Kommt jetzt der Biogas-Boom?

ENERGIEPREIS-RALLYE Nicht erst seit dem Angriff auf die Ukraine ist der Gaspreis förmlich explodiert. Dazu droht ein Embargo für russisches Erdgas. Haben CNG- und LNG-Lastwagen also noch eine Zukunft? Ja, sagen die Hersteller und verweisen u.a. auf die Preisstabilität von Biogas.

Biogas-Boom Ukraine TIR transNews
Gasförmiges wie verflüssigtes fossiles Gas ist massiv teurer geworden. Die Branche hofft auf einen Biogas-Boom. Für die Kreislaufwirtschaft wäre das ein Meilenstein.

Zu den Schweizer Vorreitern in Sachen verflüssigtes Erdgas (LNG) zählen die Schöni Transport AG und die Firma Krummen Kerzers. Krummen hat zusammen mit Lidl Schweiz hierzulande gar eine eigene Tankinfrastruktur aufgebaut, die aus drei LNG-Tankstellen in der Ostschweiz, am Neuenburgersee und am Jurasüdfuss besteht.

«Die Situation ist aktuell sehr unglücklich», sagt Peter Krummen, Geschäftsführer Krummen Kerzers, denn LNG habe einen höheren Preisaufschlag erlebt als andere Treibstoffe. Doch aktuell setzt Krummen seine LNG-Fahrzeuge unverändert ein, denn Peter Krummen geht davon aus, dass sich die Situation auch wieder normalisieren werde. «Aber flüssiges Erdgas ist für uns sowieso nur eine Übergangslösung, unser Ziel ist der Einsatz von biogenem verflüssigtem Erdgas, LBG», erläutert Krummen. Einen Gaslieferanten aus dem grenznahen Ausland habe man bereits an der Hand, doch noch ist die Zulassung von LBG in der Schweiz ausstehend. Aktuell läuft das Verfahren mit dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (ehemals Eidg. Zollverwaltung). «Wir brauchen diese Zulassung und zugleich brauchen wir möglichst bald auch die gleich langen Spiesse bei der LSVA wie andere alternative Antriebe», sagt Krummen.

Auch bei Schöni und Thurtrans stehen die LNG-Lastwagen unverändert im Einsatz, wie Patron Daniel Schöni erklärt. Mit Kunden wie Lidl, welche sich der Gaslösung verschrieben haben und die Gasmehrkosten tragen, sei dies kein Problem. «Da, wo wir hingegen LNG-Antriebe aus Eigeninititative und für einen nachhaltigen Transport beschafft haben, bleiben die aktuellen Mehrkosten hingegen an uns hängen.» Diese seien nicht einfach zu verkraften, denn «der LNG-Preis ist im vergangenen Halbjahr in Italien um etwa das Dreifache gestiegen». Dass die Lieferfristen für neue Fahrzeuge unendlich lang geworden sind, erschwert eine Lösungssuche zusätzlich. Denn Überlegungen wie die temporäre Stilllegung der LNG-Trucks und deren Ersatz durch Dieseler muss man sich ganz einfach aus dem Kopf schlagen. Gewisse Möglichkeiten sieht Schöni allerdings darin, Fahrzeuge beispielsweise statt in Italien in Deutschland einzusetzen, wo man zumindest von der Mautbefreiung profitiert. Dies wurde nach Möglichkeit so umgesetzt, doch auch hier ist man nicht gänzlich frei. Denn ein italienischer Vertragsfahrer, der für Italientransporte angeheuert und von Schöni mit LNG-Lastwagen ausgestattet wurde, lässt sich nicht einfach nach Deutschland versetzen. «Wirkliche Alternativen sind sehr begrenzt vorhanden», fasst Schöni zusammen. Und mit Blick auf die aktuelle Weltlage glaubt er auch nicht an eine schnelle Besserung. Im Gegenteil, es könne noch schlimmer kommen. «Einzige Lösung wäre ein baldiger Einsatz von verflüssigtem Biogas, was dann auch den richtigen Impact auf die Ökobilanz hätte. Aber auf dieses warten nicht nur wir.»

Wir haben die Schweizer Importeure der Marken Iveco, Scania und Volvo Trucks gefragt, welche kurz- und langfristigen Auswirkungen die dramatisch gestiegenen (und volatilen) Gaspreise auf ihr Geschäft und ihre Modellpolitik (CNG/LNG) haben und ob sie einen Biogas-Boom vorhersagen. Die wichtigsten Aussagen:

Tobias Schönenberger, Leiter Marketing & Kommunikation bei Scania Schweiz AG: «Wir liegen betreffend Gasfahrzeugen immer noch in unserer Planung und spüren vonseiten Kunden noch keine negativen Auswirkungen. Viele Schweizer Kunden setzen vollumfänglich auf Biogas (Red.: gasförmig), das fast CO₂-neutral ist und in der Schweiz produziert wird. Ein Embargo für russisches Erdgas würde für die Schweiz keine Auswirkungen haben, da ja überwiegend Biogastreibstoffe (Red.: gasförmig; CBG) zum Einsatz gelangen und die Schweiz im internationalen Fernverkehr (Red.: verflüssigt) nicht sehr aktiv ist. Die Nachfrage nach biogenen Treibstoffen wird gar noch zunehmen.»

Remo Motta, Director MarCom Volvo Group (Schweiz) AG: «Wir haben nicht viele Stornierungen von LNG-LKW, und die meisten Kunden behalten ihre Fahrzeuge. Wir verwenden den Dieselzyklus in unseren LNG-Motoren, was sie sehr effizient macht. Dadurch sind die Betriebskosten immer noch günstig oder in einigen Märkten gleichauf mit Diesel. Die Preise sowohl für Diesel, AdBlue als auch für Gas dramatisch gestiegen, die Produktionskosten für Bio-LNG (LBG) liegen jedoch mehr oder weniger auf demselben Niveau wie zuvor. Das bedeutet, dass es jetzt interessanter wird, Produktionskapazitäten für erneuerbares Biogas aufzubauen.»

Cristina Micheletti, Pressesprecherin von Iveco (Schweiz) AG: «In den volumenstarken Märkten sind die Absatzvolumen naturgemäss zurückgegangen. So verzichten Kunden im Moment eher auf alternative Antriebe. Die Preisentwicklung von diesen fossilen Energien eröffnet nun die Marktmöglichkeit, dass in grösserem Stil Biogas produziert und vertrieben werden kann. Während früher Biogas eher teurer war, ist es nun plötzlich eine spannendere Alternative, sofern die Produktionsmengen ausreichend sind. Gasfahrzeuge sind und bleiben eine verfügbare Alternative. Wenn Kunden von einem Kreislaufwirtschaftsmodell ausgehen, ist dies immer noch eine sehr gute Lösung, um den CO₂-Ausstoss zu reduzieren. Zudem gibt es bei diesen Fahrzeugen immer noch Vorteile betreffend Komplexität, Modularität, Gewicht-Kosten-Bilanz und vielem mehr. Wir halten an der Strategie von Gasfahrzeugen fest und sind von den Vorteilen nach wie vor überzeugt.»

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der soeben erschienenen Mai-Ausgabe der TIR transNews 05-2022.

Update: Am 12. Mai gab Scania bekannt, dass aufgrund des steigenden Kundeninteresses an seinen gasbetriebenen LKW und dem fortschtreitenden Infrastrukturausbau das Sortiment an Tanks und Spezifikationen erweitert werde. „Scania war unermüdlich dabei, Kunden das Potenzial von Biogaslösungen anzubieten und darüber zu informieren“, sagt dazu Stefan Dorski, Senior Vice President und Leiter von Scania Trucks. „Mit diesen Ergänzungen vergrössern wir nicht nur die Reichweite, sondern auch den potenziellen Kundenstamm, denn Biomethan-LKW sind unerlässlich, um die kurz- und mittelfristige Nachfrage nach fossilfreien Transporten zu decken.“

Die neuesten Ergänzungen von Scania im Gaslösungsportfolio:

  • LBG-Tank für Reichweiten bis 1 400 km (Södertälje bis Calais)
  • CBG-Tanks für Reichweiten bis 750 km (Södertälje bis Lübeck)
  • 80-Liter-CBG-Tanks, die kombiniert werden können, wodurch eine Rahmenseite frei wird
  • CBG-Tanks in einem Gestell hinter dem Fahrerhaus: bieten in Kombination mit Tanks an regulären Positionen Reichweiten bis zu 1000 km bei Zugmaschinen mit Achsabständen ≥ 3900 mm (Södertälje bis Berlin)
  • LBG-Tanks, die zusätzlichen Freiraum vor den Tanks bieten, was für Aufbauer von Vorteil ist.

Alle diese neuen Optionen werden im Laufe des Jahres 2022 eingeführt.

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