Hyvia rollt sein Wasserstoff-Ökosystem aus

ERSTE FAHRZEUGE AUSGELIEFERT Das im Juli 2021 von Renault Group und Plug gegründete Joint Venture hat die Vorbereitungen für Herstellung, Vertrieb und After Sales der einzelnen Elemente abgeschlossen und beliefert bereits Pilotkunden in Frankreich und Holland. Die Schweiz muss noch warten.

Hyvia Master TIR transNews
Der erste Kastenwagen mit Brennstoffzelle in Serie: Renault Master H2-Tech von Hyvia.

«HY» steht für Hydrogen, also Wasserstoff, und «VIA» für Strasse. Hyvias Mission lautet, den Weg in eine kohlenstofffreie Mobilität zu ebnen. Das Joint Venture versteht sich dabei als Lieferant eines kompletten H2-Ökosystems. Dessen Elemente sind:

  • Produktion von grünem Wasserstoff (zurzeit aber noch rot oder violett, da in Frankreich Atomstrom dominiert)
  • Auslieferung/Verteilung von Wasserstoff
  • Beratungs- und Finanzierungsdienstleistungen
  • Tankstellensysteme
  • Produktion einer Palette von H2-Fahrzeugen
  • Berücksichtigung der späteren Wiederverwendung und Verwertung von End-of-Life-Brennstoffzellen, Batterien und Fahrzeugen im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft.

Nicht alles kann mit BEV realisiert werden
«15 Prozent aller Anwendungen leichter Nutzfahrzeuge lassen sich nicht allein mit BEVs darstellen», zitiert David Holderbach, CEO von Hyvia, eine Studie. Sein Stab umfasst inzwischen 130 Mitarbeitende, die mit einem Netzwerk verschiedener Akteure eine Industriedynamik initiiert haben, die Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und After Sales umfasst. Die jüngste Partnerschaft wurde mit Atawey geschlossen, einem Anbieter von Wasserstofftankstellen. Das Modell Hywell wurde speziell für die Initiierung von Wasserstoff-Mobilitätsökosystemen entwickelt: Investitions- und Betriebskosten sind auf die Grösse einer Start-up-Flotte abgestimmt. Mit einer Kapazität von 100 kg Wasserstoff pro Tag kann eine Hywell-Tankstelle 20 bis 25 Fahrzeuge versorgen. Der dafür benötigte Wasserstoff wird beispielsweise mit einem Anhänger (oder einer Wechselbrücke) angeliefert, der hinter der Tankstelle abgestellt und angeschlossen wird.

Elektrolyseur Flins TIR transNews
Der Elektrolyseur auf dem Werksgelände in Flins (F) hat eine Kapazität von bis zu 400 kg Wasserstoff täglich. Allerdings stammt der Strom grösstenteils aus Atomkraft.

Vier strategische Standorte
Die gesamte Hyvia-Wertschöpfung ist in Frankreich angesiedelt:

  • In Villiers-Saint-Frédéric (bei Paris) befindet sich die Zentrale mit Forschung und Entwicklung.
  • In Flins (ebenfalls bei Paris) findet die Produktion der Brennstoffzellensysteme und der Tankstellensysteme statt. Hier wurde auch ein 1-MW-Elektrolyseur eingeweiht mit einer Tagesproduktion bis 400 kg, was für 20 000 km reicht.
  • Im Renault-Werk Batilly entsteht die Fahrzeugbasis – der Renault Master E-Tech electric.
  • In Gretz-Armainvilliers erfolgt bei PVI, einem Unternehmen der Renault Group, die Integration der Brennstoffzellensysteme in die Fahrzeuge.

Erster Renault H2-Transporter
Der Renault Master H2-Tech Van auf Basis des aktuellen batterieelektrischen Master E-Tech electric wurde Anfang 2023 homologiert. Seine vier Wasserstofftanks auf dem Dach speichern 6,4 kg H2 bei 700 bar. Betankt werden sie in fünf Minuten auf der Fahrerseite, wo sich beim Verbrenner der Treibstoffeinfüllstutzen befindet. Die Brennstoffzelle «ProGen» leistet 30 kW. Die 33-kW-Batterie und der 57-kW-E-Motor stammen aus dem Renault ZOE, resp. dem früheren Renault Kangoo. Geladen wird die Batterie über eine Klappe auf der Beifahrerseite.

Die Gesamtreichweite von 400 km setzt sich zusammen aus 50 km aus der Batterie und 350 km mit Wasserstoff. Ein intelligentes Hybridsystem zwischen Brennstoffzelle und Batterie optimiert die Energie- und Betriebseffizienz und verlängert so die Lebensdauer der Brennstoffzelle. Das Fahrzeug wird zunächst nur über die Batterie angetrieben, bis ihr Ladestand unter 80 Prozent fällt. Dann schaltet sich die Brennstoffzelle zu und versorgt sowohl E-Motor als auch Batterie mit Strom, bis der Ladestand wieder über 80 Prozent steigt. Als Fahrer merkt man nichts davon, der Kastenwagen fährt sich genauso einfach wie sein BEV-Pendant, es sind keinerlei spezielle Kenntnisse nötig.

Hyvia Master H2-Tech TIR transNews
Das Brennstoffzellensystem wird in Flins gebaut und getestet.

Die Nutzwerte des H2-Kastenwagens sind 12 m³ Ladevolumen, 180 cm Laderaumhöhe und max. 1086 kg Nutzlast. Zu den ADAS zählen AEBS mit elektronischer Bremskraftverteilung, Spurverlassenswarner, digitaler Tacho sowie Anschnallwarnung für Fahrer und Beifahrer. Das Fahrzeuggesamtgewicht beträgt 3940 kg (3500 kg plus Zusatzgewicht alternativer Antrieb). Bei der Höhe von 2850 mm gilt es, sehr aufmerksam bei der Durchfahrt von Tunnels, Brücken und Einfahrten zu sein und unbedingt die Höhenangaben zu berücksichtigen.

So geht es weiter
Eine überarbeitete, kompaktere Architektur des H2-Tech ist für Anfang 2024 geplant und wurde im November 2023 an der Solutrans 2023 vorgestellt. Auch die Versionen Chassis Cab und City Bus folgen noch. 2025 schliesslich wird eine nächste Generation des Wasserstofftransporters in mehreren Versionen auf den Markt kommen. Sie basiert auf dem neuen Renault Master, der ebenfalls auf der Solutrans seine Premiere feierte, und wird vollständig im Produktionsfluss des Renault-Werks in Batilly gebaut.

H2 Tankstelle Hywell von Atawey TIR transNews.jpg
Das Tankstellenmodell Hywell von Atawey wurde speziell für die Initiierung von Wasserstoff-Mobilitätsökosystemen entwickelt.

Das Händler- und After-Sales-Netzwerk Pro+ wird in Phasen auf H2-Kompatibilität vorbereitet. So hat im Q2 2023 in Frankreich die Pilotphase begonnen, im Q3 2023 folgte die zweite Welle in Frankreich und den Niederlanden. Die dritte Welle ist im Q1 2024 in Frankreich, Deutschland (Hamburg) und Spanien vorgesehen. Danach folgen weitere Länder. Ab 2027 soll ein H2-Standard inklusive Schulungen und Werkzeugen für das Netzwerk etabliert sein und ab 2030 soll das Netzwerk europaweit aufgestellt sein.

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