Die Energieherkunft ist der Schlüssel zum Erfolg

MOBILITY-FORUM 2019 Am ersten Tag der transport-CH äusserten sich verschiedene hochkarätige Experten am mobility-forum 2019 zur CO2-Prob­lematik und zu den Ansätzen, mit denen sich Lösungen und der damit einhergehen­de Systemwandel bewerkstelligen lassen.

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Die Transport- und Mobilitätsbranche ist im Umbruch und die Zukunft wird sicher elektrisch sein – darüber wurde am mobility-forum 2019 debattiert.

In der aktuell intensiv geführten Umweltdebatte sind viele Halbwahrheiten zu hören, die gleichwohl teilweise mit grosser Vehemenz vertreten werden. Man kann sich des Eindrucks nicht immer erwehren, dass Fachaussagen auch bei Herstellern zu reinen PR-Meinungen verkommen sind, um das Handeln des eigenen Betriebes zu rechtfertigen. Oder aber es werden technische Stossrichtungen gefordert, die jeglicher Realisierbarkeit entbehren, um ebenfalls das eigene Handeln (oder Nichthandeln) zu rechtfertigen. Welches die Grundlagen für eine effiziente Reise in eine umweltfreundlichere Zukunft wirklich wären, erörterten diverse Redner am Eröffnungstag der letztjährigen transport-CH.

Erneuerbar Die Kernaussage dürfte dabei von Christian Bach kommen. Bach ist Abteilungsleiter für Fahrzeugantriebssysteme bei der Empa in Dübendorf und er hat Vor- und Nachteile von verschiedenen Elektroantrieben sowie von synthetischen Treibstoffen betrachtet. Dabei wurde die Ökobilanz von Fahrzeugen erstellt, welche alle Faktoren, von der Herstellung über den Betrieb bis hin zur Ausmusterung, umfasst. Der grosse Unterschied in den CO2-Emissionen entsteht gemäss Bach nicht in der Antriebstechnik, sondern praktisch nur aus der Herkunft der genutzten Energie. «Wir dürfen keine Religion aus dem Antrieb machen. Die Hauptsache ist, dass die eingesetzte Energie aus erneuerbarer Quelle stammt.» Damit sind Wasserkraft, Wind- und Solar­energie gemeint. Allerdings führt der erhöhte Bezug aus erneuer­baren Quellen zu stärkeren Schwankungen und zu höheren Fluktuationen im Stromnetz, da der Wind meist nicht dann bläst oder die Sonne nicht dann scheint, wenn der Strom benötigt wird. «Wir müssen deshalb erneuerbare Energien speichern, indem die überschüssige Energie in synthetische Treibstoffe umgewandelt wird, wie in Wasserstoff oder synthetische Kohlewasserstoffe.»

Aufschlussreich ist auch die Untersuchung zum Mobilitätsverhalten und zu den Auswirkungen bezüglich CO2-Ausstoss. Gemäss den von Christian Bach präsentierten Zahlen finden etwa 70 Prozent der Autofahrten im Kurzstreckenbereich statt, lediglich 30 Prozent sind Lang­streckenfahrten. «Diese Langstreckenfahrten sind wegen des damit verbundenen Mehrverbrauchs aber für 70 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich», erläuterte Bach. Für diese Langstrecken sieht er die grössten Auswirkungen mit neuen, bedarfsgerechten Antriebslösungen. Explizit sieht er im Einsatz von Wasserstoff das grösste Potenzial für die Langstrecke. «Die Kurzstrecke ist hingegen vor allem schadstoffrelevant, was den Elektroantrieb begünstigt.»

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Christian Bach (Empa) legte den Fokus auf die erneuerbare Energie.

Umdenken ist angesagt «Ein Paradigmenwechsel führt auch zu neuen Lösungen», meinte wiederum Rainer Deutsch­mann, Leiter Logistik und Transport bei der Migros-Genossenschaft. Doch neue Lösungen verlangen oft ein neues Vorgehen und, in den Worten von Deutschmann, es muss vermehrt die Zusammenarbeit mit Partnern, aber auch mit Konkurrenten gesucht werden, um zum Ziel zu gelangen. Als Beispiel nennt er den Förderverein H2 Mobilität Schweiz, in dem sich unterschiedliche Grossverteiler, Transporteure und Tankstellen­betreiber zusammengeschlossen haben, um auf Nutzerseite dem Wasserstoffkreislauf in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen. Auf Energieseite im Wasserstoffkreislauf produziert und verteilt die Firma Hydrospider den Wasserstoff und das Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility liefert die benötigten Wasserstofflastwagen. Ein anderes Beispiel dafür ist das Projekt Cargo sous Terrain, das mit einer Güter-U-Bahn das Transportgut direkt in die Agglomerationsräume bringen soll und damit die dort überbelasteten Verkehrsräume und das Problem der belasteten Luft entschärfen helfen soll.

Auch wegen des grossen Engagements der Migros im Bereich alternativer Lösungen spielen Zahlen eine wichtige Rolle. «Damit sich im Transportsektor die Wasserstofflastwagen für den Betreiber mit der TCO rechnen, muss Wasserstoff noch rund zehn Jahre von der LSVA befreit bleiben», rechnet Deutsch­mann. Diese LSVA-Befreiung war übrigens auch einer der Schlüsselfaktoren, die in den Verhandlungen zwischen dem Schweizer Start-up H2 Energy und dem Automobilriesen Hyundai den Ausschlag fürs Joint Venture gegeben haben. Eine andere staatliche Förderung als der Erlass der LSVA gibt es beim im Aufbau befindlichen Wasserstoffkreislauf nicht. «Die beteiligten Partner sehen nicht nur Risiken, sondern vor allem auch einen wirtschaftlichen Nutzen», erklärt Thomas Walter, Mitglied der Geschäftsleitung von H2 Energy.

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Der Paradigmenwechsel ermöglicht laut Rainer Deutschmann (Migros) auch neue Lösungen.

Auch beim Bundesamt für Strassen (Astra) wird beispielsweise mit der Umsetzung der Roadmap E-Mobilität des Bundes aktiv am Systemwechsel mitgearbeitet. «Die Forderung nach einem Wechsel weg von fossilen Treibstoffen hin zu alternativen Energien unterstützen wir», sagt Astra-Direktor Jürg Röthlisberger. Zugleich warnt er vor einer zu starken Verteuerung von Benzin und Diesel: «Der Wandel muss tragbar sein und von der Gesellschaft auch mitgetragen werden können.» Mit Blick auf den Personenwagenmarkt in der Schweiz appelliert Röthlisberger an die Flottenbesitzer, rasch auf neue Technologien umzusteigen. Er begründet dies mit dem jährlichen Autohandel, bei dem rund 300 000 Neuwagen einer guten Million Occasionen gegenüberstehen. Erfahrungsgemäss gelangen heutige Flottenneuwagen in drei, vier Jahren in den Occasionshandel. Wenn also der heutige Wagen mit neuer Technik gekauft wird, gelangt umso rascher auch neue Technik in den Gebrauchtwagenhandel.

Obwohl die Themen der alternativen Antriebe und die Emissionsproblematik auch in der breiten Bevölkerung angekommen scheinen, wurde beim lange Zeit stetig sinkenden CO2-Ausstoss zuletzt wieder ein Anstieg festgestellt. Dieser mag zwar stark mit der Verunsicherung in Bezug auf den Dieselskandal zusammenhängen, doch Röthlisberger sieht darin auch ein Zeichen dafür, dass ein grundlegender ­Systemwechsel im Gange ist. Und dieser Systemwechsel muss – da sind sich alle Redner einig – technologieneutral sein. Oder wie Christian Bach ja schon vorher betonte: «Die Hauptsache ist, dass die eingesetzte Energie aus erneuer­barer Quelle stammt.»

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Wie Jürg Röthlisberger (Astra), ver­traten alle Redner die Ansicht, dass der Weg technologieneutral sein muss.
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