CO2-Reduk­tion und Innova­tions­freude im Zentrum der Solutrans

LEITMESSE Im Wechsel zur IAA Hannover pendelt die Transportbranche in ungeraden Jahren nach Lyon. Die diesjährige Solutrans stand wie die transport-CH ganz im Licht alternativer ­Antriebe, wobei sich die Aussteller von einer aus­ser­ordent­lich innovativen Seite zeigten.

Solutrans Lyon Renault Trucks UrbanLab2 TIR transNews
Mit dem Forschungsverteiler-LKW UrbanLab2 erforscht Renault das Potenzial der Verbrauchsreduktion durch Vernetzung und andere Einzelelemente. Renault wurde dafür an der Solutrans in Lyon mit der Auszeichnung «Antriebsstrang mit niedrigen Emissionen» geehrt.

Erdgas als Antriebsquelle für Fahrzeuge hat bislang in Frankreich ein Schattendasein gefristet. Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen durch CO2, Partikel und Klimaveränderung und durch die europäische Gesetzgebung hat der französische Herstellerverband (Filière Automobile & Mobilités PFA) ein Positionspapier erarbeitet, das die Stärkung von Erdgas im Transport- und Mobilitätswesen auf die kommenden fünf Jahre anpeilt. Dieses «Livre Blanc» hat der PFA zusammen mit dem französischen Carrossiers-Verband (Fédération Française de Carrosserie, Indu­stries et Services FFC) und der Vereinigung Erdgas für Fahrzeuge GNV erstellt und hat es anlässlich der Eröffnung der Solutrans an die französische Verkehrsministerin Elisabeth Borne überreicht. Das Positionspapier soll der Politik, aber auch den Kunden als Orientierungshilfe in Sachen Erdgas dienen.

Die neue Fokussierung auf Erdgas ist Teil der sich anbahnenden Diversifizierung der Antriebssysteme. Dabei ist man sich in der Transport- und Automobilindustrie weitgehend einig, dass langfristig der elektrische Antrieb dominieren wird. Auf dem noch langen Weg dorthin werden aber etliche andere alternative Antriebs- und Treibstoffvarianten in ­Erscheinung treten, um mitzuhelfen, die Klimaerwärmung zu stoppen und zugleich auch sicherzustellen, dass der Erdölvorrat nicht komplett aufgebraucht wird.

LKW-Antriebe – Stand der Dinge
Alle sieben europäischen LKW-Hersteller nutzten die fünf Tage in Lyon, um ihre aktuellsten Produkte zu zeigen. Iveco beispielsweise setzt für schwere Nutzfahrzeuge mit grossem Nachdruck auf Erdgas und zeigte unter anderem den Stralis NP 460 (Fahrimpressionen in einer nächsten Ausgabe von TIR transNews). Volvo zeigte den brandneuen FH LNG mit 420 und 460 PS. Anders als alle andern LKW-Erdgas-Versionen arbeitet Volvo nicht nach dem Otto-Prinzip, sondern nutzt mit Blick auf den Kraft- und Drehmomentverlauf die Dieselfunktionsweise. Scania wiederum hat nur wenige Tage nach der Enthüllung des G410 GNL (flüssig) in Italien nun in Lyon die Druckgasversion G410 GNC gezeigt.

Wenig mit Erdgas am Hut haben jedoch MAN und DAF. Letztere arbeiten für Europa vornehmlich an der weiteren Optimierung des Dieselantriebsstranges und am gangbaren und bezahlbaren Hybrid-LKW. Die aktuelle Modellreihe XF und CF, bei denen die Niederländer eine Verbrauchsreduktion um sieben Prozent erzielt haben, wurde in Lyon mit dem Titel «Truck of the Year 2018» ausgezeichnet, in dessen Jury auch TIR transNews Einsitz hat (Seite 26). Wie DAF betrachtet MAN Erdgas nur als einen Zwischenschritt und konzentriert sich mehrheitlich auf die Elektrifizierung. Auf der Solutrans stand denn auch nicht der Alternativantrieb im Mittelpunkt, sondern das modifizierte TG-Fahrerhaus, das in zwei Jahren schliesslich durch eine komplett neue Kabine abgelöst werden wird.

Emissionsreduzierte Kühltransporte
Eine besondere He­rausforderung für emissionsfreie Logistik sind Kühltransporte. Der Kälte-Spezialist ECP zeigte ein batteriebetriebenes System für verschiedene Transportergrössen, darunter natürlich auch Elektrofahrzeuge. Dabei wird die Lithium-Ionen-Batterie des Kühlaufbaus mit acht Stunden Kühlleistung parallel zum Fahrzeug an einer Haushaltssteckdose geladen. Beim Kleinwagen Renault Zoe beispielsweise wiegen Kühlsystem und Batterie 75 kg, was eine Nutzlast von rund 300 kg übrig lässt. www.ecp-sa.fr

Einen Schritt weiter ging Lamberet und wurde dafür beim Innovations-Award in der Kategorie «Carrossier» mit Gold ausgezeichnet. Beim FrigovanH2 wurde zusätzlich zum Plug-in-Kühlsystem in den Renault Kangoo Z.E. mit langem Radstand noch eine 5 kW starke Wasserstoff-Brennstoffzelle eingebaut, um die Reichweite des Elektro-Kühltransporters zu erhöhen. www.lamberet.com

Carrier wiederum hat das Thema Erdgas aufgenommen und eine Supra-Kühleinheit entwickelt, die auf einem mit Erdgas angetriebenen Lastwagen montiert werden kann. Die Kühlung wird ans Gasnetz des LKW angeschlossen, sodass nur ein einziger Tankstutzen am Fahrzeug bedient werden muss. Für diese Weiterentwicklung dieser für den Verteilerverkehr konzipierten Supra-Einheit wurde Carrier an der Solutrans mit dem Innovations-Award (Bronze) aus­gezeichnet. www.carrier.com

Einen anderen Weg gehen ThermoKing/Frigoblock, die als Premiere das Serienprodukt der 2016 vorgestellten Hybrid-Kühlanlage vorgestellt haben. In der Kühleinheit für Sattelauflieger vereinen Frigoblock und ThermoKing ihr jeweiliges Know-how, indem sie im SLXi Hybrid die elek­trische Inverterversorgung von Frigoblock zur regulären SLXi-Einheit koppeln, sodass der Kühlbetrieb speziell in Innenstädten rein elektrisch fortgeführt werden kann. http://europe.thermoking.com/slxi

Letzte Meile emissionsfrei
Die Logistikindustrie in Frankreich bereitet sich auf weitere Zufahrtsbeschränkungen, aber auch Verkehrsüberlastung vor und experimentiert mit neuen Konzepten zur Belieferung der letzten Meile. Die Rytle GmbH aus Bremen zeigte mit «Rytle» eine ganze Systemkette. Das Herz bildet der «Movr», ein Dreirad mit moderner E-Bike-Technologie, Ladevorrichtung mit Euro-­Paletten-Grundmass und Boxenaufnahme. Der Con­tainer im Spint-Format heisst schlicht «Box» und ist ein kleiner Rollcontainer für Päckchen, Pakete und anderes Stückgut. Dessen Vorkonfektionierung ist beim Logistikdienstleister möglich. Bis zu neun solcher Boxen finden in einem «Hub» Platz, einem Metallcontainer, der per LKW verfrachtet und auf maximal zwei PW-Parkplätzen deponiert werden kann. Der Velokurier nimmt nun mit dem abgas- und lärmfreien Movr eine Box nach der anderen für seine Touren mit. Dazu gibt es natürlich noch eine App, die den kompletten Transportprozess digital und in Echtzeit transparent darstellt. www.rytle.com

Ein ähnliches Konzept, aber in grösseren Dimensionen verfolgt die BIL (base intelligente de logistique) der Libner Gruppe. Der spezielle LKW-Kofferaufbau ist auch für temperaturgeführte Transporte denkbar. Im grossen Überhang befindet sich eine vertikal fahrende, 3×2 m grosse Hebebühne mit Platz für einen kleinen Elektro-Transporter. Dieser kann mit Pritsche, Wechselkoffer (120×120 cm, bis 600 kg), Hebebühne/Rampe oder auch mit Gabelstapler ausgestattet werden. Auch hier wird der LKW auf einem Platz ausserhalb der Innenstadt abgestellt und der Fahrer liefert dann die Waren emissionsfrei aus. http://bil.libner.com

Beide vorgängig beschriebenen Konzepte bedingen aber, dass die Stadt entsprechende Flächen zur Verfügung stellt. Die Anbieter sind diesbezüglich zuversichtlich, da die Städte offen seien für Lösungen, die den lauten Lieferverkehr insbesondere in Randzeiten reduzieren und stauentlastend wirken.

Mit Blick auf die Tatsache, dass die Betriebsbremsen eines Lastwagens rund 300 Mal mehr Partikel verursachen als Euro-6-Dieselantriebsstränge, erlangen abriebfreie Retarder eine zusätzliche Bedeutung. Telma arbeitet im Gegensatz zu anderen Systemen nicht hydraulisch, sondern induktiv. Der neuste Wurf ist eine Steuereinheit, die bei Werks­ein­bau komplett in die Elektronikarchitektur des LKW oder Busses integriert wird. Damit lässt sich die Funktion noch besser aufs jeweilige Fahrzeug abstimmen. Zugleich konnte durch Stromimpulse statt Dauerstrom der Energiebedarf des Retarders halbiert werden. In Lyon wurde die nördlich von Paris domizilierte Firma mit dem Innovationspreis für nachhaltige Entwicklung geehrt. www.telma.com

www.solutrans.fr

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