Bus 24 zählt heute 1000 E-Busse und sieht 2040 fossilfrei
VÖV-TAGUNG Die Bus-Sparte des Verbandes öffentlicher Verkehr führt alle zwei Jahre ihre Fachtagung mit Ausstellung und Fachreferaten mit breitem Themenspektrum durch – dieses Jahr erstmals in Thun. Gegen 400 Interessierte aus der Branche waren vor Ort.
Noch bevor die Tagung Bus 24 offiziell eröffnet war, wurden die akkreditierten Besucher auf einer ersten Besichtigungstour auch mit Mozartkugeln begrüsst. Die Stimmung in der «alten Reithalle» der Kaserne Thun war entsprechend gut, als Roman Stingelin, Präsident der Kommission Technik und Betrieb Bus (KTBB), die ersten Fachreferate mit den Worten eröffnete: «Früher appellierte ich an dieser Stelle, die Handys auszuschalten. Heute bitte ich alle, ihre Smartphones zu aktivieren, den QR-Code auf der Leinwand zu fotografieren und interaktiv mit den Moderatoren zu kommunizieren, das heisst Fragen zu stellen.»
Einleitend lobte VöV-Direktor Ueli Stückelberger die Mitglieder: «Ihr macht einen guten Job, denn er führt in die Zukunft. Während heute bereits 992 Elektro-Busse durch das Land fahren, sollen bis 2040 nur noch umweltfreundliche Antriebe im Einsatz sein.» Er begrüsste die Anschubfinanzierung durch den Bund, denn «sparen beim regionalen Personenverkehr wäre der falsche Weg».
Astra-Direktor an der Bus 24
Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamtes für Strassen (Astra), machte sich für mehr Erschliessungsqualität statt Taktsystem stark: «Mit einem Anteil von rund 2,5 Prozent am Strassennetz sind die Nationalstrassen der mit Abstand wichtigste Verkehrsträger. Denn sie bewältigen 43 Prozent des Personen- und 67 Prozent des schweren Güterverkehrs.»
Als die fünf wichtigsten Trends beim Verkehr ortete Röthlisberger das Wachstum, die Digitalisierung, die Entkarbonisierung, den Langsamverkehr sowie den öffentlichen Verkehr. «Das Parlament will mehr ÖV- und Langsamverkehrsträger. Und es möchte die Verkehrsträger neuen Mobilitätsformen zuordnen.» Dazu müssten die bestehenden Verkehrsflächen besser genutzt werden. «Es braucht zudem zusätzliche Schnellladestationen – und wollen wir mit der Verkehrszunahme Schritt halten, müssen etwa Pannenstreifen zu Verkehrsflächen umfunktioniert oder ein Spurausbau ins Auge gefasst werden.» Natürlich muss auch die Finanzierung dieser Projekte im Einklang stehen, was gemäss Röthlisberger zwingend einen Beitrag der Elektroautos an die Infrastruktur (analog dem Treibstoffzuschlag auf der Mineralölsteuer) voraussetzt.
On-Demand oder Ruf-Bus
Einem eigentlichen Nebenschauplatz des öffentlichen Verkehrs nahm sich Barbara Zollinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Verkehr (BAV), an: Bus auf Verlangen. Sie unterstrich dabei, dass derartige Lösungen mit demselben Bewilligungsverfahren (Bund/Kanton/Gemeinden) zu rechnen hätten, wie fahrplanmässige Buslinien. Es müssten auch hier Routen sowie Haltestellen (teilweise virtuell) und eine Betriebszeit definiert werden.
Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Wahl der Transportmittel, häufig könnten auch elektrische Minivans mit bis zu acht Passagierplätzen eingesetzt werden, vorausgesetzt sie erfüllen die Bedingungen für Behinderte. Auch Schülertransporte aus entlegenen Weilern/Tälern müssten eingerechnet werden. «Diese Mobilitätsform», erklärte Zollinger weiter, «gewinnt laufend an Wichtigkeit und ergänzt zunehmend den Linienbetrieb. Aus diesem Grund werden die Richtlinien für On-Demand-Angebote (Konzessionsgesuch) zurzeit überarbeitet und bis Anfang 2026 soll eine Vernehmlassung über deren Praktikabilität bei den Interessierten durchgeführt werden.»
Bus 24 zeigt Massanzug statt Massenware
Mit Spannung erwartet wurde das anschliessende Referat von Dr. Pia Stebler – sie führt eine Consultingfirma in Solothurn. Denn das öffentliche Beschaffungswesen ist kompliziert und betrifft nicht nur Linienbusse, sondern auch Züge, Trams, Liegenschaften und vieles mehr. Das 2021 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) ist sozusagen einem ständigen Revisionsprozess unterlegen.
«Die neuste Entwicklung bringt immer mehr Qualitäts- und Nachhaltigkeitsforderungen, weshalb mir der Paradigmenwechsel weg vom Preiswettbewerb hin zum Qualitätswettbewerb sowie die Aufnahme von Nachhaltigkeitskriterien zentral erscheint», erklärte sie abschliessend, «denn eine Harmonisierung ist ein gemeinsames Ziel.»
Energiespeicher der Zukunft
Eine Auslegeordnung der besonderen Art bot am zweiten Tag Christian Bach von der Empa in Dübendorf. Er stellte «All electric» der Technologieoffenheit gegenüber, indem er neuste Entwicklungen bei der Speicherung von Strom und die Gewinnung von synthetischen Energieträgern ins Feld führte. «Irgendwann wird es möglich sein, Strom für die Nacht zu bunkern für den nächsten Tag. Auch die Flottentransformation dürfte sich verändern, indem der Lastwagen geladen wird, während der Fahrer Pause macht. Das ist heute vielfach umgekehrt: Der Fahrer macht Pause, weil sein Gefährt geladen werden muss.»
Bach liess nicht unerwähnt, dass es mehr Sinn machen würde, den benötigten Strom im Sonnengürtel nahe dem Äquator zu produzieren, denn da ist doppelt soviel Potenzial vorhanden wie in unseren Regionen. Gespannt darf man auf die im Aufbau befindliche Lademöglichkeit der Empa warten, die es Elektrofahrzeugen erlauben soll, den Strom während der Fahrt zu laden. Vielleicht ähnlich jenen Schlaufen, welche in der Formel-E für zusätzlichen Schub genutzt werden.
Die nächste Bus-Fachtagung wird die Bus 26 sein, am 9. und 10. Juni 2026.