Digitalisierung: Wer nicht mitzieht, wird leiden

Manche Kantone und Gemeinden hinken bei der Digitalisierung hinterher. Andere befinden sich gewissermassen auf dem Weg zu «Smart Cities» oder zum «Kanton 4.0», wenn es um die Voraussetzungen für digitale Arbeitswelten geht. Speziell bei den Verwaltungen gibt es noch viel Luft nach oben.

Big Data in der «intelligenten Stadt» – Experte Mike Vogt: «Es geht um die nützliche Verwendung der Datenhoheit in den richtigen Händen.» der «intelligenten Stadt» – Experte Mike Vogt: «Es geht um die nützliche Verwendung der Datenhoheit in den richtigen Händen.»</li>
Big Data in der «intelligenten Stadt» – Experte Mike Vogt: «Es geht um die nützliche Verwendung der Datenhoheit in den richtigen Händen.»
 Der Kanton Basel-Landschaft ist das jüngste Beispiel für das Voranschreiten von Digitalisierung und folglich die Etablierung von E-Government in der kantonalen und behördlichen Administration: 7,6 Millionen Franken ist die Digitalisierung der Kantonsverwaltung wert. Diese Summe wurde beim Landrat bis 2022 zur Umsetzung der Ende März publizierten Strategie vorgeschlagen. Mit der Vorlage «Digitale Verwaltung 2022» soll der Kanton die Chancen der Digitalisierung nutzen, um Verwaltungsleistungen effizienter zu erbringen und für Bevölkerung und Wirtschaft zu optimieren. Zunehmend werde erwartet, dass Verwaltungsgeschäfte einfach und zeitsparend online abgewickelt werden können. Auch in Bern wurde eine «Digitalstrategie 2021» forciert. Diese soll die Rahmenbedingungen schaffen und übergeordnete Ziele für Digitalisierungsmassnahmen in der Stadt über die kommenden Jahre festlegen. Dafür wurde die bestehende ICT-Strategie weiterentwickelt und in Schlüsselfragen ak­tua­lisiert. Ebenso gehören dazu neue strategische Stossrichtungen wie die Digitalisierung des Leistungsangebots der Stadt gegenüber Bevölkerung und Partnern oder die Bereitstellung von Daten als «open data». Die bisherigen Konzepte zu E-Government und der weitere Ausbau des digitalen Leistungsangebots sind Bestandteil der Digitalstrategie.Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Ressourcen in den Verwaltungen nicht überall gleich vorhanden sind. Aber ­Effizienz erzeugt Zeitgewinn. Viele Massnahmen müssen parallel abgewickelt werden: Zum einen geht es um die Schaffung der Grundlagen und einer sogenannten «me­dien­bruchfreien Abwicklung». Wichtig ist auch die Führungs- und Supportprozess-Digitalisierung. Neue rechtliche Grundlagen müssen zudem geschaffen werden, damit die Prozesse von der Geschäftsabwicklung bis hin zur Zustellung amtlicher Dokumente korrekt verlaufen können. «Einmalige Ausgaben» – vor allem aus externen Leistungen, für Software und für zusätzliche Stellen für ein Kompetenzzentrum – belaufen sich im Normalfall bei bis zu zehn ­Millionen Franken. Dem stehen später aber unbezifferte «deutliche Effizienzgewinne» gegenüber. Auch würden Porti, Druck und Archive wohl billiger. Der «logische Weg» muss also klar in Richtung E-Government gehen.«Verwaltung 4.0» in einer «smarten Stadt» Immer mehr Gemeinden oder Kantone bieten diverse Dienstleistungen auf dem E-Kanal an. Eine grosse Herausforderung ist, dass zahlreiche Ämter und Behörden derzeit damit beschäftigt sind, ihre Geschäftsprozesse zu integrieren und mit neuen IT-Lösungen durchgängig zu unterstützen. Diese ganzen Auswirkungen haben Einfluss auf das Personalmanagement. Für die Umsetzung braucht es geeignete Leute und diese müssen auch gefunden und rekrutiert werden – eine der grossen Herausforderungen für HR und Personalentwicklung. Trotz Digitalisierung, Industrie 4.0 bleibt der Mensch mit allen seinen Bedürfnissen die strategische Stütze eines Unternehmens. Gerade wenn radikaler Wandel droht, Strukturen und Hierarchien sich verändern, Berufsbilder und Funktionen sich in Luft auflösen und neue Prozesse Einzug halten – dann braucht es eine Landkarte, die Klarheit, Sicherheit, Orientierung, aber auch Flexibilität auf dem Weg der Zielerreichung gibt. Eigenverantwortung und -initiative, unternehmerisches Denken und Handeln wie auch das Arbeiten ohne Hierarchien halten Einzug in moderne Unternehmen. Dem müssen Personalverantwortliche und Rekrutierende Rechnung tragen und lernen, Wertschöpfung und Ergebnisse vor Prozesse und Konzepte zu stellen (Quelle: Weka).Auch wenn bezüglich Personalentwicklung 4.0 in den nächsten Jahren noch keine allzu grossen Veränderungen in den Verwaltungen beziehungsweise Ämtern feststellbar sein werden: Man kann die Augen vor den Entwicklungen diesbezüglich nicht verschliessen. Das World Economic Forum (WEF) beispielsweise sagt voraus, dass zwei Drittel der Kinder, die heute die Primarschule besuchen, einmal einen Beruf ausüben werden, der heute noch gar nicht existiert. Die Digitalisierung der Dienstleistungen und die Verwaltung mit Computerprogrammen haben laut Angaben des Bundesamts für Statistik (BFS) in der Schweiz in den letzten 15 Jahren bereits zum Verlust von über 180 000 Verwaltungsstellen geführt. 1991 waren über 15 Prozent aller Arbeitsstellen in der Schweiz administrative Jobs, 2015 waren es noch unter zehn Prozent. In der gleichen Zeit haben sich intellektuelle und wissenschaftliche Stellen mehr als verdoppelt (614 000 von 1 013 000 in dieser Zeit geschaffenen Arbeitsstellen, Quelle: Swissinfo). Sie entsprechen heute mehr als einem Viertel aller Arbeitsstellen.Die «smarte Stadt» ist ein «soziotechnisches System» Die Digitalisierung und «Smartifizierung» der Verwaltungen und Behörden gehen natürlich einher mit der Entwicklung einiger Schweizer Stadtteile in Richtung «Smart City». Städte sollen als soziotechnische Systeme mittels digitaler Transformation und smartem Einsatz von Technologie zu besseren, schöneren, lebenswerteren Orten werden. Dahinter steht die Überlegung, eine nachhaltigere, soziale und ökologische Gestaltung des städtischen Raumes zu bewirken. Die effiziente Sammlung und Auswertung stadtbezogener Daten sowie die Koordination ihrer Nutzung mittels internet- und webbasierter Services sollen – so die Idealvorstellungen – zur Erweiterung und effizienteren Nutzung der ökonomischen, sozialen, natürlichen und infrastrukturellen Ressourcen führen. Dies soll jedoch ausdrücklich auch dazu beitragen, den Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, ihren Lebensraum aktiv mitzugestalten. «In den Bereichen Verkehr und Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz, Sicherheit, Bildung und Gesundheitsversorgung, aber auch bei der Bereitstellung von Dienstleistungen der städtischen Verwaltung wurde viel erreicht», bestätigt Mike Vogt, ein Vorkämpfer für die «Smartifizierung» der Gesellschaft und In­itiator und Managing Director der Fachmesse «Smart Suisse». Er ist überzeugt, dass es einen «Digital Layer» als Drehscheibe braucht, um die enorm vielen Daten einer Smart City professionell bewirtschaften zu können. Mike Vogt: «Smartes Strassenlicht und Smart Parking sind ideale Start-Projekte. Ein Beispiel: Wir haben heute in der Schweiz zehn Prozent LED-Anteil am Strassenlicht. Es ist eine grosse Chance für die Stadtwerke, bei der weiteren Förderung und Durchsetzung von LED zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen; nämlich neben der Umrüstung auf LED eine gleichzeitige ‹Versmartung› des Strassenlichts vorzunehmen und eben so einen Digital Layer einzuführen. Dieser Digital Layer kann danach für viele weitere Applikationen genutzt werden wie für die Messung und Übermittlung von Lärmschutzdaten.» Auch Smart Parking biete den Städten die Möglichkeit, die öffentlichen Parkflächen viel effizienter zu bewirtschaften. Es gibt schon konkrete Lösungen, wie dies in die Realität umgesetzt werden kann.Unternehmen oder Städte als Problemfälle Natürlich wird in naher Zukunft auch im Jobmarkt die «Smartifizierung» Einzug halten. Neue Berufsbilder und Jobs der Zukunft werden entstehen. «Jede Stadt wird früher oder später einen Chief Digital Officer haben beziehungsweise haben müssen», sagt Mike Vogt. Die Daten sind nämlich das Gold der Zukunft, auch in einer Stadt. Bei der Smartifizierung geht es am Schluss einzig und allein um Daten und wie diese in eine höhere Lebensqualität umgemünzt werden können. «Je früher die Städte sich mit dieser komplexen Thematik befassen und Know-how aufbauen, desto besser. Wer sich diesem Trend verschliesst, wird einen hohen Preis dafür zahlen müssen», fügt Vogt hinzu. Das Beispiel mit der Taxibranche ist gegenwärtig. Diese hat sich sehr lange verschlossen gegen eine effizientere Mobilität mittels App und Daten. Dann kam mit Uber ein Mitspieler im Markt, der nun die ganze Branche in ihren Grundfesten erschüttert. Mike Vogt zeigt sich gerne visionär: «Seien wir mal ganz ehrlich: Wer achtet heute noch auf die Strassensignalisation und Verkehrsführung? Google Maps und TomTom weisen den Weg und haben schon heute die Verkehrsleitung übernommen mittels der Navigationsgeräte. Die Städte hören dies nicht gerne, aber es ist Tatsache, dass amerikanische Firmen schleichend in die Verwaltung eingreifen. Es ist sehr wichtig, dass die Städte die Datenhoheit wieder an sich reissen.»Neues Verhältnis Stadtverwaltung / Bürger Das Verhältnis Stadtverwaltung / Bürger war bisher eher eine Einbahnstrasse. Ausser sich an Abstimmungen zu beteiligen, mussten sich die Bürger nicht um viel kümmern. Aber in dieser Einbahnstrasse gehe viel ungenutztes Potenzial verloren, betont Vogt. «Nehmen wir eine Stadt mit 10 000 Einwohnern als Beispiel. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein. Aber wenn wir die Sichtweise ändern und uns diese Stadt als Firma mit 10 000 Mitarbeitenden vorstellen, dann ergibt sich ein gigantisches Potenzial an Wissen und Erfahrungen!» Es sei eben alles eine Frage der Sichtweise und darum seien die Einbindung und das Engagement der Bürger in Zukunft so wichtig. Mike Vogt nennt ein Beispiel: «Die App ‹Züri Wie Neu›, mit der Bürger Infrastrukturschäden melden können, wurde zuerst als Verpfeifer-App gebrandmarkt. Nun zeigt sich aber, dass die Stadtverwaltung sehr viele wertvolle Hinweise erhält und schnell auf Schäden und Probleme reagieren kann. Bisher wurden über 10 000 Anfragen erfolgreich umgesetzt.» Mike Vogt empfiehlt allen Bürgerinnen und Bürgern, sich mit ihrer Stadt intensiv auseinanderzusetzen und ihre Wünsche und Nöte der Stadtverwaltung mitzuteilen. Bei den regionalen Energieversorgern könne man Energieberatungsgespräche beantragen. «Man kann beispielsweise einen Vergleich verlangen, wie die Wohnung oder das Haus energetisch abschneidet und welche Massnahmen man ergreifen kann, um Energie und Geld zu sparen. Die Smart City beginnt zu Hause und entwickelt sich über die Quartiere auf das gesamte Stadtgebiet aus.»E-Government und die «Bevölkerung 4.0»Unter E-Government versteht man den Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), damit die Bevölkerung und die Wirtschaft wichtige Geschäfte mit den Behörden elektronisch und einfach abwickeln können. E-Government ist dadurch ein wichtiger Beitrag zur Modernisierung der Verwaltung und zur Effizienzsteigerung ihrer Geschäftsprozesse. Geschäfte können rund um die Uhr und ohne Behördengang abgewickelt werden.Die Vorteile für die Bevölkerung sind evident: bei Steuerlösungen wie auch bei der Verbesserung der Dienstleistungen an der Schnittstelle zum Bürger und für die Weiterverarbeitung im Amt zum Beispiel. Bewilligungsverfahren könnten rascher und stringenter durchgeführt werden, reduziert oder womöglich in Meldeverfahren umgewandelt werden. Viele Routinegeschäfte mit der Verwaltung würden demnach auch in der Regel orts- und zeit­un­abhängig über das Internet abgewickelt werden können. Inte­ressant ist folgender Aspekt: Geschäfte, an deren Bearbeitung mehrere Behörden auf kantonaler oder kommunaler Stufe beteiligt sind, würden über einen einzigen digitalen Einstiegspunkt abgewickelt. Im Zuge dessen wäre auch das Einrichten eines elektronischen Bürger- und/oder Unternehmenskontos möglich, um den Zugriff auf persönliche Daten und Geschäfte zu erlauben. Auch die leidige Angelegenheit mit den telefonischen Auskünften würde neu ablaufen, und zwar mittels moderner Live-Chats. Ausserdem würden dann Auskunftszeiten auf die frühen Morgen- und Abendstunden ausgeweitet. Nicht vertrauliche und nicht dem Amtsgeheimnis unterliegende Datensammlungen der Verwaltung wären öffentlich zugänglich und zur Nutzung frei. Geplant ist zudem: An- und Wegleitungen in Form mehrsprachiger Videos im Web sowie eine grössere Beteiligung bezüglich der elektronischen Stimm­abgabe bei Wahlen und Abstimmungen. Die Kommunikation über soziale Medien mit der Verwaltung würde unterstützt und neue Technologien und Verfahren, die einen Beitrag zur Verbesserung des Angebots für die Verwaltungskunden leisten, kämen zum Einsatz. Insgesamt wären die Verwaltungskosten mittelfristig geringer.

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