Hess Innovationsbus im Solothurner Verkehr

LINIENBUSSE Nach einem verkürzten Innovationsbus in Zürich, hat der Bushersteller Hess nun in der Region Solothurn einen Gelenkbus mit der Innovations-Technologie in Betrieb gesetzt. Er fährt im Linienbetrieb der BSU und soll zeigen, was die zuvor gemachten Simulationen in der Praxis taugen.

In diesem batterieelektrischen 18-m- Gelenkbus für die BSU bringt Hess zahlreiche Thermo-relevante Innovationen zur Anwendung.
In diesem batterieelektrischen 18-m- Gelenkbus für die BSU bringt Hess zahlreiche Thermo-relevante Innovationen zur Anwendung.

Für Alex Naef, CEO der Hess AG in Bellach, werden bis in zehn Jahren alle Linienbusse elektrifiziert sein. «Vor 100 Jahren war die Eisenbahn dran, heute ist der Bus an der Reihe», sagte Naef anlässlich des Roll-outs am 9. September vor dem Firmensitz, wo der neue Innovationsbus vorgestellt wurde. Und weil die Elektrifizierung deutlich an Fahrt aufgenommen hat, ist viel Platz für Innovationen vorhanden. «Bei diesem für uns wichtigen Projekt steht die Energieeffizienz im Fokus, mit dem Ziel, die Reichweite der E-Busse zu vergrössern.» Dabei betont Naef, dass Fahrzeuge heute ein System seien, sodass dieses ganze System in Angriff genommen werden müsse, um die Energieeffizienz an einem Ort zu erhöhen.

Also wurden eine neue Batteriezelle entwickelt und die Leistungselektronik angepasst. Daneben wurde aber vor allem die Fahrzeughülle optimiert. «Gut die Hälfte der Energie im Linienbus wird im Thermohaushalt verbraucht», erläutert Jan Wunderlich, Leiter Technik und Entwicklung bei Hess. Indem der Thermohaushalt – sprich Heizung, Kühlung – optimiert wird, soll dem Bus eine Reichweite von 350 Kilometern ermöglicht werden; jene Distanz also, die BSU-Busse heute täglich zurücklegen, die aber von batterieelektrischen Gelenkbussen bislang nicht ohne Zwischenladen abgedeckt werden konnte.

Ein doppelter Balg isoliert die Gelenkpartie gegen Wärmebrücken.
Ein doppelter Balg isoliert die Gelenkpartie gegen Wärmebrücken.

Rundum isoliert

Von aussen ist der Innovationsbus eigentlich nicht erkennbar: ein moderner Hess-Bus mit den typischen Designelementen. Mit diversen innovativen Massnahmen wird jedoch verhindert, dass sich Kältebrücken bilden können. So hat die Fensterfläche eine spezielle Doppelverglasung erhalten. Das ist umso wichtiger, denn je nach Busgrösse nehmen die Fenster eine Fläche von 200 bis 250 m² ein. Hess beschichtet das Glas und befüllt den Raum zwischen den Scheiben mit einem speziellen Gas. Im Boden wurde eine Isolationsmatte verbaut, die den Isolationswert einer Fassaden-Sagex-Platte von zehn Zentimetern aufweist. Auch den Gelenkbereich hat Hess zusätzlich isoliert und ihn mit einem Innen- und einem Aussenbalg versehen.

Infrarotkameras in der Kältekammer zeigen eine frappante Verbesserung, denn wo es früher dunkelrot leuchtete, sind beim Innovationsbus kaum Isolationsschwächen feststellbar. Mit weiteren Massnahmen versucht Hess die Wärmeregulierung zusätzlich auch für die Passagiere zu verbessern. Wie bei Eingängen zu Geschäften in der Stadt sind an den Bustüren Türluftschleier angebracht. Diese unterbinden bei offener Tür einen Austausch zwischen Innen- und Aussenluft. Und im hinteren Fahrzeugteil sind die Sitze in den Vierer-Abteilen mit Sitzheizungen ausgestattet. Diese werden über einen Drucksensor aktiviert, sobald sich ein Passagier hinsetzt.

Bei der beschichteten Doppelverglasung wird der Zwischenraum Gas-isoliert.
Bei der beschichteten Doppelverglasung wird der Zwischenraum Gas-isoliert.

Für die Erfrischung im Sommer setzt Hess eine CO₂-Kühlung mit Wärmepumpen ein. Die Zusatzheizung wird elektrisch betrieben, auf eine bei Mitbewerbern teilweise übliche Diesel-Heizung wird aus Umweltgründen verzichtet.

Effizienz steigern

«Es geht darum, dass wir jetzt Lösungen zur Hand haben und nicht einen Elfenbeinturm schaffen, der nichts taugt», meint Jan Wunderlich. Das bedeute, dass Vorhandenes effizient genutzt werde und vor allem, dass «nur das eingebaut wird, was auch benötigt wird». Bei der Batterie setzt Hess weiterhin auf die sogenannte NMC-Technologie. Bei der Nickel-Mangan-Kobalt-Zelle wurde der Nickelanteil erhöht, um eine höhere Energiedichte zu erhalten. «Wir haben die Zelle auf dem Prüfstand intensiv getestet, doch erst der Praxistest bei der BSU über die kommenden 18 Monate wird zeigen, ob sie wirklich für Einsatz und Reichweite passt», erläutert Wunderlich gegenüber TIR transNews.

Die Batterie mit der neuen Zelle ist die dritte Batteriegeneration von Hess. Im Innovationsbus sind sechs Packs à 103 kWh eingebaut, sodass knapp 620 kWh Gesamtkapazität zur Verfügung stehen. Beim 10,8 m langen Solobus, der bei der VBZ in Zürich eingesetzt wird, sind es lediglich fünf Packs und rund 510 kWh Gesamtkapazität.

Ein Türluftschleier isoliert bei geöffneten Türen; die Düsen werden künftig versenkt.
Ein Türluftschleier isoliert bei geöffneten Türen; die Düsen werden künftig versenkt.

Das Chassis basiert auf der Co-Bolt-Technik, jener speziellen, von Hess entwickelten Rahmenkonstruktion, die auch bei weltweit unzähligen Flughafen-Vorfeld-Bussen genutzt wird. Auf diesem Chassis wird die Aussenhaut aus verschiedenen Leichtbaumaterialien aufgebaut, wie GFK oder Leichtmetallen.

Der 18-Meter-Bus wiegt leer 21 Tonnen und bietet eine Nutzlast von neun Tonnen. Für optimalen Vortrieb auch bei Nässe, Schnee und in Steigungen sorgen die an zweiter und dritter Position montierten Antriebsachsen. Die Passagierkapazität beträgt 91 Steh- und 40 Sitzplätze.

Alex Naef, CEO Hess AG: «Die Innovation steht nicht still, auch nicht beim E-Bus.»
Alex Naef, CEO Hess AG: «Die Innovation steht nicht still, auch nicht beim E-Bus.»

Innovationsbus als rollendes Labor

Als wir zur Proberunde aufbrechen, wird rasch klar, dass Hess hier den E-Antrieb nicht revolutioniert, sondern Bewährtes durch zusätzliche Innovationen verbessert. Laufruhig, aber bei Bedarf mit Elan setzt sich der Gelenkbus in Bewegung und rollt E-Bus-typisch majestätisch dahin. Eine rasche Runde, bevor der Bus in den Dienst der Busbetriebe Solothurn und Umgebung (BSU) geht. «Nach der Simulation folgt jetzt die Praxiserprobung», betont Wunderlich und ergänzt auf direkte Nachfrage: «Wir erwarten eine Reichweite von 350 Kilometern zu schaffen.»

Mitentwickelt und in der Auswertung der Praxisdaten involviert sind die ETH Zürich und die Berner Fachhochschule. Die modular ausgelegte Architektur soll es künftig ermöglichen, dass die zahlreichen Innovationen bei verschiedenen Fahrzeuggrössen und Ladetechnologien verwendet werden können.

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