Das selbstfahrende Auto wird es noch lange nicht geben

AUTONOMES FAHREN Völlig autonom fahrende Fahrzeuge, ohne Lenkrad und Pedalerie, wird es beim Individualverkehr kaum je geben. Auch für den Ausbildner und Fahrlehrer wird es in Zukunft ­einen Platz haben. Dies ist die Schlussfolgerung des 21. BFU-Forums zum Strassenverkehr.

Autonomes Fahren selbstfahrende Auto BFU-Tagung TIR transNews
Szenarien mit autonom fahrenden Vehikeln beginnen mit Projekten wie Volvo Vera Form anzunehmen. Was das selbstfahrende Auto für die Sicherheit und die Fahrerausbildung bedeutet, wurde an der BFU-Tagung Ende 2019 diskutiert.

«Gemäss unserem Auftrag soll alles versucht werden, die Unfälle mit Toten auf der Strasse bis in zehn Jahren zu halbieren.» Mit diesen Worten leitete Stefan Siegrist, Direktor der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU), das bis auf den letzten Platz ausgebuchte 21. BFU-Forum ein. Gegenüber den Teilnehmern aus Politik, von Fahrlehrerseite, Polizei und Fachleuten für Verkehr und Infrastruktur präzisiert er: «Dies wäre praktisch nur mit einer Harmonisierung des Verkehrs möglich. Bei Mischverkehr, an dem sich viele Fahrzeuge oh ne Assistenzsysteme die Strasse mit jenen teilen, die bereits fortgeschrittene Hilfen eingebaut haben, ist das überaus schwierig.» Damit spricht er die Tatsache an, dass es noch Jahrzehnte dauern dürfte, bis alle Fahrzeuge das gleiche Sicherheitsniveau erreichen. Siegrist präzisiert, dass daher nur eine weitergehende Ausbildung und Aufklärung der Autonutzer die Sicherheit erhöhen kann. Technisch werden auf den vielen schmalen Landstrassen ohne Kreuzungsmöglichkeit die Autos noch lange nur mit Zutun des Fahrers die Komplexität der Situation meistern können.

BFU-Forscher Markus Deublein betont, dass die BFU aktiv am Entwicklungspfad des Strassenverkehrs mitarbeite. Gemeinsam mit Organisationen wie TCS, ACS, Fahrlehrerverband, Behörden, Strassenverkehrsämtern und Polizei soll die Sicherheit auf der Strasse schrittweise erhöht werden. In den immer vernetzteren Fahrzeugen wird künftig eine Blackbox alle Parameter aufzeichnen, die bei einem Unfall relevante Auskunft zum Hergang geben können.

Deublein sieht eine Harmonisierung des Verkehrs auf bestimmten Strassen als denkbar. Etwa auf Autobahnen und -strassen oder im innerstädtischen Bereich. «Da wird die Geschwindigkeit vorgegeben und alle Fahrzeuge bewegen sich gleichmässig, denn einen Tempomaten mit Abstandsregelung, einen Notbremsassistenten, einen Spurhalte­assistenten sowie eine Kommunikation untereinander werden bis etwa in zehn Jahren bis auf ein paar ‹Oldtimer› alle Fahrzeuge aufweisen.» Weil die Abstände untereinander sehr klein gehalten werden könnten, würden mehr Fahrzeuge in der gleichen Zeit durchgeschleust, was Staus reduzieren und Unfälle praktisch ausschliessen würde.

Autonomes Fahren selbstfahrende Auto BFU-Tagung TIR transNews
Rund 180 Teilnehmer folgten aufmerksam den Ausführungen der Redner und der Podiumsdiskussion.

Haben Fahrlehrer bald ausgedient? Angst, dass der Fahrlehrerberuf verschwinden wird, hat Mike Fischer aus Deutschland nicht, und er ist überzeugt, dass innovative Fahrlehrer erfolgreich sein können. Fischer hat in seiner Thüringer Heimat in den letzten Jahren ein aussergewöhnliches Fahrausbildungszentrum geschaffen. In seiner Fahrschulakademie, wo jährlich über tausend Leute aus- und weitergebildet werden, ist die Schulung in eine Art Dorfgemeinschaft eingegliedert. Die Absolventen können im Hotel wohnen, sich vor Ort verpflegen und auch mal in der Fahrstunde einen Tesla fahren. Fischer: «Verglichen mit einem Menschenleben, steht das autonome Fahren im zweiten Schwangerschaftsmonat.» Es ist also nicht absehbar, wann sich die Ausbildung von der heutigen «Verzahnung» in die Vernetzung ändern werde. Selbst dann wird es unumgänglich sein, dass gut ausgebildete Instruktoren den Menschen neues Wissen vermitteln und diese auf neue Verkehrsaufgaben und -verantwortungen vorbereiten.

Was benötigen Autofahrer für eine Ausbildung in Bezug auf das automatisierte Fahren? Diese Frage diskutierten kontrovers auf dem Podium Jürg Röthlisberger, Direktor Astra; Christoph Jöhr, Leiter Verkehrsverhalten BFU; Nationalrat Thomas Hutter, Präsident ACS; Mike Fischer, Fahrschulunternehmer, sowie Michael Gehrken, Präsident des Schweizerischen Fahrlehrerverbandes. Röthlisberger erklärte, dass das Astra an den Grundlagen arbeite, damit teil­autonomes Fahren überhaupt erst zulässig werde. «Dabei steht immer die Sicherheit an erster Stelle.» Der Wunsch für eine obligatorische Ausbildung beim Kauf eines neuen Fahrzeuges stiess auf klaren Widerstand. Thomas Hutter: «Ältere, erfahrene Fahrer in der Schweiz werden nur schwer dazu zu bewegen sein, nochmals die Schulbank zu drücken.» Gegenteilig ist hier die Erfahrung, die Mike Fischer mit seinem Fahrschulunternehmen macht.

Da das völlig selbstfahrende Auto noch in weiter Ferne liegt, werden auch Fahrlehrer noch lange nicht ausgedient haben. Bis man dann die Hände in den Schoss legen kann, sind es die Fahrlehrer, die einem angehenden Lastwagenfahrer alle Tricks beibringen, damit er sein Gefährt auf einem verwinkelten Areal rückwärts an eine Rampe andocken kann, ohne Schaden anzurichten. Zwischenzeitlich wird man sich sukzessive an die Vernetzung der Autos untereinander gewöhnen. Und währenddessen werden rechtliche und versicherungstechnische Fragen geklärt werden und ein Heer von IT-Spezialisten wird die nötigen lernfähigen Programme schreiben, die schliesslich zur totalen Sicherheit führen werden. Wir werden sehen.

Visited 20 times, 1 visit(s) today

Weitere Beiträge zum Thema