ÖV-Linie mit autonom fahrendem Bus bald Realität

SELBSTFAHRENDER BUS Im Saurer-Städtchen Arbon geht ein innovatives Linienbus-Projekt in eine neue Phase. Ziel ist ein selbstständig fahrender Citybus, der Bahnhof, Altstadt, Seepromenade und Neubauquartier verbindet. Wenn alles nach Plan läuft, startet der Pilotbetrieb im 2. Quartal 2025.

Mit spezieller Technologie von Adastec wird ein Karsan e-ATAK die Altstadt von Arbon autonom befahren.
Mit spezieller Technologie von Adastec wird ein Karsan e-ATAK die Altstadt von Arbon autonom befahren.

Innovation ist in Arbon am Bodensee auch Jahre nach dem Ende der Nutzfahrzeuge der AG Adolf Saurer grossgeschrieben, denn noch heute ist hier insbesondere die FPT Motorenforschung angesiedelt. Technisches Know-how und Innovation verbinden sich seit 1919 auch in der Technischen Gesellschaft Arbon TGA. Zum 100-Jahr-Jubiläum der TGA wurde mit Unterstützung verschiedener Partner eine Machbarkeitsstudie für einen fahrerlosen Altstadtbus gestartet. Das innovative Projekt heisst Self-Controlled City Liner SCCL und wurde seit 2019 von einem Projektteam unter Leitung von Hansueli Bruderer (TGA) vorangetrieben. Mit der Busbestellung Ende Juli 2024 rückt die Realisierung der autonom bedienten ÖV-Linie in greifbare Nähe.

Autonomes Fahren auf Level 4 macht Adastec möglich. Die US-Firma hat auch einen Standort in der Türkei. Das ist kein Zufall, denn die bisherigen Busprojekte hat Adastec mit dem türkischen Bushersteller Karsan realisiert. Auch für Arbon liefert Adastec die Technologie an Karsan, um sie in den «Autonomous e-ATAK» zu implementieren. Der rund 8,3 m lange Elektrobus verfügt über 20 Sitzplätze (Passagierkapazität bis 50 Pers.). Ähnliche frühere Projekte in Sion, Neuhausen am Rheinfall oder Bern hatten deutlich kleinere Fahrzeuge eingesetzt. Die rund 2,2 Kilometer lange Strecke, die auch durch die enge Arboner Altstadt führt, sieht acht Haltestellen vor.

Der Lidar vorn auf dem Dach ist nur einer von mehreren Sensoren, den Adastec für autonomes Fahren im e-ATAK nutzt.
Der Lidar vorn auf dem Dach ist nur einer von mehreren Sensoren, den Adastec für autonomes Fahren im e-ATAK nutzt.

Sicherheitsfahrer und Fernbedienung

Parallel zur Produktion des Busses, der zusammen mit der nötigen Infrastruktur gegen Ende Jahr in Arbon eintreffen soll, findet der anspruchsvolle Prozess der Ausnahmebewilligung des Uvek statt, welcher durch das Astra und das BAV vorbereitet wird. Der geplante Start des dreijährigen Pilotprojektes ist das 2. Quartal 2025. Während des ganzen Pilotprojektes wird stets der gesetzlich noch immer vorgeschriebene Sicherheitsfahrer im Bus mitfahren, um bei Schwierigkeiten eingreifen zu können.

Über sogenanntes Remote Reporting ist die Leitstelle stets über den Status des Fahrzeugs im Bilde. Zusätzlich kann die Leitstelle mit Remote Control auch ferngesteuert Hilfe leisten, wenn die Automatik des Fahrzeugs Unterstützung anfordert. In Arbon sollen die manuellen Eingriffe mit fortschreitendem Projekt immer weniger vom Sicherheitsfahrer und immer mehr fernbedient von der Leitstelle aus erfolgen. «Dieser Innovationsschritt ist nötig, damit in Zukunft kein Sicherheitsfahrer mehr verlangt wird und letztlich ein Leitstellenmitarbeiter mehr als einen automatisierten Bus betreuen kann», sagt Hansueli Bruderer. Zudem hofft Bruderer, dass die gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig ändern und das Pilotprojekt 2027 in einen regulären Linienbetrieb ohne Sicherheitsfahrer überführt werden kann. In Europa ist dieser Schritt zur Automation bislang einzigartig, denn beispielsweise in Stavanger (Norwegen), wo der erste Autonomous e-ATAK bereits verkehrt, wird die Thematik der Fernsteuerung nicht angewendet.

Das Ziel ist es, dass künftig manuelle Unterstützung im autonomen Bus nur noch von der Leitstelle via Remote Control erfolgt.
Das Ziel ist es, dass künftig manuelle Unterstützung im autonomen Bus nur noch von der Leitstelle via Remote Control erfolgt.

ÖV-Linie von Eurobus betrieben

Für die technische Umsetzung des Betriebes hat der TGA mit Eurobus Ostschweiz AG zusammengespannt. Eurobus unterhält den Bus, stellt die Sicherheitsfahrer und bedient auch die Leitstelle. Wegen der Sitzkapazität muss der Sicherheitsfahrer übrigens einen Bus-Ausweis D besitzen. Und sollte der e-ATAK einmal nicht betriebsbereit sein, bedient Eurobus die Strecke mit einem normalen Bus.

Durch Mittel aus der Privatisierung der Thurgauer Kantonalbank unterstützt der Kanton Thurgau das Projekt in Arbon, was die Grundfinanzierung sichert. Die Intensität des dreijährigen Pilotbetriebs hängt jedoch noch von der Restfinanzierung ab. Diese soll u.a. mit einem Sponsoringkonzept (z.B. Sponsoring der Sitze im Bus) sichergestellt werden.

Visited 69 times, 1 visit(s) today

Weitere Beiträge zum Thema