Die Führerausbildung im Wandel der Zeit

WEITERBILDUNG Am 16. März wird von den Fahrlehrern jeweils der Driving Instructor Day gefeiert. Damit wird an die erste weltweit dokumentierte Fahrprüfung erinnert, welche an diesem Datum vor knapp 90 Jahren stattgefunden hatte. Seither hat sich viel verändert.

Der Besuch bei der Fahrschule Berger in Chur zeigt uns auf, wie stark sich die Ausbildung zum Führerausweis über die vergangenen 30 Jahre verändert hat. Den Einblick erhielten wir dank des diesjährigen Driving Instructor Day.
Der Besuch bei der Fahrschule Berger in Chur zeigt uns auf, wie stark sich die Ausbildung zum Führerausweis über die vergangenen 30 Jahre verändert hat. Den Einblick erhielten wir dank des diesjährigen Driving Instructor Day.

Am 16. März 1935, also vor über 89 Jahren, legte J. Beene in England seine Führerprüfung ab. Mit dem Driving Instructor Day, dem Fahrlehrertag, wird jährlich an diese global erste dokumentierte Führerprüfung erinnert. Den weltweiten Aktionstag nutzt auch L-drive Schweiz, die Dachorganisation der Schweizer Fahrlehrer, um auf die Anliegen der Fahrlehrer aufmerksam zu machen. Letztes Jahr ermöglichte sie Journalisten, sich auf den neuesten Stand bezüglich Führerausbildung zu bringen. Und herauszufinden, ob man mit 30 Jahren Fahrpraxis die heutige Lastwagenprüfung überhaupt noch bestehen würde.

Nostalgie und Realität der Führerausbildung

Dazu treffen wir uns bei der Fahrschule Berger in Chur mit Inhaber Waldi Albin. Waldi hat vom früheren Besitzer die Fahrschule Anfang 2020 übernommen und beschäftigt heute zwei weitere 100-Prozent-Fahrlehrer für die Kategorien A, B und BE. Selbst ist er meistens auf dem Lastwagen oder Car anzutreffen.

In der Kabine seines Mercedes-Actros-Fahrschul-LKW diskutieren wir die Veränderungen in der Führerausbildung. Den LKW-Führerschein konnte man vor 30 Jahren nach elf Fahrstunden im Sack haben. Bei der Theorie mussten 50 Fragen über Signalisation, Verkehrsrecht und Arbeits- und Ruhezeitverordnung ARV beantwortet werden, erlaubt waren maximal fünf Fehler. An die praktische Prüfung gings mit handgeschaltetem LKW, Motorbremse und herkömmlichen Rückspiegeln; von Rückfahrkamera und Assistenzsystemen hatte kein Mensch gesprochen.

Heute dauert alles länger und ist um etliches teurer. Die Theorieprüfung umfasst nur noch Signalisation und Verkehrsrecht. Danach startet der praktische Unterricht. Sechs bis sieben mal vier Lektionen à drei Stunden sei der Durchschnitt an Fahrstunden, erklärt Waldi Albin. Die normalerweise rund sieben Wochen dauernde Zeit zwischen Theorie- und Praxisprüfung reicht gemäss Albin für die praktische Vorbereitung aus.

Mit Fahrpraxis ist das eine eindeutige Situation, doch diese muss man sich erst einmal angeeignet werden, inklusive der nötigen Theorie.
Mit Fahrpraxis ist das eine eindeutige Situation, doch diese muss man sich erst einmal angeeignet werden, inklusive der nötigen Theorie.

Herausforderung CZV

Doch wer die praktische Prüfung bestanden hat, darf noch längst nicht überall als Chauffeur der Kategorie C arbeiten. Dazu fehlt ihm der sogenannte Fähigkeitsausweis, der CZV-Ausweis (Chauffeur Zulassungsverordnung). Einzig innerhalb der Schweiz darf man mit einer Bestätigung auch ohne CZV-Prüfung ein Jahr lang als Chauffeur fahren.

Die CZV-Prüfung umfasst drei schriftliche Theorietests sowie eine praktische Prüfung. Thematisiert werden zuerst ARV, Ladungssicherung und Ernährung, danach folgen die Themen Strassenverkehr in Form von Situationsbildern. In der Praxisprüfung muss der Absolvent ein Rad wechseln oder Schneeketten montieren oder andere Abläufe erklären können. Erst jetzt ist man ein «richtiger» Chauffeur. Es fehlt einzig noch die Anhänger-Kategorie E.

Nach einer kurzen «Prüfungsfahrt», bei der Waldi Albin ganz entspannt danebensitzt, geht es zurück zum Schulungslokal. Während dieses gut aus der Zeit von vor 30 Jahren stammen könnte, hat sich neben dem Ausbildungsaufwand auch die Fahrzeugtechnik stark verändert. Automatikgetriebe, Spiegelersatzsysteme und Sicherheitssysteme sollen dem Lenkenden das Fahren und Manövrieren erleichtern. Doch dazu muss der Fahrer die technische Intelligenz dieser Assistenzsysteme kennen und ausnutzen können. Eine weitere Herausforderung in der modernen Fahrerausbildung.

Waldi Albin, Inhaber der Fahrschule Berger in Chur.
Waldi Albin, Inhaber der Fahrschule Berger in Chur.

Interview

Waldi Albin (53) ist seit Anfang 2020 Inhaber der Fahrschule Berger in Chur. Seit 2013 ist er Fahrlehrer der Kategorien B, C, D und E. Davor hatte er die Ausbildung als Automechaniker absolviert, war danach Chauffeur und Disponent bei Calanda Gruppe AG Chur und Betriebsleiter bei Willy Niederer Transporte AG.

TIR: Was gefällt dir an deinem Beruf als Fahrlehrer?
Waldi Albin Dass ich mein Wissen an die Jungen weitergeben und vorwiegend mit jungen Menschen arbeiten kann.

Weshalb unterrichtest du die Kategorie C, CE, D und DE?
Es war für mich immer klar, dass ich als Fahrlehrer auf Lastwagen tätig sein will.

Wie beurteilst du die heutige Ausbildung in der Fahrschule?
Die Ausbildung an sich ist gut. Das Niveau müsste etwas höher sein, anspruchsvoller, dann hätten wir qualifiziertere Chauffeure. Das Problem wäre dann aber, dass der Fahrermangel noch grösser würde.

Vor allem bei den Linienbussen wirbt man heute im Kampf gegen den Fahrermangel um Quereinsteiger. Wie denkst du darüber?
Ich bin nicht so begeistert davon, dass jemand mit der Kategorie B gleich auf den Bus mit 40 oder noch mehr Passagieren wechseln kann. Eigentlich sträube ich mich etwas dagegen, trotzdem biete ich diese Art Ausbildung an.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Fahrlehrern und den Ausbildern bei Transportunternehmen?
Das ist eine gute Zusammenarbeit, und wir Fahrlehrer stehen in engem Kontakt mit diesen Ausbildern. Wir können zum Beispiel besprechen, wer vom Lieferwagen auf den grossen Lastwagen wechseln könnte und ob bei der betreffenden Person auch die Motivation und das Interesse besteht, die LKW-Prüfung zu absolvieren. Andererseits werde ich von Transportunternehmen gefragt, ob ein Fahrschüler von mir für eine Anstellung geeignet ist.

Würdest du an der heutigen Fahrausbildung zum LKW- oder Buschauffeur etwas ändern?
Nach bestandener Theorieprüfung fängt der Fahrschüler an mit Fahrstunden. Erst nach abgelegter praktischer Prüfung fängt er mit der CZV-Schulung an. Meiner Meinung nach sollte dies schon parallel zu den Fahrstunden möglich sein. Momentan kann der Fahrschüler nach bestandener praktischer Prüfung ohne Kenntnisse über ARV (Arbeits- und Ruhezeitverordnung), Ladesicherung, etc. ein Jahr innerhalb der Schweiz als Lastwagenchauffeur arbeiten.

Was ist für dich ein guter Fahrschüler?
Das liegt an seiner Einstellung. Wenn jemand will und sich Mühe gibt, merke ich das nach ein, zwei Fahrstunden.

Und wenn ihm einfach das Talent dazu fehlt?
Auch wenn das Talent fehlt, versuche ich dann mit allen möglichen Mitteln, ihm das Fahren beizubringen. Schon bei der Theorie heisst es dann üben, üben, üben!

Oft sind im Strassenverkehr Situationen zu sehen, bei denen der (Auto)-Fahrer die grösste Mühe bekundet, die Abmessungen seines Fahrzeugs einzuschätzen oder rückwärtszufahren. Trotzdem haben diese Fahrer alle irgendwann die Fahrprüfung bestanden. Woran liegt es, dass viele nicht manövrieren können?
Die Messlatte der Fahrprüfungen ist eher tief angesetzt. Eine Autoprüfung dauert gerade mal 60 Minuten. Da bleibt dem Experten oft zu wenig Zeit für verschiedene Manöver, oder der Fahrschüler hatte einfach Glück, dass seine Prüfung ohne schwierige Verkehrssituationen abgelaufen ist.

Worauf achtest du besonders bei der Ausbildung deiner Fahrschüler?
Sie sollen die Abmessungen ihres Fahrzeugs einschätzen können und sich ein tolerantes Verhalten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern aneignen.

 

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