Übernachtungsverbot in der Kabine zeigt Wirkung

FERNVERKEHR So manchem Trucker dürfte das Wochenend-­Übernachtungsverbot an Bord seines Fahrzeugs schlaflose Nächte bereiten, denn mittlerweile drohen in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten hohe Bussen, wenn das Verbot missachtet wird.

Übernachten in der Kabine Niederlande TIR transNews
Last- und Lieferwagen aus dem ehemaligen Ostblock belegen viele Parkplätze überall in Europa. das EU-weiten Übernachtungsverbot in der Kabine am Wochenende zeigen beispielsweise in den Niederlanden Wirkung.

Schlafkabinen im heutigen Sinne gab es vor 70 Jahren noch nicht. Halb Europa lag kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche und eine bezahlbare Unterkunft für die Nacht war kaum zu bekommen. Das war vor allem für den langsam wieder aufkommenden Güterfernverkehr in Deutschland ein Problem. Durch den Fahrzeugmangel wurde noch bis Anfang der 1950er-Jahre nicht nur mit zwei Anhängern, sondern auch Tag und Nacht mit zwei sich ablösenden Chauffeuren gefahren. Der zweite Fahrer schlief während der Fahrt eher unbequem auf dem Beifahrersitz. Deshalb wurde improvisiert und in die Lastwagen wurden sogenannte Schwalbennester integriert, die an die Kabinenrückwand angeschweisst wurden. Über den Komfort heutiger Kabinen verfügten sie natürlich nicht, aber trotzdem schätzten die Chauffeure das eigene Bett mehr als etwa eine Hotelübernachtung.

Mittlerweile ist jede Fernfahrerkabine ein Hotelzimmer auf Rädern. Trotzdem verbietet die EU seit einiger Zeit mit dem Übernachtungsverbot den Aufenthalt in der Kabine über das Wochenende. Vielmehr müs­sen sich Fahrer 45 Stunden ausserhalb der Kabine aufhalten und der Arbeitgeber muss für diese Zeit eine adäquate Unterkunft stellen. Auch für Selbstfahrer gibt es keine Ausnahmen. In den Niederlanden beispielsweise wird seit dem letzten Regierungswechsel streng nach der Verordnung EG Nr. 561/2006 Artikel 4 gehandelt. Ein diesbezügliches Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Dezember 2017 liess der Regierung auch keine andere Wahl.

Massnahme Übernachtungsverbot wirkt

Dabei setzt die holländische Polizei die Vorschriften im Rahmen des normalen Streifendienstes durch. In den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres wurden bei 401 kontrollierten Chauffeuren 103 Übertretungen bezüglich der Übernachtungen festgestellt. Kostenpunkt für Fehlbare: 1500 Euro Busse. Die Polizei fokussierte ihre diesbezüglichen Bemühungen auf einschlägig bekannte Parkplätze, die vor allem durch Fahrzeuge aus dem ehemaligen Ostblock belegt werden.

In sogenannten Polen-Sprintern mit den aufgesetzten Schlaf­­kabinchen lebt es sich ärmlich. Ihre Fahrer nutzen die Infrastruktur bei Tankstellen und Raststätten, konsumieren jedoch nichts.

Diese Fahrzeuge besetzen zwar über das Wochenende noch immer viele Parkplätze, die jeweiligen Fahrer trifft man jedoch kaum mehr an. Sie übernachten in Holland nun meist in den sogenannten Polen-Hotels, die landesweit vor allem für Erntearbeiter entstanden sind, oder in Wanderhütten, auf Campingplätzen und in Privatunterkünften. Dies verursacht natürlich Unkosten bei den Ostblock-Unternehmen, was von den niederländischen Transporteuren begrüsst wird, denn es rückt die Wettbewerbsverzerrung der Ost-Trucker wieder etwas gerade. Als positiver Nebeneffekt der Wochenendverbote kann festgestellt werden, dass auf den Park- und Rastplätzen auch die Vermüllung abnimmt.

Heimaturlaub bald obligatorisch?

Alles andere als Hotelverhältnisse müssen die Fahrer der Lieferwagen aus dem Osten erdulden, die ebenfalls die Parkplätze belegen und nicht sehr respektvoll als Polen-­Sprinter bezeichnet werden. Sie sind zweifellos das Resultat unserer Konsumwutgesellschaft, welche von der Zahn- bis zur WC-Bürste alles innert 24 Stunden erhalten möchte. Und die Missstände sind offensichtlich. Fahrer biwakieren unter der Woche auf der Ladefläche oder über den engen Lieferwagenkabinen, bereiten neben ihren Fahrzeugen einfachste Mahlzeiten zu, warten über Stunden vor Versandhausriesen auf die nächste Fuhre und haben am Monatsende vielleicht 300 Euro in der Tasche.

Auch deshalb arbeitet man in Brüssel aktuell daran, die Übernachtungsschraube auf Park- und Rastplätzen noch stärker anzuziehen. Fahrer, die oft über Monate ihre Heimat nicht sehen, sollen alle drei Wochen für ein verlängertes Wochenende nach Hause reisen dürfen. Nicht auf eigene Kosten, sondern bezahlt vom Arbeitgeber. Dadurch sollen nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessert werden, sondern die Wettbewerbsverzerrungen weiter minimiert und die an Sklaverei grenzenden Arbeitsverhältnisse verhindert werden.

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