Holländische Watteninsel mit poetischen Spuren im Sand

STRANDAUSFLUG IM RAKETENTRÄGER Im niederländischen Watt gibt es fünf bewohnte Inseln. Auf einer dieser Inseln, auf Vlieland, verkehren Lastwagen von «Vliehors Expres». Diese auch optisch aussergewöhnlichen, gelb lackierten Fahrzeuge hinterlassen deutliche und poetische Spuren im Sand.

Watteninsel Spuren im Sand TIR transNews
Umgebaute Raketenträger dienen in Vlieland für Touristenfahrten über das sandige Gebiet der Watteninsel Vliehors.

Die Gemeinde Vlieland liegt vor der Küste der Niederlande und hat etwas über 1100 Einwohner, davon leben 1070 Personen im einzigen Dorf, in Ost-Vlieland. Vlieland war nicht immer eine Insel, sondern bis zur Hochwasserkatastrophe von 1287 ein Teil des friesischen Festlands. Durch diese und andere Landverschiebungen entstand im Laufe der Jahrhunderte das Wattenmeer. So gehörte beispielsweise Eierland, heute ein Teil der Insel Texel, früher zu Vlieland. Es gab auch ein zweites Dorf auf der Insel, wobei West-Vlieland 1776 seinem Schicksal überlassen wurde, da es immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht wurde.

Ein Grossteil der Bevölkerung von Vlieland lebt vom Tourismus. Es gibt 15 Hotels, zahlreiche Ferienhäuser und Appartements sowie zwei Campingplätze. Die Strände sind 20 Kilometer lang und es gibt 26 Kilometer Radwege. Mit etwas Glück kann man auch Seehunde beobachten. Doch Vlieland ist für Touristenautos tabu. Es gibt keine Ausnahmen, weshalb die Transportaufgaben für Personen und Gepäck zum Fähranleger von den auf Vlieland ansässigen Unternehmern übernommen werden. Die exotischste Transportmöglichkeit sind zweifelsohne die gelben Trucks des Vliehors Expres. Das Spezielle an ihnen ist ihre Herkunft, denn es handelt sich um ehemaliges Kriegsgefährt, konkret sind es umgebaute Raketenträgerlastwagen.

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Die Lastwagenmotoren leisten 360 PS, welche eine zügige Fahrt durch die Dünen ermöglichen.

Um auf die Insel zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die Schiffe der Reederei Doeksen verkehren zum einen mehrmals täglich zwischen Harlingen auf dem Festland und der Insel. Zum anderen gibt es eine Verbindung zwischen Vlieland und der östlich von Vlieland gelegenen grösseren Watteninsel Terschelling. Billig ist die Überfahrt jedoch nicht, denn für ein Retourticket mit Velo bezahlt man über 40 Euro. In den Sommermonaten gibt es zudem eine Verbindung mit einem kleinen Fährboot zwischen Vlieland und der westlich gelegenen Insel Texel. Die schon von Weitem sichtbare Landmarke ist der im Jahr 1909 auf 42 Meter über Meer errichtete Leuchtturm. Der Turm selbst ist 17 Meter hoch und wurde im Jahr 1929 mit einer Aussichtsplattform auf Pfählen ergänzt.

Durch die «Nord-Sahara» Die erwähnten gelben Lastwagen werden übrigens selten für den normalen Touristentransport eingesetzt. Vielmehr sind sie im Gebiet Vliehors, welches das südliche Ende der Insel darstellt, für Touristenausflüge zuständig. Vliehors wird auch als Sahara des Nordens bezeichnet, denn auf diesem Teil von Vlieland gibt es Sand, so weit das Auge reicht. Das Gebiet wird auch als Übungsgelände von der niederländischen Marine und der Luftwaffe genutzt. Doch wenn keine Übungen stattfinden, gehört es praktisch ganz dem Vliehors Expres. Die aben­teuerlustigen Touristen sitzen hinten auf der Ladefläche, wo sich früher die Raketenhalterungen befanden.

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Die Fahrer, wie Tjerd de Ruiter, erklären während der Tour das Watt und kennen den einen oder anderen Schwank aus der Gegend. De Ruiter hat übrigens stets seinen Hund mit in der Kabine.

Nicht selten preschen die Offroad-Trucks mit hoher Geschwindigkeit über den Sand. Die Fahrer erzählen den Gästen viel über das Watt und stoppen auch beim «Drenkelingen­huisje», welches das «Jutters-Museum», das Strandräuber-­Museum, beherbergt. Im und beim Museum sind zahlreiche angeschwemmte Gegenstände zu sehen. Vom Gebiss über die Flaschenpost bis hin zu Teilen von Schiffsladungen reichen die Exponate. Im Januar 2019 wurden bei Vlieland auch Güter vom Containerriesen MSC Zoe angeschwemmt, was etwas Abwechslung in den monotonen winterlichen Alltag brachte. Das «Drenkelingenhuisje» war in früheren Tagen oft die letzte Rettung für Schiffbrüchige. Ironie der Geschichte: Noch im 19. Jahrhundert wurde an nebligen Herbsttagen auf den friesischen Inseln oft Feuer entfacht, um Schiffe in die Irre zu leiten und sie, nach der von den Insulanern erhofften Havarie, auszuschlachten. Vor allem die hölzernen Planken der Schiffe waren begehrt und fanden beim Hausbau Verwendung.

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Die Einritzungen im hintersten Reifen werden jedes Jahr neu gemacht und jedes Jahr ist es ein anderes Gedicht, das damit in den Sand geschrieben wird.

Poetische Spuren Selbstverständlich dürfen bunte Anekdoten der Fahrer der gelben Lastwagen nicht fehlen und ein Akkordeonspieler sorgt für zusätzliche Stimmung. Die beiden MAN KATI A1 8×8 und 6×6 sind 2,90 Meter breit und waren früher bei der deutschen Bundeswehr im Einsatz. Die Trucks wurden speziell für Fahrten im Watt umgebaut, denn statt Raketenwerfern gibt es nun jeweils vier Längsbänke. Die Deutz-V8-Kraftpakete leisten 264 kW (360 PS). In der aussergewöhnlichen Landschaft hinterlässt die etwa anderthalbstündige Rundfahrt auch besondere Spuren im Sand. Beim Vliehors Expres wird mit einem speziellen Rillenapparat jedes Jahr an einem hinteren Reifen jedes Lastwagens ein neues Gedicht in die Reifenabrollfläche eingeritzt. Das Gedicht wird bei jeder Fahrt x-fach in den Sand geschrieben. Poesie, millio­nenfach vervielfältigt.

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Das «Drenkelingenhuisje» war für Schiffbrüchige oft die letzte Rettung. Heute beherbergt es das Strandräuber-Museum.

 

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