Phosphor aus Klärschlamm soll wieder zu Dünger werden

Seit zehn Jahren wird Klärschlamm verbrannt statt in der Landwirtschaft genutzt. Nun sucht die Entsorgungsbranche nach Möglichkeiten, den darin enthaltenen, wertvollen Phosphor zurückzugewinnen. Technisch ist der Prozess machbar, allerdings bleibt unklar, wer die Mehrkosten berappen soll, wie eine Fachtagung Anfang September aufzeigte.

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In diesem Pilotanlagenzentrum des Generalunternehmers Técnicas Reunidas in Madrid startet derzeit ein Pilotversuch im Auftrag des Awel, um aus Klärschlammasche Phosphorsäure herzustellen. (Foto: José Lladó Technology Centre, Técnicas Reunidas, S.A, Madrid)
Mist und Gülle werden auf Felder und Wiesen ausgebracht und bringen so dem Boden Nährstoffe zurück. Was in der Landwirtschaft selbstverständlich ist, ging punkto Klärschlamm hierzulande im Jahre 2006 zu Ende. Damals stoppte der Bundesrat das Ausbringen von Klärschlamm als landwirtschaftlichen Dünger. Grund war die Rinderseuche BSE und die Angst, dass die Prionen des tierischen Organismus via Nahrungskette in die menschliche Nahrung gelangen könnten. Seither wird der Klärschlamm mit einer Trockensubstanz von jährlich 200 000 Tonnen verbrannt, zur Hälfte in speziellen Schlammverbrennungsöfen und zu je einem Viertel in Zementwerken und in Kehrichtverbrennungsanlagen.Umsetzung bis 2026 ist Pflicht Für Gemeinden und Abwasserverbände erhöhten sich mit der Verbrennungspflicht die Kosten. Die Landwirte ihrerseits mussten auf einen attrak­tiven Dünger verzichten. Besonders die im Klärschlamm enthaltenen Phosphor und Stickstoff waren geschätzt worden und mussten durch importierten Kunstdünger ersetzt werden. Was bis 2006 schon für Klärschlamm galt, stellt auch für synthetischen Dünger ein Handicap dar: Er weist zu hohe Rückstände an Schwermetallen wie Uran und Kadmium auf, die sich in den Böden akkumulieren.Gleich mehrere Probleme auf einen Schlag lösen will nun das Projekt «Phosphor-Mining», das beim Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung» (ZAR) angesiedelt ist (vgl. Kasten). Zwar soll Klärschlamm weiterhin verbrannt werden, umso mehr, als in den letzten Jahren auch die Belastung des Klärschlamms mit schwer abbau­baren organischen Verbindungen, die aus Kosmetika und Arzneimitteln stammen, als heikel erkannt worden ist. Aber statt die Klärschlammasche anschliessend einfach zu de­ponieren, soll der Phosphor abgetrennt werden. Immerhin sechs Prozent der verbleibenden 100 000 Tonnen Klär­schlamm­asche entfällt auf das Element P. Druck kommt von Gesetzes wegen: Der Bundesrat hat mit der revidierten Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (VVEA) verfügt, dass ab 2026 Phosphor aus Klärschlamm ausgeschleust und stofflich verwertet werden muss.Kanton Zürich als Vorreiter Welcher Weg zu diesem Ziel führt, ist allerdings umstritten. Der Kanton Zürich, der zusammen mit dem ZAR Anfang September zu einer Fachtagung lud, hatte sich schon 2007 für eine Zentralisierung der Klärschlammentsorgung entschieden, was eine anschlies­sende Phophor-Rückgewinnung vereinfacht. Seither wurden nicht weniger als 29 Verfahren zur Phosphorrückgewinnung beurteilt und bewertet. Fazit: Am effizientesten ist es, wenn man Phosphor aus der Klärschlammasche rezykliert, wobei die Verbrennung möglichst zentralisiert wird. Mit der im Kanton Zürich inzwischen eingeführten zentralen Monoverbrennung wird einerseits reine Klärschlammasche gewonnen, die sich vorläufig in separaten Deponiekompartimenten ablagern lässt. Andererseits konnten die Kosten für die Klärschlammentsorgung durch diese Zentralisierung mehr als halbiert werden.Volatiler Phosphormarkt Anspruchsvoll ist nun allerdings die Aufgabe, Phosphat nicht nur aus der Asche zu isolieren, sondern daraus marktgängige Produkte zu entwickeln, erzählte Stefan Schlumberger, Leiter des ZAR-Kompetenzzentrums Hydrometallurgie und zuständig fürs Phosphormining. Der Chemiker berichtete vom ersten Versuch, einen Dünger zu entwickeln. Tatsächlich schaffte man es unter dem Produktnamen LeachPhos, 40 Tonnen reinen Phosphor zu isolieren – «39 Tonnen davon liegen immer noch bei uns an Lager», räumte Schlumberger selbstkritisch ein. Technisch habe die Isolierung funktioniert, seit 2012 führt das ZAR zudem in Kooperation mit der ETH-Zürich und Agroscope Pflanzenversuche durch, die aufzeigten, dass das Ergebnis des Recyclingdüngers überzeuge. Allerdings könne man den Phosphor nicht direkt an die Landwirte verkaufen. Der Stoff müsse vielmehr konfektioniert und allenfalls mit anderen Zusätzen gemischt werden – was je länger je unrealistischer ist (vgl. Kasten.). Der Trend in der globalen Düngerindustrie gehe zudem zu einer Verlagerung der Produktion in die Nähe der Abbaugebiete. Nicht zuletzt, weil dort die Umwelt- und Sozialstandards tiefer seien als in Westeuropa. Schlumberger: «Es wäre absurd, unseren Phosphor nach Nordafrika zu transportieren, damit er dort in Fertigdünger gemischt und reimportiert wird.» Hinzu komme, dass der Wert eines Massenprodukts wie Phosphor sehr volatil sei. «Wenn wir aber eine Rückführtechnologie aufbauen und einen Recyclingstoff herstellen, ist es zwingend, dass die Verwertung langfristig sichergestellt ist.»H3PO4 als eleganter Ausweg Als Alternative gleiste Schlumberger deshalb im Auftrag des Kantons Zürich einen Pilotversuch zur Verwertung des Phosphors zu Phosphorsäure auf: Die Verbindung H3PO4 ist universell einsetzbar, von Süssgetränken bis zur Halbleiterindustrie, denn neben der Düngemittelindustrie setzen auch Lebensmittelverarbeiter, technische Betriebe und die Pharmaindustrie auf das zentrale Molekül. Je nach Anwendung werden unterschiedliche Anforderungen an den Reinheitsgrad gestellt. Immerhin, mittelfristig könnte Phosphorsäure durchaus auch in Düngemitteln Verwendung finden. Ihr Trumpf: Sie enthält kaum Schwermetalle, während natürlich abgebauter Phosphor dafür verantwortlich ist, dass die Hälfte der hierzulande ausgebrachten Kunstdünger den Grenzwert von Uran und vor allem Kadmium nicht einhält. Düngemittel mit einem relevanten Anteil an heimischer Phosphorsäure würden die entsprechenden Limits problemlos erfüllen. Kommt hinzu, dass die Herstellung von Phosphorsäure im sogenannten Solventverfahren eine Methode nutzt, die in der Schweiz gut eingeführt ist, etwa bei der Extraktion von Zink aus Filteraschen. Beim Prozess fallen neben Salzen auch Metalle an, die ebenfalls rezykliert werden können.Pilotprojet in Madrid Weitere Vorteile des Phos4Life genannten Verfahrens sind, dass es bei Raumtemperatur funk­tioniert, eine hohe Reinheit ermöglicht und in einem automatisierten Prozess funktioniert, wobei 95 Prozent des in der Asche enthaltenen Phosphors zurückgewonnen werden können. Der entscheidende Unterschied zum reinen Phosphor: Mit Firmen wie dem Chemikaliengrosshändler Brenn­tag AG gibt es hierzulande einen langfristigen Abnehmer für den reinen Stoff Phosphorsäure, der nicht mehr als Abfallprodukt, sondern als Rohstoff gehandelt werden kann. Derzeit führt die Firma Técnicas Reunidas in Madrid im Auftrag von ZAR Versuche durch, um aus Schweizer Klärschlammasche Phosphorsäure herzustellen. Die Ergebnisse werden Mitte 2018 publiziert werden.Mehrkosten mit Subventionen decken? Genaue Angaben zu den Kosten dieser Phosphorseparierung werden erst dann bekannt sein. Möglich, dass die Abwasserverbände ihre Mitglieder darauf vorbereiten müssen, dass es in Zukunft einen Zuschlag für das Verfahren geben wird. Anderseits lassen sich durch die Zentralisierung der Schlamm­verbrennung massiv Kosten sparen, wie etwa Franz Adam, Abteilungsleiter Abfall und Betriebe beim Awel, betonte. Trotz des Pilotversuchs in Spanien wolle man offen bleiben, was das Verfahren angeht: «Es kann gut sein, dass seit der verfahrenstechnischen Marktanalyse ein neuer und noch besserer Prozess entwickelt wurde.» Das Awel will sich deshalb mit den anderen elf grössten Klärschlammverwertern der Schweiz, dem VSA und dem Bafu zusammentun, um 2018 zu klären, welche Verfahren ebenfalls Chancen bieten. Zur Deckung der Mehrkosten hatte sich Ende August auch Robin Quartier vom Verband der Betreiber Schwei­zerischer Abfallverwertungsanlagen geäussert: «Wir schlagen eine zentrale Anlage vor, die aus Asche Phosphorsäure produziert.» Auch zur Finanzierung hat sich Quartier schon Gedanken gemacht: «Nach Artikel 81 der Bundesverfassung könnte sich der Bund an der Finanzierung dieser strategischen Infrastruktur beteiligen.»www.klaerschlamm.zh.ch  

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