Ziel ist, den regulären Betrieb weiterzuführen
CORONAVIRUS-KRISE Das Coronavirus bringt deutlich zum Ausdruck, wie wichtig eine funktionierende Transportwirtschaft für ein Land ist. Umso essenzieller ist es für die Importeure der Lastwagen- und Linienbushersteller, dass sie den Service für ihre Kunden auch jetzt sicherstellen können. Ein Augenschein in einer Zeit, in welcher das Heute am nächsten Tag bereits Makulatur sein kann.
«Die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Lebens ist sichergestellt.» Vor allem zu Beginn der Corona-Krise Ende Februar und bei der Ausrufung der ausserordentlichen Lage Mitte März wurde diese Aussage beinahe zum Mantra der Behörden, um Ängste zu besänftigen und unnötige Hamsterkäufe zu verhindern. Gleichwohl stieg der Bedarf an Lebensmitteln und anderen Gütern enorm an, sodass das Ladenpersonal in verschiedenen noch zugelassenen Geschäftszweigen mit Gestellnachfüllen stark gefordert ist. Die Logistik war plötzlich essenziell, was vor allem auch die Letzten in der Kette – die Chauffeure – zu spüren bekamen. Im internationalen Verkehr wurde ihre Geduld mit langen Zollwartezeiten, im Binnenverkehr mit mehr Aufträgen und entsprechend längeren Schichten strapaziert. Und wem bis dato nicht klar war, welche Bedeutung dieser Branche in unserer Gesellschaft zukommt, sollte zumindest jetzt deren Stellenwert erkennen. Wie viel davon übrig bleibt, wenn wir dereinst wieder aus Distanz auf die heutige Zeit zurückblicken können, ist jedoch abzuwarten. Doch die Behörden haben reagiert, um die Vorsorgung sicherzustellen und um den Chauffeuren und Logistikern keine unnötigen Steine in den Weg zu legen. Wer in der Grundversorgung tätig ist, profitiert von einer Lockerung von Nacht- und Sonntagsfahrverbot und der Arbeits- und Ruhezeitverordnung (ARV). Dazu kommen an zahlreichen Grenzübergängen priorisierte Spuren (Green Lanes), an denen Lebensmittel, medizinische Güter und Post sowie an einigen ausgewählten Orten medizinisches Personal und die Blaulichtorgansiation erleichtert passieren können.
Home office bringt umdenken Es mag etwas abgedroschen klingen, aber viel mehr noch als das Auto sind Lastwagen und Busse Fahr- und keine Stehzeuge. In jenem Moment, wo sie unfreiwillig stehen, sind die Probleme vorprogrammiert. Entsprechend haben alle Importeure sehr rasch auf die Situation mit dem hoch ansteckenden Covid-19-Virus reagiert. Wo nicht anders möglich, wie in den Werkstätten und beim Ersatzteilelager, wurde zu grossen Teilen auf Home Office umgestellt, was die Abwicklungen meist etwas verlangsamt, aber weiter den regulären Betrieb ermöglicht.
Selbst der Fahrzeugverkauf bleibt bei den verschiedenen Herstellern aktiv. «Wir stellen zwar fest, dass einige Kunden ihre geplanten Beschaffungen sistiert oder zurückgestellt haben, dennoch liegt die Nachfrage auf einem erstaunlichen Niveau», sagt beispielsweise Svenja Lyhs, die Verantwortliche für Presse und Produktmanagement bei Mercedes-Benz Trucks Schweiz. Ähnlich klingt es auch von den anderen Herstellern. Vor allem Kunden, welche in der Grundversorgung tätig sind, halten ihre Fahrzeugbestellungen am Laufen, «aber nicht nur sie». Trotz der teilweisen Werkschliessungen und der sich ergebenden Lieferengpässe arbeiten alle Hersteller zielstrebig daran, jeden Fahrzeugbedarf abzudecken und bestellte Fahrzeuge auch auszuliefern. «Neben den erschwerten Lieferbedingungen kämpfen wir aber auch damit, dass die Strassenverkehrsämter ihren Betrieb ebenfalls stärker einschränken und so die Zulassung von Fahrzeugen teilweise erschwert wird», erklärt Cristina Micheletti, Pressesprecherin von Iveco Schweiz.
Eine weitere Schwierigkeit in der Branche sind die Überführungsfahrten zu den Kunden oder für die Abnahme im Strassenverkehrsamt. Diese werden meist von ehemaligen Mitarbeitern im Pensionsalter abgewickelt. Sie gehören in der aktuellen Situation allerdings zur Risikogruppe, weshalb die Importeure und Werkstätten vorübergehend andere Fahrer für diese Aufgaben einsetzen und suchen.
Miete und Schulung Bezüglich Fahrzeugnachfrage sind beim Mietwagengeschäft ähnliche Aussagen zu hören wie bei der Neuwagenbeschaffung, allerdings ist da der Tenor nicht gleich einhellig. Während die einen davon sprechen, dass sie nicht genügend Fahrzeuge für die Mietnachfrage hätten, sprechen andere gar von eingeschlafener Nachfrage. «Kleinere Betriebe haben zwar auch einen erhöhten Transportbedarf, aber oft fehlen ihnen die Chauffeure, sodass bei ihnen zusätzliche Mietfahrzeuge gar keinen Sinn ergeben», sieht beispielsweise Simone Kaiser, Pressesprecherin von MAN Trucks & Bus, einen Teil der nicht einheitlichen Mietsituation. Allerdings wissen alle Hersteller bei Verkauf und Miete mit Used Trucks und Demofahrzeugen rasch zu reagieren bei steigender Nachfrage. Fahrzeuge für die Grundversorgung sind im Rental stark gefragt. «Vor allem Zugmaschinen könnten wir mehr vermieten, als wir aktuell liefern können», heisst es beispielsweise von Remo Motta bei Volvo Trucks wie auch von Tobias Schönenberger bei Scania.
Wie bei den geschlossenen Schulen sind Schulungen im Fahrzeugbereich in der ursprünglichen Form momentan nicht möglich. Also ist man bei den Herstellern auf den digitalen oder telefonischen Weg eingeschwenkt und bietet entsprechende Dienstleistungen an. Allerdings lässt sich nicht alles digitalisieren. Was bereits als E-Schulung vorhanden war, wird stärker genutzt. Schulungen, die eine Präsenz verlangen, fallen momentan ersatzlos aus. Chauffeurschulungen für die optimale Nutzung der Fahrzeuge werden von den Herstellern auf telefonischem Weg weiterhin angeboten.
Service Sicherstellen Anders als im Personenwagensektor, wo die Empfangsräume geschlossen wurden, sind die Kundenbereiche im Nutzfahrzeugsektor als B2B-Firmen weiterhin offen. Und das ist Teil der Grundphilosophie im Nutzfahrzeugsektor, wie es DAF auf seiner Homepage exemplarisch schreibt: «Gemeinsam (Händler und Hersteller) werden wir unser Bestes tun, um unsere Kunden bei der Fortführung ihrer Transportaktivitäten zu unterstützen. In ganz Europa sind alle Werkstätten geöffnet, und unser Pannendienst ist weiterhin 24 Stunden 7 Tage die Woche besetzt. Wir überwachen ständig unsere Ersatzteilversorgung, um maximale Verfügbarkeit und Betriebszeiten zu gewährleisten.»
In der Praxis sind in der Schweiz Ende März tatsächlich praktisch alle Servicestellen offen, Ausnahmen gab es wegen der noch rigoroseren Covid-19-Massnahmen im Kanton Tessin. Allerdings gelten die Werkstätten generell als Sperrzone, sowohl für Kunden als auch für Nicht-Werkstattpersonal. «Wir setzen alles daran, dass wir den Betrieb für unsere Kunden weiterführen können», erklärt stellvertretend für die Branche Daniela Schifferle von Renault Trucks Schweiz. Erschwerend für Renault kommt die Tatsache hinzu, dass man aktuell auch mit der Neuorganisation der Firma beschäftigt ist, nachdem die Volvo Group vor wenigen Monaten die erneute Aufsplittung von Renault Trucks und Volvo Trucks in die Wege geleitet hatte.
Mit rigoroser Abschottung und zusätzlichen Massnahmen wird alles daran gesetzt, dass der Betrieb der Werkstätten nicht eingestellt werden muss. So wurden vielerorts die Öffnungszeiten angepasst und eine telefonische Voranmeldung ist beinahe Voraussetzung. Zudem wurde inzwischen in vielen Werkstätten der Betrieb in Schichten eingeführt, wobei es teilweise den Werkstätten selber überlassen bleibt, wie sie sich organisieren, während andere Hersteller ihre gesamte Organisation aufgeteilt haben. Bei den einen findet die Unterteilung Vormittag/Nachmittag statt, andere Teams wechseln sich im Wochenrhythmus ab. Beide Lösungen haben zum Ziel, dass die Ansteckung eines Mitarbeiters mit Covid-19 nicht den ganzen Betrieb lahmlegt. Durch die Unterteilung des Personals wird zudem die Einhaltung der BAG-Regeln erleichtert, wie jene von den zwei Metern Abstand. Wobei dies je nach Arbeit, wie beispielsweise einem Getriebewechsel, auch so schwierig einzuhalten ist.
Unisono werden die Fahrzeuge für die Werkstatt vor den Toren durch die eigenen Mitarbeiter übernommen. Die wichtigsten Teile wie Lenkrad, Türknauf, Schaltstock, Sitz und Bedienhebel werden desinfiziert und dann erst wird das Fahrzeug für die Arbeiten reingefahren. Bei der Ausgabe des fertigen Fahrzeugs werden die gleichen Punkte erneut desinfiziert, um auch für den Chauffeur die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Als weiterer essenzieller Dienst gilt die Ersatzteileversorgung. Je nach Herkunft der Teile kann es jedoch zu Verzögerungen kommen, da für eine pünktliche Lieferung die ganze Lieferkette zusammenspielen muss. Auch Ersatzteile ab Servicepunkt sind weiterhin gewährleistet. Diese werden durch die Belieferung zum Kunden oder, bei Abholung, durch körperliche Distanz abgewickelt. So werden Teile, die über einen O-Ring hinausgehen, meist an die Rampe des Lagers gestellt und der Abholer belädt sein Fahrzeug selber.
AUch bei den Leichten ist man gefordert Wartung und Reparatur sind auch bei den leichten Nutzfahrzeugen gewährleistet, wie uns etwa Christian Frey, Mediensprecher Volkswagen Schweiz bei der Amag, bestätigt: «Alle unsere Partner stellen den Service und Unterhalt an den Fahrzeugen weiterhin sicher. In den Werkstätten wird gearbeitet, selbstverständlich unter Einhaltung der Vorgaben des BAG. Ausser im Tessin, wo andere behördliche Regelungen gelten. Dort gibt es ein Notfallkonzept.» Frey betont, dass Volkswagen Schweiz und die Amag auch in schwierigen Zeiten wie diesen ihren Partnern beistehen: «Wir helfen, indem wir die Anforderungen an Lagerbestände anpassen, gewisse Ziele aussetzen oder etwa Garantieanträge vereinfachen.» Ähnliche Hilfe komme auch von der Seite der Hersteller. Bemerkenswert sei, dass diese Krise die ganze Branche in die Digitalisierung katapultiere. «Das Automobilgeschäft wird digitaler und man arbeitet bereits daran, Kundenpräsentationen digital zu gestalten. Die Amag-eigenen Garagen haben – unabhängig von Corona – am 16. März ihr neues Online-Salesportal gestartet, das den Kunden einen Fullservice anbietet, wie etwa Onlinekauf mit Heimlieferung des Neuwagens.»
Ähnlich sieht es bei Ford Schweiz aus. Mediensprecher Dominic Rossier: «Ford bietet europaweit einen sogenannten ‹No Touch›-Service an. Er stellt sicher, dass Werkstattdienstleistungen gemäss speziellen Hygienevorschriften durchgeführt werden. Nach den Reparatur- und Wartungsarbeiten erfolgt ausserdem eine gründliche Desinfektion.» Ein Video-Check zählt ebenfalls zum Service. Damit wird Kunden ermöglicht, einzelne Arbeitsschritte zu sehen und auch kostenseitig freizugeben. Auf die Videoprüfung kann über jedes kompatible Gerät wie Smartphone, Tablet oder Computer zugegriffen werden.
Für seine Händler hat Ford ein Massnahmenpaket geschnürt, das vor allem die Zielvereinbarungen betrifft. «Für April und Mai stellen wir auf ‹Ziel erreicht›, um den Druck rauszunehmen», so Rossier. «Auch bei den Zahlungszielen kommen wir entgegen.» Zurzeit stehe fast jedes Unternehmen auf der Kostenbremse und habe Beschaffungen eingefroren. Aber wenn jemand dringend einen Lieferwagen brauche, könne der auch über eine Werkstatt mit ‹No Touch›-Service beschafft und ausgeliefert werden. «Ein zusätzliches Problem stellt die eigentliche Zulassung des Fahrzeugs bei einem der Strassenverkehrsämter dar, die ebenfalls nur noch eingeschränkt funktionieren. Der gewohnte Ablauf vom Kauf bis zur Strassenzulassung ist zwar nach wie vor möglich, braucht jedoch mehr Geduld und Zeit als sonst.»