Daimler Truck mit Generationenwechsel und Effizienzsteigerung

IAA TRANSPORTATION 2024 Bei Daimler Truck ging mit der IAA Transportation eine Personal-Ära zu Ende: CEO Martin Daum übergab das Zepter an Karin Rådström. Um technologisch besser am Ball bleiben zu können, arbeitet man bei Daimler Truck am Software-definierten Lastwagen. Aber nicht nur das.

Der eActros 600 stand bei Daimler Truck ganz im Zentrum des Auf- tritts auf der IAA Transportation. Das neue Fahrerhaus ist auch für den Actros L mit Dieselantrieb erhältlich.
Der eActros 600 stand bei Daimler Truck ganz im Zentrum des Auftritts auf der IAA Transportation. Das neue Fahrerhaus ist auch für den Actros L mit Dieselantrieb erhältlich.

Nicht, weil der eActros 600 Truck of the Year 2025 geworden ist, sondern weil Daimler Truck mit ihm tatsächlich ein bemerkenswertes Produkt auf die Strasse bringt, stand der Elektro-LKW im Zentrum des Interesses in Hannover. Nach ausgiebiger Erprobung startet im November nun die Serienproduktion, sodass die ersten Kundenfahrzeuge Anfang 2025 in Betrieb gehen können. Wir haben über das Fahrzeug in den letzten Ausgaben ausführlich berichtet, sei dies im Rahmen des weltweit ersten E-Truck-Vergleichs oder von unserer Teilnahme an der Europa-Tournee zweier Prototypen.

Karin Rådström hat Anfang Oktober das CEO-Zepter von Martin Daum übernommen. Auf der IAA Transportation fand die inoffizielle Stabübergabe statt.
Karin Rådström hat Anfang Oktober das CEO-Zepter von Martin Daum übernommen. Auf der IAA Transportation fand die inoffizielle Stabübergabe statt.

Auftrag erfüllt

Anlässlich der IAA wurde die Auswertung der mehr als 15 000 km langen Europa-Tour veröffentlicht. Beide Lastwagen waren auf ihrem Weg zum Nordkap und zur südlichsten Spitze des europäischen Festlandes auf 40 Tonnen ausgelastet, und die Hoffnung war, dass sich die veranschlagte Reichweite von 500 Kilometern bewahrheiten würde. Während der fast sieben Wochen dauernden Tour wurde rasch klar, dass 500 Kilometer ohne Zwischenladung problemlos zu erreichen sind, bei idealen Bedingungen wäre auf einzelnen Etappen rechnerisch sogar die 600-km-Grenze zu knacken gewesen.

Auf die ganze Strecke umgerechnet erzielte der eActros 600 einen Durchschnittsverbrauch von 103 kWh/100 km, was auf den Energiegehalt von Diesel umgerechnet einem Verbrauch von rund 10 l/100 km entsprechen würde; aktuelle Dieselverbräuche von 40-Tonnen-Sattelzügen liegen bei 25 l/100 km. Die Spanne der Etappenverbräuche bewegte sich dabei zwischen 140 kWh / 100 km auf den 240 Kilometern der nördlichsten Etappe ans Nordkap (diese Etappe wurde bei kalten 7 °C und teilweise auf Schotterbelag zurückgeleg) und dem niedrigsten Wert von 85 kWh/100 km auf dem gut ausgebauten, 360 Kilometer langen Dauergefälle von Madrid bis Bilbao.

Diese neue und kompakt bauende E-Achse hat Mercedes-Benz Trucks speziell für den Einsatz im eActros 600 entwickelt.
Diese neue und kompakt bauende E-Achse hat Mercedes-Benz Trucks speziell für den Einsatz im eActros 600 entwickelt.

Blockade Infrastruktur

Bei praktisch jeder IAA-Pressekonferenz eines OEM war die Aussage bezüglich des Verkehrs- und Energiewandels gleich: «Wir sind mit unseren Fahrzeugen bereit, blockiert wird der zügige Wandel durch die Infrastruktur, respektive durch die Abwesenheit von Infrastruktur.» Karin Rådström, seit Anfang Oktober CEO von Daimler Truck, zeigt die Dringlichkeit damit auf, dass bis 2030, also in gut fünf Jahren, europaweit 35 000 Schnellladestationen für Nutzfahrzeuge errichtet sein müssten. Das heisst, pro Monat müssten ab sofort 400 Stationen neu erstellt werden, um diese Zahl zu erreichen. Und ihr Vorgänger Martin Daum doppelt nach, indem er den Wandel als Multiplikation bezeichnet: «Wenn ein Faktor in der Multiplikation Null ist, ist das ganze Null.» Es ist gemäss Rådström also unerlässlich, dass Politik, Energiebranche und Industrie gemeinsam den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur voranbringen müssen.

Während Martin Daum die Subventionierung der Lastwagen als den falschen Weg betrachtet, sieht er finanzielle Anreize bei der Infrastruktur-Erstellung als unabdingbar. Der finanzielle Anreiz beim LKW müsse über die Besteuerung von CO2 erfolgen. Das sei auch langfristig der richtige Weg, ist Daum überzeugt.

Daimler Truck zeigte TruckCharge und Abfall-Fuso

Mit dem eActros 600 trifft Daimler Truck den Nerv der Zeit, denn inzwischen sind bereits über 2000 Fahrzeug-Bestellungen sowie im vierstelligen Bereich Kauf-Absichtserklärungen eingegangen. Um die E-Mobilität für die Kunden auch über den Fahrzeugkauf hinaus möglichst profitabel zu machen, hat Daimler Truck in Europa die Marke TruckCharge gegründet. Darin werden alle Angebote rund um E-Infrastruktur und das Laden von Elektro-Trucks zusammengefasst, also die Beratung und die Infrastruktur, aber auch der Betrieb des elektrifizierten Betriebsgeländes von Spediteuren und Industriebetrieben. Teil des TruckCharge-Angebots sind Fleetboard Charge Management und die Charging Card. Charge Management zeigt alle Interaktionen zwischen E-LKW und firmeneigenen Ladestationen auf, Charging Card bargeldloses Laden unterwegs.

Der aktuelle eCanter von Fuso wurde erstmals mit Abfallsammelaufbau gezeigt; ein Kundenfahrzeug für Griechenland.
Der aktuelle eCanter von Fuso wurde erstmals mit Abfallsammelaufbau gezeigt; ein Kundenfahrzeug für Griechenland.

Als weitere Premiere hat die asiatische Daimler-Truck-Tochter Fuso den eCanter erstmals als vollelektrischen Abfallsammler vorgestellt. Das 8,55-t-Fahrzeug ist mit einem speziellen Aufbau von Kaoussis bestückt und wurde von einem Kunden in Griechenland bestellt. Mit lediglich 3,40 m Radstand und kurzem Überhang eignet sich dieser eCanter bestens für das Befahren enger Altstadtstrassen.

Technologie sichtbar gemacht: der Brennstoffzellen-LKW GenH2 Truck mit Tanks für Flüssigwasserstoff.
Technologie sichtbar gemacht: der Brennstoffzellen-LKW GenH2 Truck mit Tanks für Flüssigwasserstoff.

Zukunftsträchtig

Bislang nicht auf der IAA zu sehen war der Lastwagen der Zukunft, das sogenannt Software-definierte Fahrzeug. An diesem arbeitet Daimler Truck gemeinsam mit der Volvo Group, wobei dazu erst die Absichtserklärung besteht. Der Hintergrund: Um in der Zukunft das volle Potenzial von Software zu nutzen und einen möglichen Quantensprung zu erzielen, wird es notwendig sein, die Anzahl an dezentralen Steuergeräten mit ihren unterschiedlichen Betriebssystemen zu reduzieren und die Mechatronik-Architektur von Grund auf neu zu definieren.

Entwicklungsvorstand Andreas Gorbach umschreibt das Projekt, das in einem Zeithorizont von zehn Jahren realisiert werden soll, so: «Die Zukunft des LKW basiert auf Software.» Deshalb werde die Fahrzeugarchitektur neu gedacht und gemeinsam mit der Volvo Group soll ein Industriestandard in Form einer schlanken und hochleistungsfähigen Architektur mit dazugehörigem Betriebssystem entstehen. «Damit legen wir den Grundstein für Software-definierte Nutzfahrzeuge, die unseren Kunden ein nie dagewesenes Mass an Sicherheit, Komfort und Effizienz bieten können.»

Visited 126 times, 1 visit(s) today

Weitere Beiträge zum Thema