Die Kunst des öffentlichen Verkehrs

PERSONENVERKEHR Mit vielen spannenden Vorträgen und Diskussio­nen über die Zukunft des öffentlichen Verkehrs und einer attraktiven Messe mit verschiedensten Produkten animierte die Union Internationale des Transports Publics (UITP) ihre Mitglieder erfolgreich zur Teilnahme im Juni am Weltkongress 2019 in Stockholm.

UITP Stockholm Die Kunst des öffentlichen Verkehrs TIR transNews
Die Kunst des öffentlichen Verkehrs: Der in Stockholm durchgeführte Weltkongress der UITP konnte neue Rekorde bei den Besucherzahlen wie auch bei den Ausstellern verbuchen.

Unter dem Motto «Die Kunst des öffentlichen Verkehrs» wurde am UITP Global Public Transport Summit 2019 den Teilnehmern aufgezeigt, wie aufregend und positiv die Zeit für den öffentlichen Verkehr ist. Unter den 53 Fachreferaten und 300 Referenten fand jeder der 2718 gemeldeten Teilnehmer und 15’000 Besucher mit Einzeleintritten das Thema, das ihm gerade «unter den Nägeln brannte». Parallel zeigten 474 Aussteller aus 46 Ländern ihre Produkte zum öffentlichen Verkehr.

In der Abschlusszeremonie verteilte UITP-Generalsek­retär Mohamed Mezghani die Botschaften des Gipfels auf vier Hauptpfeiler: Partnerschaften, Orte, Aufführungen und Menschen. «In der ersten Säule, Partnerschaften, geht es darum, Kräfte für eine bessere Mobilität und einen verbesserten Service zu bündeln und die Vielfalt der Mobilitätsakteure zu betonen, die sich gemeinsam für die Vorteile des öffentlichen Verkehrs einsetzen. Die zweite Säule, Orte, bezieht sich auf die Überlegungen zu den Erwartungen der Menschen, dass der städtische Raum für Menschen und nicht für Fahrzeuge geschaffen werden sollte. In der dritten Säule, Leistungen, geht es darum, die Vorteile des öffentlichen Verkehrs zu fördern und gleichzeitig die Effizienz unserer gemeinsamen Anstrengungen zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in Bezug auf die Barrierefreiheit in den Städten zu verbessern. Die vierte und letzte Säule, Menschen, bezieht sich auf die neue, auf Menschen ausgerichtete Denkweise, an die sich unser Sektor anpassen muss, um die Menschen in den Mittelpunkt des öffentlichen Verkehrs zu rücken, wenn wir unsere Dienstleistungen neu definieren, um sie besser an ihre Bedürfnisse anzupassen.» Und weiter: «Ich persönlich bin stolz auf das, was die UITP zusammen mit unseren Mitgliedern für Stockholm 2019 geleistet hat, und freue mich auf die nächsten Schritte.»

ÖV in der Luft und zu Wasser
Zwei Schweizer Unternehmen zeigten an der Ausstellung, dass ein Gesamtkonzept nicht nur auf die Strasse, die in urbanen Gebieten sowieso permanent überlastet ist, ausgerichtet sein soll.

Die Flumser Firma Bartholet Maschinenbau AG schlug vor, dass der Luftweg als eine umweltfreundliche und stau­freie Variante das ÖV-Konzept bereichern kann. «Immer mehr Städte müssen sich mit grossen Verkehrsproblemen beschäftigen. Die Anforderungen an ein modernes Stadtmanagement sind jedoch gross: keine verstopften Strassen, kaum Lärm, wenig Luftverschmutzung, Integration in die bestehende Architektur und gleichzeitig sollen die Investitionen nicht gesprengt werden. Eine der Lösungen liegt in der Verlagerung des Verkehrs in die Luft.» So stellten die Flumser ihr Produkt vor.

Die Shiptec AG wurde 2012 als Tochtergesellschaft der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) AG gegründet. «Wir sind eine junge, dynamische Firma mit ­einer langen Tradition. Bereits seit 1931 werden bei uns Schiffe gebaut. Entsprechend gross ist der Erfahrungsschatz», ist in den Unterlagen der Luzerner Firma zu lesen. Auf der Messe wurde der Linienbetrieb auf dem Wasser vorgestellt. Eine solche fahrplanmässige Verbindung wurde kürzlich zwischen Luzern und der Schiffstation Kehrsiten/Bürgenstock eingerichtet. Betrieben wird diese Linie mit einem in Luzern gebauten Pendler-Katamaran. «In erster Priorität wurde der Pendler-Katamaran mit dem Ziel möglichst tiefer Betriebskosten entwickelt. Dies wurde mit einem hocheffizienten Schiffsdesign und einer optimalen Auslegung der Energie- und Antriebsanlage erreicht. Abhängig vom Fahrgebiet können über klassische Dieselantriebe bis hin zu vollständig elektrischem Antrieb verschiedene Konzepte realisiert werden. Dank einer von Grund auf modularen Konstruktion kann das Schiff innerhalb einer kurzen Projektdauer an einem beliebigen Standort gebaut und eingesetzt werden. Die Modularität ermöglicht weiter einen optimierten Produk­tionsprozess, wodurch die Investitionskosten tief bleiben», ist in den Unterlagen weiter zu lesen. Die Shiptec AG versteht sich als Vollanbieter im Bereich Schiffe, das heisst von der Herstellung bis hin zum Vollservice.

Zero Emission im Vordergrund
Die Umweltdebatte verschärft sich zusehends. Gerade beim ÖV hat sich die Industrie für die Zero-Emission-Vorgaben gerüstet. Dieselzüge der DB werden durch batteriebetriebene Nahverkehrszüge ersetzt. Bei den Linienbussen waren kaum mehr Fahrzeuge mit Dieselmotoren zu finden, Brennstoffzellen- und Batteriebusse beherrschten die Ausstellungsflächen an der UITP. Bei MAN stand die vollelektrische Version des neuen Stadtbusses MAN Lion’s City im Vordergrund. Als Antrieb kommt ein Zentralmotor an der Hinterachse zum Einsatz, im Gelenkbus sind es zwei Zentralmotoren an der zweiten und dritten Achse. Diese sind leichter zugänglich und weniger komplex aufgebaut als radnahe Motoren, was Vorteile bei der Wartung bringt. Gerade der Gelenkbus profitiert auch beim Fahrverhalten: Durch die zwei angetriebenen Achsen erhöht sich die Fahrstabilität (und damit die Sicherheit) sowie die maximale Energierückgewinnung beim Bremsen. Der vollelektrische Antriebsstrang leistet im Solobus 160 bis maximal 270 kW. Die Energie dafür kommt aus den modularen Batterien mit 480 (Solo) bzw. 640 kWh (Gelenkbus) Kapazität. Hierbei greift MAN auf die ausgereifte Batteriezelltechnologie aus dem Konzernbaukasten zurück. Das ausgeklügelte Temperaturmanagement sorgt für eine besonders gute Verfügbarkeit, unabhängig von der Jahreszeit. So kann der Lion’s City E zuverlässig die Reichweite von 200 km und bis zu 270 km unter günstigen Bedingungen über die gesamte Lebensdauer der Batterien sicherstellen. Geladen werden die Batterien im Depot per CCS-Stecker. Bei einer durchschnittlichen Ladeleistung von 100 kW erreicht dabei der Solobus bereits unter drei Stunden eine vollständige Ladung, der Gelenkbus in unter vier Stunden. Bei maximaler Ladeleistung von 150 kW verkürzt sich die Zeit entsprechend. Die europaweite Befragung von knapp 200 Kunden sowie die Rückmeldungen mehrerer Städte liessen MAN zu dem Schluss kommen, dass für den späteren Alltagsbetrieb ein flexibler und störungsfreier Einsatz ohne Zwischenladen wichtiger ist als uneingeschränkte Reichweite. Zumal sich die Batterietechnologie stetig weiterentwickelt.

Bei Mercedes-Benz stand der bereits mehrfach vorgestellte eCitaro im Scheinwerferlicht. Der chinesische Hersteller Alfabus will mit seinem ECity 12 über den norditalienischen Importeur Basco Bus den europäischen Markt auffrischen. Auch aus China stellt BYD – ein Vorreiter der Elektrobuswelle – seinen mit einem neuen Design versehenen 12-m-Bus in den Vordergrund. Aber auch bei Ebusco, Heuliez, Irizar, Kent, Otokar, Solaris, Temsa, VDL, Volvo etc. stand überall die E-Mobilität an erster Stelle. Einen Schritt weiter gehen i-Cristal, easy mile und ZF mit Studien zu kleinen, autonom fahrenden Zubringerfahrzeugen oder Scania mit ihrer Konzeptstudie für den öffentlichen Verkehr von morgen. Fast etwas in den Hintergrund verdrängt, wurden von einigen Herstellern Fahrzeuge mit der umweltfreund­lichen und streckenunabhängigen Brennstoffzellentechnologie vorgestellt.

Der altehrwürdige Dieselmotor scheint auf dem Liniennetz der Stadtbetriebe langsam, aber sicher seine Dominanz zu verlieren. Neue Batteriegenerationen werden diesen Trend noch verstärken. In den Schweizer Städten ist bekanntlich vielfach der Trolleybus das Mass der Dinge. Gerade da wird eine Kombination Trolley mit einem «Ausgangsrayon» abseits der Oberleitung zum Thema, eine kostengünstige Lösung ohne teure Oberleitungserweiterung. Wie sieht der strassengebundene ÖV der Zukunft aus? Neue Batterietechnologien erhöhen die Reichweite, autonom fahrende Kleinbusse stehen – im Moment noch mit Begleitpersonal – im täglichen Einsatz, die (teure) Brennstoffzelle ist noch längst nicht vom Tisch. Was sich in Zukunft durchsetzen wird, entscheidet schlussendlich der Kunde. Die Entwicklung des emissionsfreien Linienbusses ist weit ­vorangeschritten und wir dürfen gespannt darauf sein, was in nächster Zeit auf uns zukommt.

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