Steiles Elektro-Wachstum in Chinas Nutzfahrzeugmarkt
TRANSPORTBRANCHE IM WANDEL Im Hightech-Land China gehen Langzeittrends auch im Strassentransport Hand in Hand mit schnellen und teils fast abrupten Veränderungen. Gianenrico Griffini, Jurypräsident von Truck of the Year, ordnet die aktuelle Situation im Reich der Mitte ein.
Der chinesische Fahrzeugmarkt für den Strassengütertransport belief sich im vergangenen Jahr im Gewichtsbereich ab 14 Tonnen auf rund eine Million Fahrzeuge, rund 800’000 davon waren schwerer als 18 Tonnen. Die Zahlen liegen zwar weit von den Rekordjahren 2020 (1,6 Mio. Fahrzeuge) und 2021 (1,4 Mio. Fahrzeuge) entfernt, lassen damit aber den europäischen Markt mit etwa 317’000 Nutzfahrzeugen weit hinter sich.
Neue Technologien, namentlich für Dienstleistungen aus der Vernetzung der Fahrzeuge, führen gemäss einer Studie von McKinsey zu einer Veränderung und Konsolidierung des Strassentransportsektors. McKinsey sieht eine Verschiebung von Transportunternehmungen mit einem einzigen Fahrzeug oder wenig strukturierten Firmen hin zu mittelgrossen Transportunternehmen mit mehr als 20 Fahrzeugen und grossen Firmen mit noch grösseren Flotten. Mittlere und grössere Flottenbetreiber dürften 2030 rund die Hälfte aller Lastwagenverkäufe ausmachen, 2020 lag dieser Wert erst bei 30 Prozent und nochmals zehn Jahre früher bei nur zehn Prozent. Dem Treiber dieser Verschiebung, den auf der zunehmenden Vernetzung basierenden Fahrzeug- und Flotten-Dienstleistungen, wird ein solides Wachstum prognostiziert. So wird für 2025 mit einem Umsatz von 44 Mia. US-Dollar gerechnet – 2021 betrug er 32 Mia. US-Dollar –, 2030 sollen es dann bereits knapp 70 Mia. US-Dollar sein.
Auch in Sachen alternativer Antriebe gilt China nach wie vor als Vorläufer und Trendsetter. Und der Rundgang Ende 2023 auf der grössten Nutzfahrzeugmesse Asiens, in Wuhan, bestätigt, dass sich marktabhängig die Technologien anders entwickeln und ausbreiten. Neben batterieelektrischen (BEV), brennstoffzellenelektrischen (FCEV) sowie dieselelektrischen (Hybrid-)Antrieben stachen verflüssigtes Erdgas LNG und BEV mit Batteriewechselsystemen ins Auge. Die Brennstoffzelle wird dabei von den Bemühungen der chinesischen Regierung unterstützt, rasch ein breites Netz von Wasserstofftankstellen zu errichten. Es soll bis 2025 mindestens 1200 Tankstellen umfassen.
LNG und Batteriewechsel
Noch ziemlich frisch sind LNG-Lösungen in China. Erste ernsthafte Bemühungen waren vor Jahresfrist feststellbar, diese lassen sich mit dem Preisvorteil von LNG gegenüber Diesel erklären. Der durchschnittliche Dieselpreis lag letztes Jahr in China bei rund 998 Euro pro Tonne, LNG lag bei 787 Euro pro Tonne. Dieser Unterschied von rund 27 Prozent schlägt sich bei den in China zurückgelegten Jahreskilometern von Lastwagen mit Doppelbesatzung (bis zu 300’000 km) deutlich nieder. Doch die immense Nachfrage nach LNG-Fahrzeugen hat beim Nachschub von kryptogenen Tanks zu einem Engpass geführt, der Auslieferungen und gar Verkäufe verzögert oder verhindert hat.
Ähnlich der LNG-Fahrzeuge wird bei BEV mit Batteriewechselsystem die Batterie hinter der Kabine in die Höhe gestapelt. Nähert sich der Batterieladestand seiner kritischen Grenze, steuert der LKW-Fahrer eine Wechselstation an und tauscht in fünf bis sechs Minuten die leere gegen eine geladene Batterie aus. Das ist nicht nur vergleichbar mit dem Betanken eines Diesellastwagens, sondern ermöglicht es Transporteuren, die Kosten von Fahrzeug und Batterie zu separieren: Er entscheidet sich, ob er den E-Truck mit Batterie kauft, oder aber günstiger ohne Batterie und mietet dann die Batterien beim Wechselsystem-Dienstleister.
Das System der Batteriewechsel geht auf eine Regierungsinitiative zurück, die 2019 gestartet wurde und den Aufbau eines Netzes von Wechselstationen vorsah. Im ersten Halbjahr 2023 waren bereits über 2100 Wechselstationen errichtet. Dies hat der Entwicklung von entsprechenden Fahrzeugen Vorschub geleistet, ebenso die von der Regierung gewährten Vergünstigungen auf Batteriemodule und auf die Ladestromtarife.
BEV dominiert alternative Antriebe in Chinas Nutzfahrzeugmarkt
Hingegen hat die chinesische Regierung ihre Vergünstigungen für alternativ angetriebene Nutzfahrzeuge letztes Jahr gestoppt. Gleichwohl verzeichneten BEV-, FCEV- und Hybridnutzfahrzeuge einen steilen Anstieg und die Durchdringung des Nutzfahrzeugmarktes liegt bereits bei über zehn Prozent. Gemäss den Daten von Interact Analysis haben die Verkäufe von Lastwagen (leicht bis schwer) um 46,3 Prozent zugenommen, auf total rund 146’000 Fahrzeuge. Als Hauptantriebsart steht weiterhin BEV im Zentrum, denn auf ihn entfielen bei den Trucks 134’000 Fahrzeuge. Stärkste Marke ist wie bisher Geely, gefolgt von Seres, Dongfeng und Foton.
Beim Personentransport ist die Dominanz der Batteriebusse noch grösser, denn über 98 Prozent der alternativen Busse sind BEV, also über 160’000 der gesamthaft 163’000 verkauften Alternativantriebsbusse. Die Zunahme im Busbereich betrug übrigens 18 Prozent, was darauf schliessen lässt, dass E-Busse wie in Europa schon länger im Verkauf sind. Auch bei den Bussen dominiert Geely den Markt ganz deutlich, mit grossem Abstand gefolgt von Chery, Chang’an Auto, Foton und Dongfeng.