Mit der Häny AG energieeffizienter werden
ENERGIE 43 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs entfällt auf Pumpen, Ventilatoren und Antriebe. Entsprechend gross ist das Potenzial, diesen Verbrauch zu reduzieren. Besonders attraktiv ist das Potenzial für Effizienzgewinne bei kommunalen Kläranlagen und Wasserversorgungen.
Eine Kläranlage fährt keinen standardisierten Prozess, denn je nach Eintrag muss die Behandlung des Abwassers flexibel angepasst werden, wie Stefan Russer betont. Jahrelang überwachte der Leiter Abfall, Abwasser und Wärme der Gemeindewerke Pfäffikon ZH die ARA, welche die Abwässer der 17500 Einwohner der Gemeinden Pfäffikon und Hittnau entsorgt. Doch die Ammonium-gesteuerte Belüftung des Systems befriedigte nicht. «Wir mussten feststellen, dass wir zeitweise bis zu fünfzig Prozent zu viel Sauerstoff einbliesen, mit entsprechend hohem Energieaufwand.» Dazu kam, dass die teuren Ammoniumsonden schnell verschlissen und alle sechs Monate ersetzt werden mussten. Auch die Membrane waren stark belastet und brauchten eine regelmässige Wartung oder gar Ersatz. In enger Zusammenarbeit mit der Firma Rittmeyer AG in Baar und der Eawag wechselte Russer auf pH-Wert-Sonden, welche die Sauerstoffzufuhr über einen Algorithmus regeln. Dank eines neuen Prozessleitsystems werden die verschiedenen Daten zentral zusammengeführt und optisch gut nachvollziehbar aufbereitet. «Heute ist die Sauerstoffdosierung viel genauer als früher, zudem sind die pH-Sonden sehr robust.» Nicht nur betrieblich überzeugt der Systemwechsel, sondern auch finanziell. Im ersten, noch vorsichtig gerechneten Jahr mit neuer Technik spart die ARA 25000 Kilowattstunden Strom und damit Kosten von 3750 Franken. Der tiefere Wartungsaufwand und die längere Lebensdauer der Sonden führen zu weiteren Einsparungen in der Höhe von jährlich 8300 Franken. Quasi als Sahnehaube gelang es schliesslich, via den Verein Infrawatt eine Fördereingabe ans BFE zu lancieren, was zu einem einmaligen Förderbeitrag von 6500 Franken für die Effizienzmassnahme führte. Russers Rechnung: «Bei Investitionen von 75’000 Franken kommt der Payback in ungefähr fünf Jahren, ab dann profitieren wir Jahr für Jahr.»
ARA wird zum Stromerzeuger
Das Beispiel Pfäffikon zeigt anschaulich, welches Sparpotenzial in der Trinkwasser- und Abwasseraufbereitung steckt. Diskutiert wurde das Thema an einer Wasserfachtagung, zu der die auf Pumpen und Turbinen spezialisierte Häny AG Ende September nach Jona SG geladen hatte. Dabei geht es nebst dem Sparen von Geld vor allem um die effizientere Nutzung von Wärme und Strom, wie Richard Phillips deutlich machte. Der Projektleiter beim Bundesamt für Energie rechnete vor, dass elektrische Antriebe hierzulande für 43 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich sind. «Umso wichtiger ist es, zumindest einen Teil des geschätzten Sparpotenzials von 25 Prozent zu ernten.» Neben effizienteren Motoren hob Phillips die richtige Dimensionierung, die Verbesserung des Wirkungsgrads sowie die Betriebs- und Prozessoptimierung hervor. Über die reine Verbrauchssenkung hinaus sollten die Betreiber ihre Abwasserreinigungsanlagen (ARA) und Wasserversorgung (WV) gegebenenfalls auch zur Energieerzeugung nutzen. Möglich ist dabei neben der weit verbreiteten Biogasproduktion und der Nutzung der Abwasserabwärme auch die Überdeckung der Klärbecken mit Fotovoltaik, eine Nischentechnologie, der sich die Firma dhp Technology in Grüsch GR verschrieben hat. Um die Branche zum Mitmachen zu motivieren, lockte Phillips mit Zuschüssen aus den Fördertöpfen des Bundesamts für Energie, die von 42 Millionen Franken 2015 auf mittelfristig 50 Millionen Franken pro Jahr aufgestockt werden. «Bisher haben wir bei den Elektroantrieben erst wenige Prozent des Effizienzpotenzials realisiert, es braucht mehr», forderte der Bundesvertreter.
«Energieautarkie mittelfristig möglich»
Wer als Betreiber einer kommunalen Infrastruktur auf Unterstützungsgelder für innovative Energielösungen aspiriert, läuft schnell einmal Gefahr, im Dschungel der Subventionen von Bund, Kantonen, Städten und manchmal sogar Gemeinden die Übersicht zu verlieren oder Eingabetermine zu verpassen. Wichtig ist insbesondere, dass Gesuche immer vor dem Spatenstich eines Projekts eingereicht werden müssen. Kompetente Beratung punkto Fördermöglichkeiten leistet der Verein Infrawatt, der in enger Zusammenarbeit mit Energie Schweiz und den einschlägigen Branchen verbänden die passenden Programme evaluiert und sogar bei der Eingabe behilflich ist. Mit der alle fünf Jahre vergebenen «Médaille d’eau» zeichnet Infrawatt zudem besonders energiesparende Kläranlagen aus. Überdies wurden Ende September mit AIL (Lugano), Brissago und Gambarogno erstmals drei Gemeinden mit dem Prädikat «Energieeffiziente Wasserversorgung» für ihre energieeffiziente Trinkwasserversorgung prämiert. Die kommunale Infrastruktur im Bereich Wasser, Abwasser und Kehrichtverbrennung ist mit einem Wiederbeschaffungswert von 760 Milliarden Franken und jährlichen Investitionen von 10 Milliarden Franken beträchtlich. Gerade im Rahmen dieser Werterhalt- und Erneuerungsinvestitionen lässt sich die Energieeffizienz ohne viel Aufwand verbessern. Infrawatt-Geschäftsführer Ernst Müller verwies auf eine Untersuchung von zwölf Wasserversorgungen, die ein Einsparpotenzial von 15 bis 40 Prozent zutage förderte. Rechnet man eine durchschnittliche Stromproduktion durch Trinkwasserturbinierung von 20 Prozent des Eigenbedarfs dazu, wird definitiv klar, wie eindrücklich das Effizienzpotenzial ist.
Fördergelder verkürzen Payback-Zeit
Mittelfristig sei es möglich, Wasserversorgung (WV) und ARA im Jahresmittel energieautark zu betreiben, gab sich Müller zuversichtlich und verwies auf das Beispiel der ARA Hamburg. Mit dem Projekt www.regelpooling.ch treibt Müller die Nutzung von ARA und WV als Energiedrehscheiben noch weiter: Billige Überschussenergie aus neuen erneuerbaren Energien könnte es ermöglichen, die ARA-eigenen Blockheiz- Kraftwerke kurzfristig abzustellen, wobei ein Verbund mehrerer ARA das System stabilisieren würde. Derzeit wird mit je einer ARA und WV experimentiert. Bis Ende 2016 soll der Pilotversuch mit fünf bis zehn ARA und WV startklar sein. Bei den WV wiederum ist die Schweiz in Sachen Trinkwasserturbinierung Pionierin: Heute arbeiten 179 solche Anlagen in der Schweiz; sie kamen bei der Erstellung in den Genuss von 19 Millionen Franken Fördergeldern; eine Mehrheit der dabei verwendeten Anlagen stammt übrigens von der Firma Häny, der Gastgeberin der Tagung. Dass man nicht einzelne Geräte optimieren soll, sondern mit Vorteil ganze Prozesse auf Effizienz trimmt, machte François Bauer vom Ingenieurbüro Planair in La Sagne NE deutlich. Er zeigte auch die Unterschiede zwischen gesetzlich notwendigen und freiwilligen Massnahmen auf – wobei nur freiwillige Einsparungen in den Genuss von Fördergeldern kommen: «Als wirtschaftlich tragbar und damit vom Gesetzgeber vorgeschrieben gelten alle Prozessoptimierungen, die bereits nach vier Jahren rentieren, sowie Investitionen in die Infrastruktur, die eine Payback-Frist von acht Jahren haben.»
ARA könnten Verbrauch halbieren
Wer die Potenziale seiner Anlage beziffern will, ist auf eine Energieanalyse angewiesen. Am Beispiel von Kläranlagen rechnete Gian Andri Levy von der Holinger AG in Baden AG vor, wie gross bei diesen Anlagen die Einsparmöglichkeiten in Sachen Strom sind. Basis sind die 450 Gigawattstunden (GWh), die diese Branche in der Schweiz heute jährlich bezieht. Davon könnten 100 GW eingespart werden. Allerdings sei die Einführung der vierten Klärstufe gegen Mikroverunreinigungen beschlossene Sache, was vor allem aufgrund der energieintensiven Ozonierung zu einem Jahresmehrverbrauch von 60 GWh führe. Die Energieproduktion der Kläranlagen lasse sich fast verdoppeln – von heute 116 GWh auf weitere 223 GWh. Netto berechnete der Ingenieur somit ein theoretisches Sparpotenzial beim Fremdstrombezug von 43 Prozent. Der einmalige Aufwand eines Expertengutachtens in der Höhe von 15000 bis 20000 Franken pro ARA lohne sich angesichts dieser Einsparungen alleweil, so Levy. Denn dieses untersuche auch Leckagen bei Druckluft und Brauchwasser sowie Gasverluste und identifiziere Möglichkeiten zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe, was dem Klärwärter die Arbeit erleichtere. Bei Neubeschaffung Bedarf klären Was ein Pumpenhersteller tun kann, um den Versorgern und Entsorgern den Weg zu mehr Energieeffizienz zu ebnen, zeigte Reto Baumann von der Häny AG am Beispiel der Kreiselpumpen auf. Aufgrund des internationalen Preisdrucks geht der Trend in Richtung dünnere Wandstärken und schnellerlaufende Maschinen, was allerdings den Wartungsaufwand erhöhe. Bei den Pumpenantrieben wiederum werde zudem deutlich weniger Kupfer verbaut, was die Lebensdauer verkürze. «Wenn wir eine 30-jährige Pumpe revidieren, läuft sie nochmals 20 Jahre. Eine Billigpumpe, wie sie heute verbaut wird, läuft insgesamt vielleicht zehn Jahre – eine Revision rentiert dann kaum noch.» Statt bei einer Ersatzbeschaffung einfach ein neues Modell mit denselben Kennziffern zu bestellen, lohne es sich, die erwartete Leistung und damit die Spezifikation kritisch zu hinterfragen. Bei Häny wurde dazu ein Pumpencheck entwickelt, der unter anderem folgende Punkte abklärt:
- Wirkungsgrad von Pumpe und Motor
- Aufstellungsart (horizontal oder vertikal)
- Drehzahl (je tiefer, desto besser)
- Verwendete Materialien
- Art der Lagerung und Lagergrösse
- Wellendurchmesser
- Bei Abwasserpumpen: Laufradform und freier Kugeldurchgang
- Gewicht der Pumpen (je höher, desto besser)
Dass eine solche Abklärung noch keineswegs üblich ist, zeigt die Einschätzung verschiedener Experten, wonach 75 bis 80 Prozent der heute installierten Pumpen falsch dimensioniert oder anderweitig nicht optimal sind. Eine erschreckende Zahl – die verdeutlicht, wie viel Energiesparpotenzial in diesem Bereich noch brachliegt.