Offener Brief aus der Branche an den Bundesrat

CORONAVIRUS-KRISE Drei Exponenten der Schweizer Transport- und Logistikszene verfassten gemeinsam einen offenen Brief an die Mitglieder des Bundesrats. Darin fordern sie unter anderem, den Kostendruck auf die systemrelevante Branche zu reduzieren.

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Offener Brief an den Bundesrat u.a. von Cargo24, der einzigen Schweizer Kooperation von 18 mittelständischen Logistikdienstleistern (darunter die Hasler Transport AG), die zusammen ein Schweiz-weites Netz abdecken.

Sehr geehrte Bundesräte

Die Transportwirtschaft findet im aktuellen Shutdown besondere öffentliche Beachtung. Doch der oberflächlich positive Blick verbirgt dringenden politischen Handlungsbedarf für die Branche. Cargo24 ist die einzige Schweizer Kooperation von 18 mittelständischen Logistikdienstleistern (darunter die Hasler Transport AG), die zusammen ein Schweiz-weites Netz abdecken. Direkt am Ohr des Mittelstands ergeben sich – gepaart mit der wissenschaftlichen Optik auf die Schweizer Transportbranche – folgende drei Insights, die unbedingt Eingang in aktuelle wirtschafts- und verkehrspolitische Entscheidungen finden
sollten:

  • Sicherstellung von Verpflegung, sanitären Einrichtungen und Schutzausrüstung für die Chauffeure
  • Aufhebung der Grenzschliessungen für den Personen- und Güterverkehr bei beschleunigter Lkw-Abfertigung an den Grenzen
  • Verzicht auf zusätzliche Kostenbelastungen der Transportwirtschaft, namentlich bei LSVA und CO2-Abgabe auf Treibstoffe

Aktuell wird es für die breite Bevölkerung unmittelbar erlebbar, dass die Logistik eine systemrelevante Funktion hat: Ohne Logistik gibt es keine Waren in Supermärkten, Produktionsbetrieben oder Spitälern. Es gilt demnach, die Existenzsicherung einer Branche im Blick zu behalten, die für die Gesellschaft die viel gepriesene Systemrelevanz in Anspruch nehmen darf. Die Transportwirtschaft bildet das Blut im Schweizer Wirtschaftskreislauf!

Gerade in Zeiten eines erhöhten Infektionsrisikos ist zuerst der Schutz von Leben und Gesundheit des Personals von Transportunternehmen bei der täglichen Arbeit sicherzustellen. Die notwendige Schutzausrüstung kann durch die Marktakteure nicht oder nur mit sehr grossem Aufwand beschafft werden, von den damit verbundenen Kosten ganz zu schweigen. Ferner bedurfte es zuerst eines Aufrufs des Branchenverbands ASTAG, dass an Raststätten überhaupt wieder Notessen an die Chauffeure ausgegeben und Toiletten sowie Duschen geöffnet wurden. Ein Beweis, dass die politische Perspektive an Selbstverständlichkeiten des praktischen Berufsalltags vorbei geht.

Da die Schweiz bekanntermassen auch in Krisenzeiten stark vom Import und Export abhängt, muss der Blick auf die Grenzen gerichtet werden: Dort nehmen die Wartezeiten für Lkws in Folge der vielen faktisch nahezu geschlossenen Grenzübergänge zu. Zudem beschäftigen viele Unternehmen in den Grenzregionen Mitarbeitende aus dem nahen Ausland. Die Verbreitung des COVID 19-Virus klingt bereits stark ab, so dass Grenzschliessungen aus medizinischer Sicht nicht zu begründen sind. Vorübergehende Personenkontrollen reichen völlig aus, ergänzt um zusätzliche Spuren und Abfertigungskapazitäten für den Güterverkehr an den Grenzen. Hier könnte die Schweiz international eine positiv besetzte Pionierrolle einnehmen.

Einzelne Massnahmen wurden verzögert ergriffen, sind aber auf so genannte versorgungsrelevante Güter beschränkt, um vor allem die Supermärkte mit ausreichend Ware zu bestücken. Vergessen geht, dass bei den meisten Branchen deutliche Volumeneinbrüche zu verzeichnen sind. Eine Veränderung der Wirtschaftsleistung wirkt sich dabei direkt und sofort auf die Transportvolumina aus. Zudem verringert sich bei einem Volumenrückgang die Stoppdichte eines Lkws, die Kosten pro Fahrzeug steigen und die zugehörigen Umsätze gehen zurück. Damit kämpfen die Unternehmen mit massivem zusätzlichen Kostendruck.

Neben kurzfristigen Massnahmen wie Überbrückungskrediten muss die Politik jetzt unbedingt bereits geplante Massnahmen überdenken: Dazu gehört erstens die CO2-Abgabe, deren Erhöhung vom Ständerat bereits verabschiedet und vom Nationalrat noch diskutiert wird. Eine Erhöhung um bis zu 10 Rappen pro Liter Diesel passt selbst im Lichte der aktuell niedrigen Treibstoffpreise überhaupt nicht zur Krisenlage des Transportgewerbes. Unabhängig von klimapolitischen Zielen deckt der Schwerverkehr bereits heute alle, d.h. auch seine externen Kosten.

Zweitens steht diesen Sommer der Entscheid des Bundesrates über die Abklassierung der modernsten LKW Motoren Euro 6 in der LSVA an, was die Transportwirtschaft mit zusätzlichen Kosten belasten würde: Ein Transport von Zürich nach Genf und zurück mit einem 40t Lkw der saubersten Umweltklasse führt zu LSVA-Abgaben von über CHF 500.-, hochgerechnet auf ein Fahrzeug und das ganze Jahr ergeben sich LSVA-bedingte Kosten in Höhe von CHF 125‘000.-. Rechnet man sämtliche staatlichen Abgaben auf Fahrzeug und Mitarbeitende bei einem Lkw zusammen, so liegen diese bei über 50% der Kilometer-bezogenen Kosten.

Es bleibt die Erkenntnis „weniger ist mehr“: ein Verzicht auf weitere staatliche Abgaben kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, irreparable Schäden am System-relevanten Schweizer Transportgewerbe zu vermeiden und der gesamten Wirtschaft zu einem Mehrwert zu verhelfen, sodass lokale Arbeitsplätze erhalten bleiben, zumal die Lenkungsabgaben bislang bereits die erwünschten Effekte bewirken. In diesem Sinne sind die aktuellen Restriktionen schnell zu lockern und unnötige Kostensteigerungen für die Unternehmen bei CO2-Abgabe sowie LSVA zu vermeiden. Für Rückfragen und Vertiefungen stehen wir gerne zur Verfügung.

Gesunde Grüsse

Wolfgang Stölzle, Robert Einstein und Dominik Hasler

Wolfgang Stölzle Offener Brief Bundesrat TIR transNews
Prof. Dr.Wolfgang Stölzle, ist Geschäftsführender Direktor am Institut für Supply Chain Management, Universität St.Gallen
Robert Einstein Cargo24 Stückgut TIR transNews
Robert Einstein, ist Initiator und Geschäftsführer von Cargo24.
Dominik Hasler Transport Offener Brief Bundesrat TIR transNews
Dominik Hasler, CEO Hasler Transport, Weinfelden

Die Verfasser des Briefes:

 

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