e-NV200 – das Elektromobil bald Baustein des Stromnetzes?

ELEKTROMOBILITÄT Nissan bringt den Lieferwagen e-NV200 mit leistungsfähigerer Batterie und damit deutlich mehr Reichweite. Zugleich wird intensiv daran gearbeitet, das E-Mobil als aktives Element in den Stromkreislauf einbinden zu können; Stichwort: Vehicle to Grid, V2G.

Beim Elektrovan e-NV200 hat Nissan die Batteriekapazität von 24 auf 40 kWh erhöht, was zugleich die Reichweite des Wagens proportional ansteigen lässt.

Als Pionier der modernen Elektromobilität ist Nissan seit 2011 in Europa mit dem E-Mobil Leaf am Markt und seit 2014 auch mit dem kompakten Elektrolieferwagen e-NV200. Gleichzeitig mit der zweiten Generation des Leaf haben die Japaner auch den Lieferwagen einer Überarbeitung unterzogen. Als eine der wichtigen Neuerungen im e-NV200 ist die Batterie anzusehen, die mit jener im neuen Leaf identisch ist. Der Lithium-Ionen-Akku bietet neu 40 kWh Kapazität und somit eine substanzielle Steigerung um 60 Prozent. Die grössere Kapazität wird einzig durch eine höhere Energiedichte erzielt, sodass die Batteriegrösse unverändert geblieben ist und der Laderaum des 4,56  m kompakten Transporters nicht beeinträchtigt wird.

Als Kastenwagen kostet der neue e-NV200 in der umfassend ausgestatteten Lancierungsversion «2.Zero Edition» ab 38 590 Franken (ohne MwSt.), der siebensitzige Bus Evalia ist ab 44 690 Franken (inkl. MwSt.) zu haben. Die ersten Modelle rollen in diesen Tagen zu den Händlern. Die Versionen mit herkömmlichem Verbrennungsmotor werden als NV200 in Europa zwar auch weiterhin als Van angeboten, den Evalia hingegen gibt es künftig nur noch in der Elektrovariante e-NV200.

Der Elektrovan bietet eine Nutzlast von gut 560 kg, sein Ladevolumen beträgt 4,2 m³, was genügend Platz ist, um zwei Euro-Paletten mitzuführen. Der Zugang wird über eine grosse Türöffnung am Heck und zwei seitliche Schiebetüren erleichtert, die Ladekante liegt bei niedrigen 52 cm.

Reichweite und Laden Mit der neuen Batterie vergrössert sich die nach bisheriger NEFZ-Norm ermittelte Reichweite des Elektrovans proportional von bisher 170 auf neu 280 km. Gemäss der neuen Verbrauchsnorm WLTP (siehe Kasten), die dem realen Verbrauch sehr nahe kommt, liegt die gemischte Reichweite bei 200 km, jene des Stadtverkehrs bei 301 km. Beim neuen Leaf betragen diese Werte mit der gleichen Batterie 270 und 415 km. Das hat einerseits mit dem Luftwiderstand und der höheren Zuladung des Vans zu tun, aber auch damit, dass im e-NV200 der bisherige Elektromotor eingesetzt wird und Zusatzaggregate wie Innenraumheizung und Kühlung technisch etwas einfacher gehalten werden.

Das Onboard-Ladegerät ist für eine Wechselstromladung von bis zu 6,6 kW ausgelegt und lädt die Batterie mittels Wallbox in knapp sieben Stunden komplett auf. An der Haushaltssteckdose dauert die komplette Ladung bis 17 Stunden, wobei sich diese Werte in Abhängigkeit zur Restkapazität beim Ladestart verkürzen. An einer Gleichstrom-­Schnell­lade­station mit Chademo-Standard und 50 kW Leistung ist eine völlig entleerte Batterie in 40 Minuten auf 80 Prozent geladen. Der Chademo-Standard ist übrigens von Beginn weg auf die Möglichkeit hin konzipiert worden, dass das Elektromobil nicht nur Strom bezieht, sondern gegebenenfalls auch Strom ans Netz zurückgibt, was mit Vehicle to Grid V2G bezeichnet wird. Aktuell ist Nissan daran, V2G auch in der Praxis einzuführen – doch dazu später.

Gut bestückt Zumindest die 2.Zero-Edition ist sehr umfangreich ausgestattet, mit Klimaautomatik, Rückfahrkamera, Tempomat und einem aufs E-Mobil zugeschnittenen Hauptinstrument. Ebenfalls enthalten ist das Kommunikationsmodul NissanConnect EV, das rund um den zentral angeordneten 7-Zoll-Touchscreen die Unterhaltung mit unter anderem DAB+-Radio und USB-Schnittstelle bietet, aber auch die Navigation.

Auch das Telematiksystem ist wie bisher aufs E-Mobil zugeschnitten, zeigt Ladestationen entlang der vorgesehenen Route, plant umweltfreundliche Routen, zeigt die verbleibende Reichweite, analysiert die Fahrweise bezüglich Effizienz und gibt Energie-Informationen. Mittels der spe­ziellen App von NissanConnect EV können beispielsweise die Klimaanlage oder der Ladevorgang extern angesteuert und programmiert werden.

Das Fahrgefühl ist im überarbeiteten e-NV200 nicht viel anders als im bisherigen Modell. Der 80 kW starke Elektro­motor beschleunigt den Wagen behände und sorgt mit der linea­ren Kraftentfaltung für ein angenehmes Komfortgefühl. Naturgemäss ist der Wagen flüsterleise unterwegs, weshalb Nissan Velofahrer und Fussgänger bei Tempi unterhalb von 30 km/h mittels künstlicher Akustik auf den sich nähernden Lieferwagen aufmerksam macht. Bei Bergabfahrt oder beim Zurollen auf eine Kreuzung produziert kinetische Energie Strom, der die Batterie lädt, wobei der Grad der Rekuperation durch die Stellung D oder B am Schaltstock beeinflusst wird.

Der Van als Kraftwerk Das Elektromobil steht und fällt mit der Ladeinfrastruktur. Als Vorreiter in Sachen E-Mobil-Bewegung hat Nissan von Beginn weg aktiv die Vergrösserung des Schnellladenetzes unterstützt und vorangetrieben. Aus den seit 2011 gemachten Erfahrungen heraus haben sich die Japaner schliesslich zu einer Intensivierung ihrer Bemühungen veranlasst gesehen und arbeiten seit gut anderthalb Jahren an der Entwicklung eines eigentlichen Ecosystems rund um die Elektromobilität. «Kostenloser Strom für EV-Fahrer», nennt Guillaume Pelletreau, Managing Director Nissan Center ­Europe (DACH-Region), als das grosse Ziel der Initiative.

Ohne Gegenleistung ist Gratisenergie jedoch nicht realisierbar. Daher sollen Fahrzeuge wie der e-NV200 und der Leaf nicht nur Strom beziehen, sondern auch Strom ans Netz zurückgeben. Der dazu nötige bidirektionale Stromfluss heisst Vehicle to Grid V2G, ist Bestandteil des von Nissan genutzten Fastcharger-Standards Chademo und hat die Praxisreife heute erreicht. Bekanntlich ist die gesamte Stromversorgung auf den täglichen Spitzenbedarf ausgelegt und einzelne Kraftwerke existieren heute nur, um diesen Peak abzudecken. Durch V2G-Rückspeisung aus E-Mobilen sollen Stromspitzen gebrochen werden und im Idealfall den Bau von Kraftwerken verhindern oder bestehende Werke obsolet machen. Natürlich soll dabei die Wagenbatterie stets ein betriebsfähiges Ladeniveau behalten. Dazu arbeitet Nissan an Lösungen mit Energieversorgern, um dem E-Mobil-Kunden aus einer Hand Fahrzeug und Energielösung bieten zu können. Die Erträge aus der Rückspeisung aus dem E-Mobil bilden die Basis für das Ziel von Gratisstrom für EV-Fahrer.

In Dänemark und in England hat Nissan erste V2G-Lösungen mit Flottenkunden am Laufen und andernorts sind V2G-Projekte in Arbeit. Projekte mit Flottenkunden haben den Vorteil, dass der Fahrzeugeinsatz besser voraussehbar ist und daher eine V2G-Steuerung weniger aufwendig ist. «Auch in der Schweiz sind wir am Verhandeln, doch wegen der Vielzahl an Stromanbietern ist es eine sehr aufwendige Arbeit», erklärt Francesco Giacalone, Direktor Produktmarketing Elektrofahrzeuge in Europa. «Aber ich gehe davon aus, etwa zum Jahreswechsel auch hier damit bereit zu sein.»

Mit Batteriespeichern aus gebrauchten EV-Batterien für private Haushalte und industrielle Anwendungen ist Nissan bereits etwas länger auf der anderen Seite der Steckdose aktiv. In England bietet Nissan jüngst auch selber Solaranlagen an. Durch massgeschneiderte Beratung und Montage soll die Komplexität solcher Anlagen für den Kunden auf ein Minimum reduziert werden, damit Solarstrom ein positives Engagement für den Kunden wird und nicht in eine Odyssee ausartet.

 

Neue Verbrauchsnorm WLTP

Für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge wurde eine neue Verbrauchsnorm entwickelt, die viel realitätsnahere Verbrauchswerte bieten soll. Sie heisst «Worldwide Harmonised Light Vehicle Test Procedure» WLTP, wobei trotz der Bezeichnung «weltweit harmonisiert» diverse Länder und Regionen wiederum ihr eigenes WLTP-­Süppchen am Köcheln sind. In Europa gilt die neue Norm hingegen ab kommendem September für alle Fahrzeuge, neue Homologierungen müssen bereits seit letztem Herbst WLTP-geprüft sein.

Die Testdistanz beträgt bei der WLTP 23,25 km, die bisherige NEFZ-­Zyklusdistanz war nur 11 km lang. Die neue Durchschnitts­geschwindigkeit liegt bei 46,5 km/h (NEFZ 34 km/h), der Zyklus-­Topspeed steigt von 120 auf 131 km/h und die Geschwindigkeits-veränderungen werden dynamischer durchgeführt. Zudem wird die Zusatzausstattung mit einbezogen. Diese Prüfstandtests werden neu durch Messungen im Verkehrsgeschehen ergänzt, wobei ein Teil dieser Strassentests durch vom Hersteller unabhängige Insti­tutionen vorgenommen werden muss.

Das hat zur Folge, dass die Verbrauchswerte (CO2) und Reichweiten nahe an den Realbetrieb der Fahrzeuge herankommen. Gemäss unseren Erfahrungen mit NEFZ-Reichweiten bestätigen die WLTP-Werte des e-NV200 diese Annahme. Wir gehen daher davon aus, dass wir uns künftig besser auf die Verbrauchs- und Reichweitenangaben verlassen können.

Technische Daten Nissan e-NV200

  • Preise: Van ab CHF 38 590.– (ohne MwSt.); Evalia ab CHF 44 690.– (mit MwSt.)
  • Elektromotor: 80 kW, 254 Nm
  • Lithium-Ionen-Batterie: 40 kWh, 360 V, 192 Zellen
  • Fahrleistungen: 0–100 km/h 14,0 s; Höchstgeschw. 123 km/h
  • Energieverbrauch NEFZ: 16,5 kWh/100 km
  • Reichweite: NEFZ 280 km; WLTP gem. 200 km, City 301 km
  • Ladezeiten: Wallbox 6,5 h, Haushalt 17 h, Chademo 80% 40 min
  • Abmessungen L × B × H: 4,56×1,755×1,86 m
  • Van: Nutzlast 664 kg, Laderaum 4,2 m3
  • Evalia: Zuladung 561 kg, 5 bis 7 Sitze
  • weitere Informationen
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