Dieser Schrank geht ab wie der Blitz
GROSSER ELEKTRO-VAN Stellantis hat den Fiat Ducato überarbeitet, darunter auch die BEV-Version, und damit gleichzeitig ebenfalls alle davon abgeleiteten Markengeschwistermodelle. Als erstes Derivat durften wir den Opel Movano-e fahren. Oder besser gesagt: fliegen.
Kein anderes Markenlogo passt wohl besser zur Elektromobilität als der Blitz von Opel. Fun Fact: Opel Blitz war von den 1930er- bis in die 1970er-Jahre die Bezeichnung für mehrere mittelschwere und leichtere LKW-Baureihen der Adam Opel AG und lieferte dann die Vorlage des ab Anfang der 1960er-Jahre verwendeten Opel-Logos, das in seiner Grundform bis heute beibehalten wurde.
Im Herbst 2023 präsentierte Stellantis Pro, die neue Nutzfahrzeugdachmarke der Gruppe, auf einen Schlag alle gleichzeitig überarbeiteten Modelle aller Marken. Während die kleinen und mittelgrossen Transporter auch im Innenraum und Cockpit einen gewissen Grad an Individualität beibehielten, wurde bei der grossen Baureihe darauf verzichtet. So sind alle Large Vans der Stellantis-Marken Citroën, Opel und Peugeot (sowie RAM in Nordamerika) durchgehend identisch mit ihrem Basismodell Fiat Ducato. Lediglich Frontgrill/Frontmaske, das Markenemblem auf dem Lenkrad sowie einige Felgen unterscheiden sich voneinander. Da Individualität immer zu Lasten der Kosten geht, ist das auch sinnvoll, denn die grossen Kastenwagen sollen vor allem möglichst funktional sein und mit robuster und effizienter Technik unter dem Blech punkten.
Opel Blitz elektrisch gereift
Der erste Movano mit Batterieantrieb wurde im Mai 2021 lanciert, damals auf der Basis des 2019 präsentierten Fiat e-Ducato, der aber nie aktiv vermarktet wurde. Obwohl Opel 2017 Teil von PSA und später Stellantis wurde, blieb die Movano-Basis bis 2021 noch der Renault Master. Mit dem Wechsel zur Ducato-Plattform kam auch der erste Movano-e ins Programm. Sein Elektromotor leistete 90 kW/122 PS, brachte ein maximales Drehmoment von 260 Nm auf die Räder und fuhr bis 110 km/h schnell. Die Batterie war wahlweise mit 37 oder 70 kWh erhältlich und versprach 117 bzw. 224 WLTP-Kilometer Reichweite. Ein Blick auf die Daten des neuen Movano-e zeigt, dass dazwischen Welten liegen:
- 205 kW/280 PS
- 410 Nm max. Drehmoment ab Start
- 110-kWh-Akku für bis zu 420 km WLTP-Reichweite
- 130 km/h Höchstgeschwindigkeit
- Drei Fahrmodi (Normal, Eco, Power)
- Vier Rekuperationsstufen
- In der Schweiz serienmässig mit 11-kW-On-Board-Charger
- Erhältlich ist der Movano-e in den Längen H3 und H4 als Kastenwagen, Fahrgestell, Doppelkabine, Plattformkabine und mit Kipper/Werksbrücke.
Mehr als zügig unterwegs – oder wie der Blitz
Wer sich zum ersten Mal hinter das Lenkrad eines Movano-e setzt, findet sich rasch zurecht. Das Design mit dem mittigen Zentraldisplay ist fast durchgehend symmetrisch, Knöpfe und Regler befinden sich dort, wo man sie erwartet, und die Ablagen, wo sie Sinn ergeben. Gestartet wird mit einem Knopf rechts neben der Lenksäule. Allerdings nicht so, wie man es kennt. Mit dem ersten Drücken wird nämlich «erst» das System gestartet. Das dauert etwa drei Sekunden. Erst danach kann der Knopf erneut gedrückt werden, um das System zu aktivieren und mit dem Drehrad rechts davon die Fahrtrichtung «D» oder «R» wählen zu können. Zu Beginn nervt die erzwungene Warterei etwas, bis man sich angewöhnt, die Zeit zum Anlegen des Sicherheitsgurts zu nutzen – Problem gelöst. Beim Fahrtrichtungsregler befindet sich auch der Knopf zum Wechseln der Fahrmodi. Nach dem Ausschalten des Systems bleibt jeweils der letztgewählte Modus aktiv.
Fahren und manövrieren liess sich unser Movano-e-Kastenwagen L4H2 spielerisch leicht, die Kraft war ausgezeichnet und fein dosierbar. Mit den 280 PS und dem Drehmoment von 420 Nm ab Start lässt man manch gut motorisierten Verbrenner (mit je nachdem verblüfftem oder geschocktem Fahrer) hinter sich. Selbst im Eco-Modus, bei dem die Leistung auf 100 kW beschränkt wird, fährt es sich immer noch zügig. Ein Kompliment gebührt den Fahrwerksingenieuren, denn trotz Frontantrieb sind kaum Einflüsse auf die Lenkung zu spüren.
Die vier Rekuperationsstufen lassen sich über Schaltwippen am Lenkrad anwählen. So wird nicht (Segelmodus), leicht, stärker oder ganz stark rekuperiert und damit gebremst (1-Pedal-Drive). Mit der Zeit nutzt man die Wippen gekonnt, um etwa bei der Autobahnausfahrt die Geschwindigkeit zu drosseln oder um vor einem Rotlicht noch stärker abzubremsen. Geht man bei Stillstand mit dem Fuss von der Bremse, rollt das Fahrzeug an.
Autonomes Fahren Level 2
Mit seinen bis zu 21 Fahrassistenten beherrscht der Movano-e assistiertes Fahren auf Level 2. Er kann bis 30 km/h selbstständig lenken, bremsen und beschleunigen. Gefallen hat die Umsetzung der Verkehrszeichenerkennung: Ändert die angezeigte Geschwindigkeit, bremst oder beschleunigt der Van nicht automatisch, sondern fragt den Fahrer, ob er das überhaupt möchte.
Unsere durchschnittlichen Verbräuche bewegten sich zwischen 20,4 und 30 kWh/100 km. Höhere Geschwindigkeiten sind Gift für die Reichweite eines Fahrzeugs mit solch einer Luftverdrängung. Doch selbst auf Autobahnen unterschritt die tatsächliche Reichweite die angezeigte Reichweite nur um etwa zehn Prozent. Damit kann man gut leben – und rechnen.
Zum Schluss bleibt noch die Frage nach dem Preis. Für den Movano Electric (L3H2, 3,5 t «heavy») werden 74 690 Franken (exkl. MwSt.) fällig. Gegenüber der gleich grossen Dieselvariante (L3H2, 3,5 t «heavy») für 59 590 Franken zwar ein Aufpreis von 15 100 Franken, den man als Unternehmer auch verkraften können muss. Doch wir sehen: Die BEVs kommen den Verbrennern preislich zwar nicht Blitz schnell, aber stetig näher.