Deutsch-Französisches Elektrotransporter-Duell

ELEKTROMOBILITÄT Die Elektrifizierung der letzten Meile steht in den Startlöchern, die ersten Elektrotransporter drängen bereits in den Markt. Ein Vergleich zwischen VW e-Crafter und Renault Master Z.E.

eTransporter Renault Master Z.E. VW e-Crafter TIR transNews
Zwei jetzt erhältliche Elektrotransporter im direkten Vergleich: Den Renault Master Z.E. (l.) gibt es in vier verschiedenen Kastenwagen-Grössen und zwei Plattform-Längen. Der VW e-Crafter ist ausschliesslich als Hochdach-Kastenwagen erhältlich.

Im Verlauf der letzten zwei Jahre präsentierten diverse Hersteller ihre elektrifizierten Transporter, doch nicht alle haben es bis dato in die Serienproduktion geschafft. Zwei Modelle, die im selben Segment um die Gunst der Kunden buhlen und inzwischen auch offiziell erhältlich sind, heissen VW e-Crafter (sowie sein technischer Zwilling MAN eTGE) und Renault Master Z.E. Wir konnten beide Fahrzeuge in Schweizer Topografie und Verkehr bewegen – eine gute Gelegenheit, die beiden Elektrotransporter einmal gegenüberzustellen.

Die Kontrahenten und ihre Varianten Der Crafter von Volkswagen Nutzfahrzeuge wird im neu erstellten Werk in Września (PL) gebaut. Dort entsteht auch das fahrbare Chassis für die ausschliesslich als Hochdach-Kastenwagen erhältliche Elektrovariante e-Crafter. Die Endmontage der elektrischen Komponenten, die bereits in VW-Personenwagen zum Einsatz kommen, erfolgt in Hannover. Ein herausragendes Merkmal des Crafter ist sein funktionaler und doch hochwertiger, personenwagenähnlicher Innenraum, der auch in der Elektroversion zu finden ist.

Renault nutzt für die Elektrifizierung des in Batilly (F) gebauten Master ebenfalls die Erfahrung und Kompetenz (und schliesslich auch den Baukasten) der Personen­wagensparte. Der für den Unternehmer wohl relevanteste Unterschied gegenüber dem e-Crafter ist die Modellvielfalt, denn der Z.E. ist in allen Karosserievarianten erhältlich, die es auch als Diesel gibt, also als Kastenwagen in drei Längen und zwei Höhen (total vier Versionen) sowie als Plattform in zwei Längen. Das ermöglicht Variation bei Laderaum (8–13 m³) und Nutzlast (975–1128 kg sowie 1400 kg bei der Plattform).

Die Technik Der e-Crafter wird von einem 100 kW (136 PS) starken Synchronmotor (Typ EEM85) angetrieben, der ein maximales Drehmoment von 290 Nm auf die Vorderräder bringt. Die platzsparend im Unterboden untergebrachte 35,8-kWh-Lithium-Ionen-Batterie ermöglicht eine technische Reichweite von 173 km; mindestens 100 km sollen in jedem Fall möglich sein. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 90 km/h beschränkt. Das Laderaumvolumen beträgt fixe 10,7 m³, die maximale Nutzlast 975 kg. In Ländern, in denen Elektrofahrzeuge für dieselbe Führerausweiskategorie ein höheres Gesamtgewicht aufweisen dürfen, um den gewichtsspezifischen Nachteil zu kompensieren, wird auch eine 4,25-t-Va­rian­te mit 1,72 t Nutzlast angeboten – nicht aber in der Schweiz.

Der Synchronmotor im Master Z.E. (Typ R75) stammt vom Lieferanten Cléon und bringt es mit 57 kW (76 PS) auf nur etwas mehr als die Hälfte der Leistung des EEM85, das maximale Drehmoment stemmt immerhin 225 Nm (65 Nm weniger) auf die Vorderräder. Obwohl die unter der Kabine eingebaute Lithium-Ionen-Batterie mit 33 kWh etwas weniger Energie speichern kann als diejenige im e-Crafter, wird mit 200 km eine grössere theoretische Reichweite angegeben. 120 km seien gemäss Renault realistisch, mit 110 km sei man auf der sicheren Seite. Trotz kleinerer Batterie eine grössere Reichweite? Mit einem deutlich schwächeren Motor kann auch nicht so viel Energie verbraucht werden, ist also kein Widerspruch. Diese maximale Reichweite wird übrigens im Eco-Modus erreicht, bei dem die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h (anstatt 100 km/h) und das Drehmoment auf 180 Nm beschränkt werden.

Das Laden Der e-Crafter verfügt serienmässig über einen CCS-Anschluss für bis zu 40 kW Gleichstrom. CCS steht für Combined Charging System. Damit kann die Batterie in 45 Minuten auf 80 Prozent geladen werden. An einer Wallbox mit 7,2 kW Wechselstrom ist die Batterie in 5 Stunden und 20 Minuten vollgeladen. Im Testfahrzeug stand uns das optionale Ladegerät für die Haushaltssteckdose zur Verfügung. Es zeigte sich, dass sich diese Alternative auch im Alltag bewähren kann, insbesondere, wenn die Batterie nur teilweise entladen wird. In diesem Fall reicht auch eine lange Nacht, um sie weit oder sogar ganz zu füllen.

Im Gegensatz zum e-Crafter bietet der Master Z.E. «nur» Ladung ab Wallbox mit 7,4 kW Wechselstrom sowie Haushaltssteckdose (2,3 kW) an. Die Ladezeiten sind entsprechend länger: Mindestens 6 Stunden bei 7,4 kW sind zu veranschlagen, 11 Stunden werden es bei 3,7 kW sowie ganze 17 Stunden bei 2,3 kW.

Im Fahrvergleich Wie die Dieselvariante wird auch der e-Crafter mit dem Drehen des Zündschlüssels aktiviert, wobei nur das Display dem Piloten ein Zeichen gibt, dass er nun losfahren kann. An das fehlende Motorengeräusch muss man sich nämlich erst einmal gewöhnen. Den Fuss aufs elektro­nische Gaspedal und der Kastenwagen fährt unspektakulär los – allerdings nur, wenn man auch angegurtet ist. Das Fahren selbst bleibt grundsätzlich sehr einfach und entspannt. Der e-Crafter beschleunigt mühelos, meistert Steigungen bis 20 Prozent und fährt mit einem leichten, hohen Summen, das man aber nicht mehr hört, wenn man das Radio anmacht. Die einstufige Automatik ist sehr angenehm und komfortabel. Die Leistung lässt sich im Fahrbetrieb gut und fein dosieren. Finger- oder besser gesagt, Fussspitzengefühl ist lediglich beim präzisen Manövrieren gefragt. Will man das stehende Fahrzeug nämlich nochmals um zehn, zwanzig Zentimeter nach vorn fahren und betätigt man dafür das Gaspedal ganz leicht, passiert zunächst einmal nichts. Man gibt dann mehr Druck, hört und spürt, dass die Elektronik arbeitet, bis das anliegende Drehmoment den Anfahrwiderstand überwindet und das Fahrzeug plötzlich einen leichten Sprung nach vorn macht, sodass man sofort wieder auf die Bremse treten muss. Hier macht die Übung den Meister.

Legt man im e-Crafter den Rückwärtsgang ein, warnt ein durchdringender Piepton alle sich in der Nähe befindenden Personen. Eine super Sache; und muss man morgens um vier in einem Wohnquartier manövrieren, lässt sich der Ton einfach per Knopfdruck deaktivieren.

Lob verdienen die Ingenieure für die (subjektiv) be­eindruckend effizient arbeitende Rekuperation. Geht man vom Gaspedal, ist die Bremswirkung der Rekuperation (also der Umwandlung von kinetischer Energie in elektrische) zwar relativ stark. Doch längere Bergabfahrten füllen den Energiespeicher erfreulich rasch.

Auch der Renault wird mit Zündschlüssel aktiviert. Im Gegensatz zum e-Crafter verfügt der Master Z.E. über keine Park-Position, somit muss vor dem Verlassen zwingend mit der Handbremse gesichert werden. Eine Wegfahrsperre bei nicht angelegtem Sicherheitsgurt wie im e-Crafter ist beim Franzosen nicht verbaut. Die Beschleunigung verläuft auch im Master Z.E. gefühlt linear und absolut ruckelfrei, egal, wie schnell oder langsam man fährt. Und auch da wieder: Die einstufige Automatik ist einfach eine superkomfortable Angelegenheit. Die Bremswirkung beim Rekuperieren (Fuss vom Gas) fühlt sich subjektiv weniger stark an wie beim e-Crafter und ermöglicht dafür eher, den Schwung mitzunehmen und zu «segeln». Renault garantiert, dass der Z.E. auf Steigungen von bis zu 15 Prozent noch anfahren kann. Auch hier: Kleinstmanöver aus dem Stand erfordern Sorgfalt und rasches Reaktionsvermögen.

Sicherheit und Komfort Der e-Crafter bietet serienmässig das Neuste an Sicherheitssystemen. Dazu gehören der Park-­Pilot als Einparkhilfe inklusive Flankenschutz, eine Multifunktionskamera (vorn) und eine Rückfahrkamera, Multikollisionsbremse und Seitenwindassistent. Zur wei­teren Serienausstattung gehören Klimaautomatik, Sitz­heizung, Wärmepumpe und beheizte Frontscheibe, Kom­fortsitze und Navigationssystem. Eine Klima-Vorkonditionierung bietet der VW e-Crafter nicht an. Preislich startet er bei 82’850 Franken (exkl. MwSt.).

Die serienmässige Sicherheitsausstattung des Renault Master Z.E. umfasst Rückfahrkamera, Einparkhilfe sowie Tot-Winkel-Spiegel. Dazu gehört ebenfalls das akustische Warnsystem Z.E. Voice, mit dem bei einer Fahrgeschwindigkeit bis 30 km/h Fussgänger und Radfahrer vor dem herannahenden Fahrzeug gewarnt werden. Das System kann per Knopfdruck ausgeschaltet werden. Ein grosser Unterschied zum e-Crafter ist die Klima-Vorkonditionierung. Wie schon von den Renault-Elektroautos bekannt, können Heizung und Klimaanlage programmiert werden, damit der Fahrer komfortabel in ein bereits geheiztes oder gekühltes Fahrzeug steigen kann, sodass die dafür benötigte Energie nicht zulasten der Reichweite geht. Diese Vortemperierung funktioniert allerdings nur, wenn der Z.E. am Strom hängt und die Batterie voll ist. Der Re­nault Master Z.E. startet bei 69’900 Franken (exkl. MwSt., Preis von Renault Trucks).

In der Waagschale Für welchen Elektrotransporter soll man sich nun entscheiden? Rein vom Fahrgefühl her stellen sich keine grossen Unterschiede dar; man gewöhnt sich automatisch im Sinne einer Reichweitenoptimierung eine massvolle und vorausschauende Fahrweise an, bei der man aus eigenem Interesse nur höchst selten an die Leistungs- und somit Verbrauchsgrenze geht.

Wie die Erfahrung bisheriger Ablieferungen gezeigt hat, spielt aber zunächst auch bei elektrifizierten Nutzfahrzeugen die Markenpräferenz eine gewichtige Rolle. Viele Unternehmer legen Wert auf ein einheitliches Erscheinungsbild ihres Fuhrparks, vielmehr aber noch auf möglichst wenig verschiedene Service-Anlaufstellen, sodass sie sich für ein Elektrofahrzeug der Garage ihres Vertrauens entscheiden. Auch der Anschaffungspreis kann hier den Entscheid forcieren, schlägt der Renault doch mit rund 13’000 Fran­ken weniger zu Buche. Auf der anderen Seite dürfte der Volkswagen bei den Fahrern besser ankommen, denn er bietet ihnen einen wertigeren Arbeitsplatz, mehr moderne Sicherheitsassistenten und, was bei anspruchsvoller Topografie wichtig sein dürfte, deutlich mehr Leistung.

Überhaupt ist das Einsatzprofil entscheidend, denn nur der e-Crafter bietet die Möglichkeit einer kurzen Schnell­ladung z.B. über Mittag, wenn aufgrund der Tagestour eine möglichst hohe Reichweite gefragt ist. Mit dieser Möglichkeit erreicht der e-Crafter eine potenziell höhere jährliche Laufleistung, was die Kilometerkosten senkt und den Preis­unterschied wieder relativiert. Auf der anderen Seite ist der Renault in verschiedenen Karosserievarianten erhältlich, was je nach Anforderung den e-Crafter ausschliesst.

Am besten beraten ist man daher, vor der Wahl des Modells eine sorgfältige Evaluation des Einsatzprofils durchzuführen. Diese müsste – wird sie richtig durchgeführt – die Frage von alleine beantworten.

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