Clevertrailer: Saubere Alternative für das Stromaggregat
CO2-REDUKTION In Form eines speziellen Solaranhängers hat Clevertrailer aus Lyss eine leistungsfähige, mobile Stromversorgung entwickelt. Sie kann herkömmliche, CO2-belastende Stromaggregate ersetzen, wie sie in Werkhöfen, auf Baustellen, an Events oder in Alphütten eingesetzt werden.

Mobile Stromlösungen sind bei Hans Grünig, dem Gründer von Clevertrailer, nicht erst in diesen Tagen ein Thema. Die im Berner Seeland domizilierte Firma, die sich 2001 auf Anhänger zur Erhöhung der Transportkapazität von Kleinwagen à la Smart zu spezialisieren begann, hatte bereits im Jahr 2012 den Prototypen eines Entpannungsanhängers für Elektromobile entwickelt, der von einem deutschen Automobilhersteller im Vorfeld der Lancierung eigener Elektromobile in Auftrag gegeben worden war. Am diesjährigen Autosalon zeigte Clevertrailer in Genf mit dem TCS eCharge eine ähnliche, weiterentwickelte Idee in Form eines Batterie-Ladeanhängers für TCS-Patrouilleure.
Multifunktional
Mit dem neuen Solartrailer geht Hans Grünig neue Wege in Sachen mobile Energie. Die Idee ist ein Multifunktionsanhänger, der vielfach genutzt werden kann und in seiner Grundauslegung modular und skalierbar ist. Wind- und Solarenergie speisen eine einsatzspezifisch dimensionierte Batterie, aus welcher der anfallende Strombedarf abgedeckt wird. Mögliche Einsatzorte sind überall dort, wo keine Stromleitung hinführt und wo bislang Benzin- oder Dieselaggregate den Strombedarf abdeckten. Das kann bei mobiler Gastronomie der Fall sein, bei Grossevents, auf Baustellen, in der Landschaftspflege oder überhaupt an abgelegenen Orten. Meist sind das Situationen, wie sie auch ein Werkhof regelmässig antrifft.

Im Ersteinsatz ist das neue Clevertrailer-System auf der auf knapp 1400 m ü.M. gelegenen Alp «Oschoubi» im nördlichen Gantrischgebiet. Wie viele andere Alphüttenbetreiber stand die Familie Stöckli vor dem Problem, dass die Swisscom seit Anfang 2018 sukzessive die analoge Telefonie ausschaltet. Doch für Reservationen des während der Saison beliebten Gastroangebots ist auf der Alp Oschoubi das Telefon unerlässlich. Anders als das analoge Telefon benötigt die moderne Technik jedoch eine Stromversorgung, um zu funktionieren, weshalb sich die Stöcklis nach einer Stromlösung umsehen mussten. Und da die Alp lediglich während vier bis fünf Monaten im Jahr benutzt wird, entschied man sich gegen eine Festinstallation und für die mobile Energie von Clevertrailer.
Für die Telefonproblematik allein ist Grünigs Solartrailer mit 3-kW-Aus-/Eingang in der vorliegenden Form natürlich überdimensioniert. Die Batterie mit 12 kWh Kapazität kann ein Einfamilienhaus während rund zwei Tagen mit Strom versorgen und die drei Solarpanels und das Windrad sorgen für den nötigen Dauernachschub in den Stromspeicher (LiFePO4). So wurden jetzt die Kühlschränke und der Tiefkühler von Gas- auf 220-Volt-Strombetrieb umgeschaltet. Zudem werden das Licht, die Gastrogeräte und die Melkmaschinen nicht mehr durch das bisher benutzte Benzinaggregat versorgt, sondern ebenfalls mit 220 Volt aus dem Solaranhänger. Dadurch spart man auf der Alp jährlich bis zu 2000 Franken ein, die bisher fürs Benzin des Stromaggregats nötig waren, sowie Dutzende Kilogramm Gas, mit denen die Kühlschränke betrieben wurden.
Nach der Saison wird der Anhänger übrigens ins Tal gebracht und dort ebenfalls als autarke Stromquelle genutzt oder aber ans Netz zur eigenen Energieversorgung angeschlossen (bidirektional). Eine Rückspeisung bis 600 Watt ist dabei ohne Bewilligung möglich, erst höhere Leistungen bedürfen einer zusätzlichen Abklärung. Das wäre beispielsweise für einen Werkhof interessant, weil mit dem Trailer die eigene Stromproduktion gefördert wird und die Gemeindearbeiter dann CO2-frei und leise im Einzugsgebiet Strom für Arbeiten oder für die Beleuchtung bei Nachteinsätzen zur Verfügung haben.

Nutzen und Kosten
Der Vorteil der aussen am Anhänger angebrachten Solaranlage ist, dass auch bei der Anreise an den Einsatzort bereits Energie getankt wird. Die seitlichen Panels besitzen übrigens bifaciale Zellen, die also auch reflektiertes Sonnenlicht auf der Rückseite des Panels nutzen. Erste Messungen auf der Alp zeigen, dass dadurch ein etwa 20 Prozent höherer Ertrag resultiert. Dazu werden die Panels vor Ort hochgeklappt. Bei entsprechender Nord-Süd-Ausrichtung der Deichsel ist mit den drei Panels eine über den Tag gleichmässig hohe Stromabgabe möglich, indem die seitlichen Zellen die Morgen- respektive die Abendsonne besser nutzen. Die Messung vor Ort im Juli zeigt, dass bei entsprechender Sonnenscheindauer das Niveau der Stromgewinnung praktisch während 12 Stunden gehalten wird.
Der Solaranhänger ist übrigens von Energie Schweiz mitgetragen und war auch Gegenstand einer Bachelor-Thesis an der Berner Fachhochschule in Biel. «Preislich liegt die Technik auf gleichem Niveau wie bei einer Festinstallation», erklärt Hans Grünig. Dazu käme lediglich der entsprechende Anhänger. Je nach Bauart liesse sich der Anhänger auch als Kühltrailer nutzen. Er mahnt zur Vorsicht bei der Berechnungsgrundlage der kWh-Preise. «Im Normalfall rechnet man im Mittelland mit 25 Rappen pro kWh. Auf der Alp oder auf Baustellen kostet die kWh aber etwa das Sechsfache wegen Anfahrtsweg und Treibstoff für die Erzeugung.» Das mache die Stromerzeugung mit einem Solaranhänger durchaus konkurrenzfähig.

Die Grösse des Trailers wird übrigens durch die Leistung der Solarpanels und deren dazu benötigten Fläche vorgegeben. Hier sind viele Spielarten bezüglich Panelgrösse und Batterie möglich, ganz abhängig vom gewünschten Resultat. Der Blick ins Innere des Trailers zeigt das Potenzial der Einsatzvielfalt. Mit einem fahrbereiten Leergewicht von 1950 kg (inkl. Energiesystem) verbleibt eine Nutzlast von 1550 kg, die beispielsweise für Werkzeug, Bau- und Baustellenmaterial oder für ein Feldbüro genutzt werden kann.
Auf der Alp Oschoubi wird übrigens das bisherige Benzinaggregat als Back-up weiter genutzt, um einen etwaigen Systemausfall oder lange Schlechtwetterphasen überbrücken zu können. Doch Grünig wäre nicht Grünig, wenn er nicht an einer Lösung arbeiten würde, die auch im Back-up leise und sauber wäre. «Meine Vision ist ein Back-up mit einer Brennstoffzelle», lässt er sich in die Karten blicken.
