Setras Komfortklasse S 515 HD im Voralpentest

REISEBUSSE Nach verschiedenen Probefahrten mit der neuen Setra-Modelllinie geht es mit einem Hochdecker S 515 HD auf realitätsnahe Erprobung. Unsere Testroute führt vom Bodensee zum Schliersee und bestätigt die bekannt hohen Qualitäten des Setra. Aber es bleibt auch Potenzial für Verbesserung.

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Typische Ausflugsfahrt mit dem Hochdecker Setra S 515 HD, mit einem Hauch Bergstrecke vom Schliersee zum Spitzigsee.

Es ist eine etwas sonderbare Situation, auf die wir mit diesem praktisch voll besetzten Setra S 515 HD stossen: Eine grosse Stille empfängt uns, nur die zwei Begleiter aus dem Setra-Werk geben wohlgemut eine Einführung in die Besonderheiten des Fahrzeugs. Hinten sitzen schwarze Gestalten auf fast allen Sitzen, ordentlich festgeschnallt, aber nicht sonderlich gesprächig. Wir transportieren Puppen, mit Wasser gefüllt. Sie sollen bei dieser Testfahrt eine Reisegesellschaft simulieren und die Fahrt fahrdynamisch und antriebstechnisch realitätsnaher erscheinen lassen als mit einem leeren Car.

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Der Fahrerplatz ist übersichtlich und ergonomisch ausgelegt. Selbst bei Wind und Regen fährt es sich ruhig im Setra.

Ein Gefühl für den Setra S 515 HD

Der Start ist in Gottmadingen, unmittelbar auf der deutschen Seite des Grenzübergangs Thayngen bei Schaffhausen. Ausflugsverkehrtypisch geht es zuerst via Meersburg und Friedrichshafen dem Bodenseeufer entlang, dann über die Autobahn bis an den Stadtrand von München und weiter, über rund 50 Kilometer Landstrassen bis zum Ziel des ersten Tages am Schliersee. Die Fahrt unternehmen wir im Spätherbst 2023, beim bevorstehenden Feiertag Allerheiligen, entsprechend sind die Strassen rund um München bereits ab dem Nachmittag gut befahren, der Verkehr daher eher zähflüssig. Im dichten Kolonnenverkehr zieht es die Münchner an diesem sonnigen Tag aufs Land.

Auf der gesamthaft rund 330 Kilometer langen Fahrt besteht deshalb ausgiebig Gelegenheit, in den unterschiedlichsten Situationen ein Gefühl für den Car zu erlangen. Anders als beispielsweise bei Gössi handelt es sich allerdings nicht um ein Modell der luxuriösen TopClass, sondern «nur» um eines der ComfortClass. Das ändert für uns am Lenkrad wenig. Die Armaturen sind übersichtlich und sehr logisch angeordnet. So findet man sich schnell zurecht, selbst wenn man sonst nur selten einen Fahrauftrag mit einem Setra zu erfüllen hat.

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Stumme Gesellschaft: Die Puppen sind mit Wasser gefüllt und ergeben für den Car eine realitätsnahe Auslastung.

Wohnlich und sicher

Der 12,3 Meter lange, in dunklem Bayrischblau-Metallic lackierte S 515 HD bietet Platz für 44 Passagiere. Bordtoilette und die übliche Bordküche sind beide im Aufgang des zweiten Eingangs platziert. Auf den wenigen nicht von Wasserpuppen belegten Sitzen kann das gelungene Innendesign erkannt werden, das mit Grau, Weiss und blauem Muster mit roter Umrandung einen schönen Kontrast zum dunkelgrauen Boden und zu den hellgrauen Vorhängen bildet. Und: Die «Voyage»-Bestuhlung ist nicht nur optisch gelungen, sondern auch bequem.

Bei den Sicherheits- und Assistenzsystemen zählt Setra sicher zu den Branchenführern. Im zweiachsigen Hochdecker sind denn auch die neusten Systeme eingebaut, mit denen Setra klar über die neuen gesetzlichen Vorschriften hinausgeht. Mit teilweise optionalen Kameras lässt sich das Umfeld des Cars gut einsehen, was beim Manövrieren von Vorteil ist. Der Abbiegeassistent ist nicht nur im Stadtverkehr eine grosse Unterstützung, sondern auch beim Überholen auf der Autobahn. Präzise Lenkung und gute Spurführung sind weitere Stärken, mit denen Setra zu überzeugen weiss. Woran wir uns aber seit der ersten Fahrt nicht gewöhnen können, ist der aktive Spurhalteassistent dieser Fahrzeuggeneration. Vor allem auf Landstrassen stört er mit nervösen und übermässigen Lenkeingriffen, sodass wir auch jetzt wieder lieber darauf verzichtet haben. Zumindest an diesem Punkt sehen wir noch Entwicklungspotenzial beim Setra.

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Schnörkelloses, aber gefälliges Heck mit Setra-typischer Lichtsignatur.

Im Plan am zweiten Tag stehen kurvige und steile Streckenabschnitte. Es gilt, gut 300 Höhenmeter von Schliersee hoch zum Spitzigsee zu überwinden. Mit Berufserfahrung als Postauto-Chauffeuse im Bündner Oberland ist die Strecke keine besondere Herausforderung, umso mehr können wir uns am präzisen und einwandfreien Fahrverhalten des Setra auf Bergstrecken erfreuen. Einwandfreie Kurvenfahrt trotz voller Gewichtsauslastung und locker-kraftvoller Vorwärtsdrang des 10,7-Liter-Motors mit 456 PS ergeben eine mühelose Fahrt. Etwas träge reagiert hingegen die 8-Stufen-Automatik. Speziell am Berg wären raschere Gangwechsel wünschenswert. Ob dies allerdings auch im Sinn der Passagiere wäre, konnten wir unseren stummen Zeugen im Passagierraum jedoch nicht entlocken.

Knausern beim Verbrauch

Auf der Rückfahrt nach Gottmadingen setzt auf der Autobahn vor Ulm starker Dauerregen ein, begleitet von Windböen. Doch auch in diesen widrigen Verhältnissen wird das inzwischen aufgebaute Vertrauen in die Fähigkeiten des Setra nicht mehr erschüttert. Wir bringen ihn sicher und präzise bis an den Bodensee. Und nach knapp 700 Kilometer abwechslungsreicher Route kann der gediegene Reisecar auch beim Verbrauch punkten. Am Tag eins resultiert auf trockener Fahrbahn ein Durchschnittsverbrauch von 21,8 l/100 km. Tag zwei fällt nicht minder beeindruckend aus, trotz Bergfahrt, Wind und Regen registrieren wir 23,9 l/100 km.

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Das wohnliche Ambiente kommt bei Nacht und eingeschalteter Innenbeleuchtung besonders gut zur Geltung.

Und ja, es muss nicht immer TopClass sein, auch in der ComfortClass spielt Setra seine Busherstellertradition mit Bravour aus. Die Optik passt, Fahrverhalten und Sicherheitsausrüstung sind vorbildlich, der Verbrauch erstaunlich gering und Fahrerplatz wie Fahrgastraum lassen kaum Wünsche offen. Uns fallen dazu eigentlich nur die bereits erwähnten Verbesserungswünsche bei der Schaltgeschwindigkeit am Berg und beim aktiven Spurhalteassistenten ein. So ist die Setra-ComfortClass top.

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