Van Hool – wie weiter in Koningshooikt?

ENDE EINER ÄRA Zu viele Köche verderben den Brei, besagt ein altes Sprichwort. Das trifft auch auf den Konkurs des Busherstellers Van Hool zu, der nicht allein streikenden Arbeitenden, hohen Schulden, Corona, der Inflation oder unwilligen Banken zuzuschreiben ist, sondern auch Erbstreitigkeiten.

Der 8. April war ein bitterer Tag für die Mitarbeitenden im Van-Hool-Werk in Koningshooikt. Ein Grossteil von ihnen hat die Stelle verloren. Wie es weitergeht, ist auch heute noch nicht wirklich klar.
Der 8. April war ein bitterer Tag für die Mitarbeitenden im Van-Hool-Werk in Koningshooikt. Ein Grossteil von ihnen hat die Stelle verloren. Wie es weitergeht, ist auch heute noch nicht wirklich klar.

Am 8. April 2024 wurde die Insolvenz über Van Hool eröffnet und in einer ersten Stellungnahme liessen die Insolvenzverwalter verlauten, dass die Geschäfte von VDL (Busherstellung) und Schmitz Cargobull (Fahrzeug-/Anhängerbau) übernommen würden. Wie konnte es aber so weit kommen?

Geschichte

Firmengründer Bernard van Hool (1902–1974) war ein genialer Konstrukteur. Mechanik und Elektrotechnik waren seine Welt. Bereits in jungen Jahren entwickelte er eine Brutmaschine für Hühnereier und eine Maschine für die Diamantschleiferei. Nach 1945 hatte ganz Europa grossen Transportbedarf, denn Brücken, Strassen, Häfen – die gesamte Infrastruktur vieler Länder – mussten repariert oder neu aufgebaut werden. Auch in Belgien liessen die Alliierten zahlreiches Material zurück, darunter viele Nutzfahrzeuge. Bernard van Hool nutzte die Gelegenheit und passte die verschiedenen Trucks den jeweiligen Zwecken an. Mit dem «Trekvogel» (Zugvogel) entstand 1946 bereits sein erster Autobus.

Bernard Van Hool TIR transNews
Bernard van Hool hatte die Firma 1947 gegründet. Heute ist sie u.a. an Erbstreitigkeiten zerbrochen.

Bei der Firmengründung 1947 begann das Unternehmen mit 28 Mitarbeitenden, darunter sechs der acht Söhne. Van Hool war damals kein Busbauer, sondern eine Karossenschmiede, die auf Fahrgestelle verschiedener Marken aufbaute. Wie damals üblich, kamen zahlreiche amerikanische Chassis mit Motor auch nach Belgien und wurden vor Ort «karossiert». Die Konstrukteure nahmen fürs Design vor allem US-Fahrzeuge als Vorbild. Wenn der Absatz von PW- und Buskarossen stockte, füllte van Hool die Lücken mit industriellen Sonderfahrzeugen. Die damaligen belgischen Kolonien Belgisch-Kongo und Ruanda-Urundi waren praktisch Heimatmärkte, weshalb 1954 die ersten Fahrzeuge nach Léopoldville (heute Kinshasa, Demokrat. Rep. Kongo) verschifft wurden. Weitere Aktivitäten folgten in Nigeria, Angola, Tunesien und Algerien. Schon bald wurden auch die Niederlande mit erheblichen Stückzahlen zu einer Art Heimatmarkt.

1957 wurde mit Fiat ein Vertrag über die Lieferung von Motoren, Getrieben, Achsen und mechanischen Komponenten abgeschlossen, der den Weg vom Karosseriebetrieb zum vollwertigen Hersteller von selbsttragenden Bussen ebnete. Diese Fahrzeuge trugen den Markennamen Van Hool-Fiat. Als Bernard van Hool 1974 starb, hinterliess er seinen acht Söhnen und zwei Töchtern ein schwieriges Erbe, denn Söhne, Schwestern, Enkelkinder und Schwiegersöhne haben bis heute das Heu sprichwörtlich nicht auf der gleichen Bühne.

Tragische Familiensaga

Der Erblasser vermachte seinen Söhnen Jos, Dennis, Paul, Alfons, Leon, Marcel, Leopold und Herman das Van-Hool-Werk. Sie wurden dadurch zu Millionären. Die Töchter Ingrid und Simone mussten sich hingegen mit einigen Immobilien begnügen. Vater Bernard vertrat die damals noch typische Ansicht, dass Frauen nichts in einem Unternehmen zu suchen hätten. Der anschliessende Erbstreit spielt mittlerweile bis in die dritte Generation.

Wie bei Familienbetrieben üblich, hat das Verhalten der Nachkommen klare Auswirkungen: Wenn eine Familie der Firma dient, läuft es gut, wenn jedoch die Firma der Familie und den verschiedenen Einzelinteressen dienen muss, geht sie meist daran kaputt. Drei der acht Brüder liessen sich zwischenzeitlich auszahlen, haben also nichts mehr mit der Firma zu tun.

Trekvogel TIR transNews
Den ersten Bus hatte Bernard van Hool schon vor der Firmengründung gebaut: Trekvogel, 1946.

Die Van-Hool-Standortgemeinde Koningshooikt ist eine Teilgemeinde von Lier, liegt zwischen Antwerpen und Brüssel und hat rund 37’000 Einwohner. Koningshooikt ist Van Hool. Viele der Mitarbeitenden sind bereits in der dritten Generation bei der Firma tätig, sind eine grosse Familie, heiraten untereinander, feiern Fest miteinander, trauern gemeinsam. Bernard van Hool hat von der Stadt verschiedene Ehrungen empfangen, inklusive einer nach ihm benannte Strasse beim Werk. Das Ende von Van Hool kann jedoch nicht allein auf die Erbstreitigkeiten zurückgeführt werden, sondern auch auf Firmenentscheidungen. Während die Mitbewerber auf batterieelektrische Busse setzten, war Van Hool ein Wasserstoffverfechter, war damit aber zu früh für den Markt. Und als zuletzt Corona, hohe Energiekosten, weltweite Lieferprobleme und hohe Schulden hinzukamen, wurde das Ende unabwendbar. Bitter in diesen schwierigen Zeiten musste gewesen sein, dass «de Lijn», die flämische Busgesellschaft, in diesem Januar nicht bei Van Hool, sondern bei BYD aus China 94 Elektrobusse orderte.

Die Würfel für Van Hool sind (beinahe) gefallen

Für einen «Doorstart», einen Neustart, im Fahrzeugbau (Anhänger, Tankauflieger, Tankanhänger) haben sich die Konkursverwalter für die Firma GRW entschieden, einen südafrikanischen Fabrikanten von Tankaufliegern und Edelstahltanks. GRW ist Partner von Schmitz Cargobull, exportiert in 30 Länder, stellt mit 650 Arbeitnehmenden jährlich 1200 Tankauflieger her und besitzt in Toddin, 80 km östlich von Hamburg, bereits ein eigenes Werk. Der Neustart unter GRW war in Belgien bereits am 29. April 2024 erfolgt. In einer ersten Phase werden durch 50 Personen angefangene Aufträge abgearbeitet. In weiteren Schritten soll zeitnah der Personalbestand auf 350 Personen erhöht werden.

Van Hool T 2022 TIR transNews
Er hätte neue Zeichen im Busbau setzen sollen. Der Van Hool T wurde Ende 2022 vorgestellt.

Für den grösseren Teil des Kuchens, die Bus-Division, sind die Kuratoren mit VDL Bus & Coach Eindhoven im Gespräch. VDL – ein Familienbetrieb, der 1953 von Willem van der Leegte gegründet wurde – ist nicht nur im Busbau tätig, sondern in über 100 Geschäftsbereichen. In 19 Ländern betreibt VDL Werke und beschäftigt rund 16’000 Mitarbeitende in den Bereichen Hightech, Mobilität, Energie, Infrastruktur- und Lebensmitteltechnik. Im ehemaligen DAF-PW-Werk in Eindhoven produzierte VDL Nedcar u.a. für Volvo, Daimler-Chrysler, Mitsubishi und Mini. In welchem Umfang VDL den Bereich Bus übernehmen kann, war bei Redaktionsschluss Anfang Mai noch unklar. Klarheit wird erst möglich, wenn die «Mededingingsautoriteiten», die Kartellbehörden, ihre Zustimmung gegeben haben. Mit VDL-Van Hool entstünde der grösste Busfabrikant in Benelux, wenn nicht gar in Europa. Einzig der viel kleinere Hersteller Ebusco (Standort Deurne, NL) produziert neben VDL noch im Benelux-Raum Busse.

Vom Konkurs nicht betroffen ist das Van-Hool-Werk in Nordmazedonien, wo vor allem die Busse für Nordamerika produziert werden. Wie es hier weitergeht, ist noch nicht bekannt. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, was von der einst stolzen Marke wirklich übrig bleibt und wie viele Arbeitsplätze erhalten werden können.

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