Der e-Crafter bringt Spannung ins Van-Business
ELEKTROMOBILITÄT Auch VW Nutzfahrzeuge präsentierten ihre Darstellung des elektrifizierten grossen Vans. Der e-Crafter mit 100 kW Elektroantrieb und rund 170 km Reichweite soll bedeutend mithelfen, den Weg zum emissionsfreien Verteiler- und Handwerkerverkehr zu ebnen.
Bereits an der Präsentation der von Grund auf neu entwickelten zweiten Generation des VW Crafter an der IAA Nutzfahrzeuge 2016 kündigte der kürzlich zurückgetretene Leiter von VW Nutzfahrzeuge, Dr. Eckhard Scholz, an, dass der e-Crafter «bereits nächstes Jahr in Kundenhand übergeben» werde. Ein Elektrofahrzeug zu bauen, das am Ende des Tages für die Kunden profitabel unterwegs sein würde, entpuppte sich aber doch als aufwendiger als gedacht und so dauerte es schliesslich zwei Jahre, bis die Praxistests abgeschlossen waren und das vorläufige Endprodukt vorgestellt werden konnte. Vorläufig deshalb, weil die technische Entwicklung in rasender Geschwindigkeit vonstatten geht und bestimmt rascher in die Produkte einfliessen wird, wie etwa bei einem Dieselfahrzeug.
Das Warten hat sich gelohnt Der Antriebsstrang bewegt den elektrifizierten Transporter angenehm fein, ja fast spielend leicht und sehr leise nach vorne. Ob beladen oder leer, das von Beginn weg anliegende Drehmoment von 290 Nm erweckt einen überraschend sportiven Eindruck, den man auch gerne auskostet, was allerdings zulasten der Reichweite geht. Nimmt man den Fuss vom Pedal, setzt die Rekuperationsbremse ein, nicht hart, aber doch deutlich spürbar, auf jeden Fall nicht störend. Nur bei festem Bremstritt oder beim Stopp kommt zusätzlich die klassische Betriebsbremse zum Einsatz. Wann allerdings, bestimmt das Steuergerät und nicht der Bremsfuss. Auf eine anwählbare mehrstufige Rekuperation verzichtet Volkswagen und begründet dies damit, dass Handwerker und Kuriere schon genug mit ihrer Arbeit und dem Verkehr beschäftigt seien und sich nicht auch noch den Kopf zerbrechen sollten, welche Rekuperationsstufe jetzt gerade die effizienteste wäre. Diese Entscheidung fiel, wie manche Nachbesserung, aufgrund der Kunden-Feedbacks im Rahmen der Praxiserprobungen. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass man auf klassische Art das Fahrzeug mit der Drehung des Zündschlüssels «anlässt», wobei man dann vergeblich auf das Geräusch eines startenden Motors wartet. Losfahren kann man übrigens erst, wenn man sich angegurtet hat.
Entwickelt wurde der e-Crafter für alle Unternehmen, die im innerstädtischen Bereich aktiv sind: die «Letzte-Meile-Zusteller» des Kurier- und Logistiksektors, Handwerksbetriebe, Einzelhändler, Energieversorger oder Shuttle- und Taxibetriebe. Die Reichweite liegt bei 173 Kilometern gemäss NEFZ, in der Praxis sollten immer 100 Kilometer möglich sein. Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 90 km/h begrenzt, gemäss Tacho waren es bei unseren Fahrversuchen 95 km/h.
Konzept auf statistik gebaut Um ein möglichst praxisrelevantes Set-up zu ermitteln – also Leistung des Antriebs und Kapazität der Batterie –, analysierten VW Nutzfahrzeuge im Vorfeld mehr als 21’000 Fahrprofile von 1500 Kunden. Ergebnis: Das Gros der Fahrer legt mit einem Transporter täglich zwischen 70 und 100 Kilometer zurück, oft mit diversen Starts und Stopps. Dies ist natürlich keine Überraschung, doch mit diesem Zahlenbeweis untermauert konnte ein Konzept gewählt werden, das aufgrund der kompakteren Batteriegrösse den Preis auf Niveau der Wettbewerber hält.
Produziert wird das fahrbare Chassis des neuen Modells, wie alle Crafter, im Werk Września (Polen). Die Endmontage der elektrischen Komponenten erfolgt im Stammwerk der Marke in Hannover. Die Lithium-Ionen-Batterie wird platzsparend im Unterboden untergebracht. So kann das volle Ladevolumen von 10,7 Kubikmetern des 2590 Millimeter hohen Hochdach-Kastenwagens genutzt werden, wie auch die Durchladebreite (1380 mm) oder die Laderaumhöhe (1861 mm). Die maximale Zuladung beträgt je nach gesetzlicher Regelung im Land zwischen 0,975 und 1,72 Tonnen.
Bewährte Technik nicht neu erfunden Die vorne im Motorraum platzierte Synchronmaschine stellt 100 kW (136 PS) als Peakleistung zur Verfügung, die Steigfähigkeit liegt bei 20 Prozent. Übertragen wird die Kraft über ein für Nutzfahrzeuge ausgelegtes 1-Gang-Automatikgetriebe an die Vorderachse. Motor, Getriebe und Differenzial bilden ein kompaktes Modul. Hergestellt wird diese Einheit im Komponentenwerk Kassel und hat sich bereits in Tausenden von Elektrofahrzeugen des Konzerns bewährt. Zur weiteren Technik des Antriebssystems gehören das Motorsteuergerät und die sogenannte Leistungselektronik, die den Hochvoltenergiefluss zwischen dem Elektromotor und der Batterie steuert. Der in der Lithium-Ionen-Batterie gespeicherte Gleichstrom (DC) wird dabei durch die Leistungselektronik in Wechselstrom (AC) umgewandelt. Ein DC/DC-Wandler erzeugt indes die 12V-Spannung für das Bordnetz.
Der kombinierte Stromverbrauch mit 975 Kilo Zuladung (CH-Version) wird mit 21,54 kW/100 km angegeben. An einer CCS-Ladestation mit 40 kW (Gleichstrom) ist die 35,8-kWh-Batterie nach nur 45 Minuten wieder zu 80 Prozent geladen. CCS (international standardisiertes Combined Charging System) steht für Laden mit Gleichstrom und ist im e-Crafter serienmässig enthalten. An einer AC-Wallbox mit 7,2 kW (Wechselstrom) ist der Akku binnen 5 Stunden und 20 Minuten wieder zu 100 Prozent voll.
Das neuste an Sicherheit Serienmässig an Bord sind der ParkPilot als Einparkhilfe inklusive Flankenschutz, eine Multifunktionskamera (vorn) und eine Rückfahrkamera. Ebenfalls immer dabei: Multikollisionsbremse und Seitenwindassistent. Zur weiteren Serienausstattung gehören LED-Scheinwerfer, eine Klimaautomatik, Sitzheizung, Wärmepumpe und beheizte Frontscheibe, Komfortsitze und das Navigationssystem «Discover Media» inklusive «App-Connect» (Einbindung von Smartphone-Apps), Sprachbedienung und Mobiltelefon-Schnittstelle. Optional können mobile Online-Dienste genutzt werden.
Der e-Crafter ist in der Version Hochdach-Kastenwagen mit 975 Kilo Zuladung ab Frühling 2019 in der Schweiz bestellbar. Der Preis beträgt 83’090 Franken (exkl. MwSt.).