Concept EQV: Space-Shuttle auf vier Rädern

ELEKTROMOBILITÄT Die weltweit erste Grossraum-Limousine im Premium-Segment mit rein batterieelektrischem Antrieb feierte in Genf ihre Weltpremiere – allerdings noch als Konzeptfahrzeug. Die Serienversion des Mercedes-Benz EQV soll dann im September an der IAA in Frankfurt enthüllt werden.

Benjamin Kaehler Mercedes-Benz Vans EQV TIR transNews
Benjamin Kaehler, bei Mercedes-Benz Vans zuständig für die Elektrifizierung, vor dem Concept EQV am diesjährigen Autosalon Genf.

Die elektrifizierte V-Klasse von Mercedes-Benz, die voraussichtlich Anfang 2020 auf die Strasse kommt, ist auf den ersten Blick sowohl äusserlich als auch im Interieur nicht grundlegend anders als ihre Geschwister mit Verbrennungsmotor. Sie unterscheidet sich beim Elektroantrieb aber deutlich vom bereits erhältlichen Zero-Emission-­Sachentransporter eVito.

Der Concept EQV trägt an der Vorderachse einen kompakten elektrischen Antriebsstrang (eATS) mit einer Leistung von 150 kW. Die E-Maschine, das Getriebe mit fester Übersetzung, das Kühlsystem sowie die Leistungselektronik bilden dabei eine hochintegrierte, kompakte Einheit und sind bereits im Elektro-SUV EQC im Einsatz – genauso wie auch die im EQV verwendete Ladetechnik. Der eVito hingegen wird von einem 85-kW-Motor angetrieben, der je nach Einsatzzweck den Elektrovan auf maximal 80, 100 oder 120 km/h beschleunigt, während der EQV eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h zulässt. Unterschiede gibt es auch bei der Lithium-Ionen-Batterie. Während der eVito mit 41 kWh Kapazität auskommen muss, was mindestens 100 Kilometer Reichweite garantiere, ermöglicht die 100-kWh-Batterie im EQV eine maximale Reichweite von bis zu 400 Kilometern (abhängig wie beim Verbrenner vom Einsatz im Realbetrieb). Das in Genf gezeigte Konzeptfahrzeug kann bequem zu Hause über eine Wallbox oder eine normale Haushaltssteckdose geladen werden. Für noch mehr Flexibilität im Alltag sorgt eine Schnellladefunktion: Innerhalb von 15 Minuten kann die Energie für eine Reichweite von rund 100 Kilometern zugeführt werden.

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Mit (mutmasslich) eigener Lichtsignatur wird sich der EQV optisch eindeutig von seinen Verbrenner-Geschwistern unterscheiden.

Fahrprofile machen den Unterschied
Die technischen Unter­schiede haben einen konkreten Grund, erklärt uns Benjamin Kaehler am Autosalon Genf. Er ist bei Mercedes-Benz Vans als Leiter eDrive@VANs für die Elektrifi­zierung zuständig. «Wichtigster Grund ist zunächst die Reichweite. Mit 41 kWh Kapazität kommt man mit einer Grossraumlimousine nicht weit genug. Das zumindest ist das Gefühl, das der Fahrer im Hinterkopf hat. Deswegen möchte er genug Reserve an Bord haben, auch wenn er sie nur selten braucht. Zudem möchte man auf der Autobahn gut und flüssig im Verkehr mitfahren können, deshalb der stärkere Antrieb. Im gewerblichen Einsatz hingegen mit festgelegten, bekannten Routen oder beschränkten Ein­satzgebieten spielen andere Kriterien eine Rolle. Grosskunden möchten genau die Batterie­grösse, die sie für ihren Anwendungsbereich benötigen und nicht mehr. Sie wollen optimale Nutzlast und minimalen Preis.» Der EQV wird voraussichtlich bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht homologiert, was laut Kaehler ­ausreiche, um das Mehrgewicht des E-Antriebs ohne Abstriche bei der Nutzlast zu kompensieren.

Hohe Flexibilität für viele Anwendungen
Durch die In­stallation der Batterie im Unterboden steht das volle Raum­angebot zur Verfügung – ohne Einschränkungen im Fahrzeuginneren. So wird der Concept EQV mit sechs Einzelsitzen beispielsweise zum repräsentativen Shuttlefahrzeug für gehobene Ansprüche. Andere Sitzkonfigurationen mit Einzelsitzen oder Sitzbänken für bis zu sieben oder acht Sitze machen das Fahrzeug zum praktischen Familien­begleiter im Stadtverkehr oder ermöglichen den bequemen Transport von Sport- und Outdoor-Ausrüstung. Auf die Frage, wer der EQV-Kunde ist, antwortet Kaehler: «Der gleiche Kunde, der sich heute für V-Klasse oder Vito Tourer entscheidet. Viele werden ihn auch als Shuttle oder Taxi einsetzen. Ride Sharing und Ride Haling (Sammeltaxi über App) werden nächste Anwendungen sein. Und wir wollen auch die privaten Kunden erreichen, deshalb die gute Ausstattung und das hochwertige Infotainment.»

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Premium im Innenraum, ­intuitive Bedienung und Konnektivität mit MBUX.

Im elegant technoiden Cockpit liegt der Fokus auf einer unkomplizierten, intuitiven Bedienung. Herzstück der Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug ist das Infotainmentsystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience), das eine lernfähige Sprachbedienung mit innovativen Konnektivitätsfeatures vereint und bereits im neuen Sprinter erhältlich ist. Bis zur IAA werden sich laut Kaehler gegenüber dem Concept EQV nur noch Details ändern.

Flexibel auch in der Produktion
Wie schon der eVito wird auch der EQV im Werk Vitoria (E) auf dem normalen Band laufen, sodass der Mix Verbrenner zu Elektro bei einer Kapazität von deutlich über 100’000 Fahrzeugen flexibel angepasst werden kann, «bis hin zu 100 Prozent Elektro», wie Kaehler versichert. «Der Kunde soll entscheiden, wie hoch der Mix sein soll.» Man investiere hier in die Zukunft. Dass diese mit Riesenschritten naht, verdeutlicht Kaehler mit einem anderen Thema: «Durch Fortschritt in Technologie und Produktion sind die Kosten deutlich gesunken. Vor zehn Jahren rechnete man noch mit rund 1000 Euro pro Kilowattstunde Batteriekapazität, heute sind wir bei 100–200 Euro. In den nächsten zehn Jahren sehe ich nochmals eine Halbierung bis hin zu einer Drittelung als realistisch. Bei den Ladezeiten wird es sich ähnlich verhalten, da muss sich die Ladeinfrastruktur aber mitentwickeln, etwa durch gekühlte Ladekabel. Dann reden wir von 7, 8 oder 9 Minuten Ladezeit für 100 Kilometer Reichweite.»

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