6×4-Antrieb beim elektrischen Gelenkbus

ELEKTROMOBILITÄT Der schwedische Elektrobushersteller Hybricon präsentierte zusammen mit der ZF Friedrichs­hafen AG einen Elektrogelenkbus mit Antrieb auf beiden Hinterachsen. Bei schneebedeckten und eisigen Strassenverhältnissen erleichtert der 6×4-Gelenker ein Vorwärtskommen.

Gelenkbus HAW 18 LE 4 WD Hy­bricon TIR transNews
Der Gelenkbus HAW 18 LE 4 WD von Hy­bricon steht seit 2015 im Einsatz, wurde aber seither mit neues­ter ZF-Antriebstechnik mit Elektro-­Portalachsen ausgestattet. Hier ist der Erprobungsbus auf dem Testgelände im nordschwedischen Umeå unterwegs.

Nicht jede Stadt ist mit extremen Steigungen und Gefällen auf ihrem Liniennetz konfrontiert. Und dennoch sieht man in der Winterzeit immer wieder Bilder mit steckengebliebenen Gelenkbussen. Reine Elektrobusse mit Antrieb auf beiden Hinterachsen und erst noch im Winter – da bleibt manch ein Fahrzeugexperte skeptisch. Dass das System aber funk­tioniert, beweisen der schwedische Busbauer Hybricon und die Antriebsspezialisten von ZF aus Friedrichshafen. Nach einem Jahr im Regelbetrieb hat sich der «Härtetest» in der nordschwedischen Umgebung von Umeå bestens bewährt.

«Allradantrieb» für Gelenkbusse Wenn es mal eisig wird oder die Strasse mit Schnee bedeckt ist, kommt ein Gelenkbus schnell in Not. Wie diese Situation gemeistert werden kann, zeigt das Projekt in Schweden. ZF lud Bus TransNews zur Testfahrt auf der Slipanlage in Hörnefors nahe Umeå. Die Teststrecke bestand aus aperem Belag, einer schnee- und eisbedeckten Strecke bis zu Extremsteigung und Gefälle sowie einer Slipstrecke. Der zur Verfügung gestellte Gelenkbus HAW 18 LE 4WD war nicht neu; er hatte bereits einige Jahre auf dem Buckel.

Bereits 2015 stellte Hybricon ein Testfahrzeug mit einem Elektromotor in Betrieb. Schon bald musste festgestellt werden, dass die verbauten Elektromotoren den Anforderungen an das raue Klima nicht genügten. Dies war zugleich der Beginn der Zusammenarbeit mit ZF Friedrichshafen. Hybricon baute nun auf beiden Hinterachsen die Portal­achse AxTrax AVE ein. Jedes Rad verfügt jetzt über einen Asynchron-Elektromotor. Die vier Elektromotoren werden durch eine von Hybricon entwickelte Software angesteuert. Gekühlt werden die Motoren durch eine Kombination aus Wasser und Luft. Durch diese Antriebsvariante benötigt man weniger bewegliche Teile, was sich bei den Wartungskosten positiv auswirken wird.

Gelenkbus HAW 18 LE 4 WD Hy­bricon TIR transNews
Besonders beim Anfahren in der Steigung setzt sich der 4×4-Antrieb positiv in Szene.

Jeder einzelne Elektromotor stellt eine Dauerleistung von 125 kW zur Verfügung, mit je einem kurzzeitigen Spitzenwert von 250 kW. Somit ergibt sich eine stolze Gesamtleistung von 1000 kW. Das Drehmoment pro Achse beträgt dabei gegen 22 000 Nm. Damit die Beschleunigung für die Fahrgäste angenehm bleibt und die Räder nicht durchdrehen, drosselt die Software das Powerpaket.

Als Energiespeicher wurden dem Fahrzeug LTO-Batterien spendiert. Diese Batterien lassen sich schnell oder ultra­schnell laden, ein wesentlicher Vorteil gegenüber den herkömmlichen Batterien. Laut Hybricon sind diese Batterien auch robuster und nach zehn Jahren besitzen sie immer noch 80 Prozent ihrer Kapazität. Die Batteriepakete werden von Altarinano geliefert und funktionieren laut Hersteller auch bei extremen Temperaturen von minus 50 bis plus 65 Grad Celsius bestens. Auch Extremtemperaturen von gegen 240 Grad überstehen die Batterien laut Hersteller unbeschadet. Drei Minuten Ladezeit mit 630 kW und 750 V ermöglicht eine Stunde Fahrzeit. Ein Range Extender vermindert dabei unliebsame Überraschungen. Der Testbus wurde mit zwei Batteriepaketen mit jeweils 40 kWh ausgerüstet. Allerdings kann das Fahrzeug mit einem weiteren Batteriepaket ausgerüstet werden, sodass auf Wunsch bis zu 120 kWh zur Verfügung stehen.

Gelenkbus HAW 18 LE 4 WD Hy­bricon TIR transNews
Nach kurzer Instruktion gelingt das Anfahren in der Kurve und bei eisiger Unterlage dank der leistungs­fähigen Steuerungssoftware problemlos.

Kurze Fahrt auf dem Testgelände Wenn es eisig wird, die Strecke mit Schnee bedeckt ist und fast «null Haftung» auf der Slipstrecke geboten wird, gerät der Gelenkbusfahrer im Normalfall trotz Klimaanlage ins Schwitzen. Nicht so beim Hybricon-Gelenkbus. Das zur Verfügung gestellte «Allradfahrzeug», in Wahrheit ist dies ein 6×4, zeigte genau bei solchen Streckenverhältnissen seine Stärken. Bei Glatteis voll aufs Gaspedal zu drücken, und dies bei der immensen Power, ist kein Problem, die Software greift unmissverständlich ein und verhindert ein Durchdrehen der Räder. So folgt auch der «Hinterwagen» ohne Probleme dem Kommando des Fahrers. Auch das Anfahren am Berg meisterte das Fahrzeug mit diesem Antriebskonzept tadellos. Nur bei der Kurvenfahrt durch die Slipstrecke hilft der 4×4-Antrieb nicht viel. Bei zu rasanter Einfahrt folgen auch bei dieser Situation die Vorderräder nicht immer dem Kommando des Fahrers.

Ziehen wir Bilanz: Die Verbindung des erfahrenen «Winterbusherstellers» aus Schweden und des Antriebsspezialisten aus Friedrichshafen hat sich im einjährigen Einsatz rund um Umeå bewährt. Der Elektrogelenker hat seine Tauglichkeit im hohen Norden bei widrigsten Wetterverhältnissen bewiesen. Damit die Vorteile des Elektroantriebs aber richtig genutzt werden können, braucht es eine ergänzende Fahrerausbildung, damit ein effizienter und umweltfreundlicher Einsatz der Elektrobusse gewährleistet werden kann.

Gelenkbus HAW 18 LE 4 WD Hy­bricon TIR transNews
Die Elektroportalachse AVE 130 von ZF gelangt im Hybricon auf beiden hinteren Achsen zum Einsatz. Da jedes Rad einen separaten Antrieb besitzt, lässt sich eine ausgesprochen feine Ansteuerung und damit sichere Traktion umsetzen. Jeder Motor bietet eine Dauerleistung von 125 kW und von 11 000 Nm.
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