Einschränkungen gibt es bei der Nutzlast im Vergleich zum herkömmlichen LKW. Der batterieelektrisch angetriebene Verteiler von Mercedes soll 2022 oder 2023 in Serie gehen.

Erfahrungen sammeln, Erkenntnisse gewinnen Ein wichtiger Aspekt von «Emissionsfrei in die Innenstadt» ist das Austesten des Prozesses einer komplett emissionsfreien Lieferkette. Dazu zählen wichtige Erkenntnisse aus der neuen Zusammenarbeitsform mit dem Velokurier. Die Abläufe mit dem jeweiligen Partner haben sich schnell eingespielt, in St. Gallen wie jetzt in Basel, wo bereits erste Erkenntnisse aus St. Gallen eingeflossen seien. Zur Wahl von Basel als zweitem Pilotstandort meint Jäger: «Hier sticht hervor, dass die Bemühungen vom Logistikcluster koordiniert werden. Darin ist Basel anderen Städten voraus.» Hintergrund ist das 2016 eingeführte «Güterverkehrskonzept Basel-Stadt». In verschiedenen Projekten werden einzelne Massnahmen gemeinsam mit der Güterverkehrsbranche, die geschätzt 25 Prozent des motorisierten Verkehrs in der Stadt ausmacht, umgesetzt. Dazu gehören die Vermittlung von Güterumschlagsflächen wie auch die Förderung stadtverträglicher Lieferfahrzeuge.

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Der City Cruiser ist ein weiteres Cargo eBike der Kurierzentrale.

Cargo eBike und Cargo eScooter bewähren sich unterschiedlich. Das Cargo eBike ist ein interessantes Fahrzeug für den Stadtverkehr. Der Motor sei aber nicht optimal für die hügelige Topografie von St. Gallen. Steigungen bringen das Fahrzeug schnell an seine Grenzen. Im flacheren Basel sollte sich das Fahrzeug besser eignen. «Es ist vor allem auch eine Philosophiefrage. Die Velokuriere haben ihr eigenes fahrzeugspezifisches Gedankengut. Sie wollen Muskelkraft einsetzen. Da passt der eScooter nicht richtig hinein», ist sich Josef Jäger bewusst. In erster Linie müsse aber der Leistungsauftrag erfüllt sein. Also muss die Wahl des Transportmittels vor allem operativ funktionieren.

Die Agenda von Camion Transport: Ab 2025 sollen die Innenstädte und ab 2030 auch die urbanen Regionen emissionsfrei beliefert werden.

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