IAA Transporter-Neuheiten: So wie die Grossen

LEICHTE NUTZFAHRZEUGE Vor zwei Jahren fokussierten sich die Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge an der IAA auf die Megatrends Elektrifizierung, Konnektivität und Autonomes Fahren. Diesmal waren nun die leichten Nutzfahrzeuge an der Reihe.

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Zwei der grössten OEMs sehen die Letzte-Meile-­Logistik der Zukunft autonom, elektrisch, vernetzt und modular. Auf dem Bild: EZ-PRO von Renault. Das Ende der klassischen Transporter?

In der Logistik reicht es schon lange nicht mehr, nur Waren von A nach B zu transportieren, um erfolgreich zu sein. Die Kunden erwarten weitergehende Dienstleistungen und suchen netzfähige Lösungen. Diese Erkenntnis setzt sich auch immer mehr bei den Fahrzeugherstellern durch. Sie wollen bei der künftigen Herausforderung der Mobilität nicht mehr nur Hardware-Lieferant, sondern Systemanbieter sein. Das betrifft vor allem die Logistik der letzten Meile. Den progressivsten Ansatz verfolgen Mercedes-Benz Vans, die vor etwas mehr als zwei Jahren die Zukunftsinitiative adVANce starteten, um Mobilitätslösungen wie Ride-Sharing-Services oder Übernachtbelieferung ins Fahrzeug von Servicetechnikern (In-Van Delivery & Return) zu fördern und anzubieten. Als Weiterentwicklung zeigte Mercedes mit ihrer Vision Urbanetic nur wenige Tage vor der IAA, wie so ein ganzheitliches System aussehen könnte, bei dem die Megatrends Elektrifizierung, Konnektivität und Autonomes Fahren Hand in Hand gehen. Ein Teil dieser Vision wird in nicht allzu ferner Zukunft Realität: Mercedes-Benz Vans kündigte an der IAA eine neue, autonom fahrende Van-Baureihe für die Personenbeförderung an.

Ein auf den ersten Blick fast identisches Konzept präsentierte auf der IAA Renault mit EZ-PRO als eine Weiterführung der am diesjährigen Genfer Automobilsalon vorgestellten Studie EZ-GO für den autonomen Personentransport. EZ-PRO ist die Vision einer Lieferlogistik mittels autonom funktionierenden, elektrisch angetriebenen Robo-Pods. Die vernetzten Robo-Pods können eine Flotte bilden (Platoon), die von einem Leader-Pod aus mit persönlichem, menschlichem Concierge-Service betreut und geführt werden oder sie können auch individuell vollautonom unterwegs sein.

EZ-PRO basiert auf einer neutralen Plattform, die sich durch ihre hohe Modularität äusserst flexibel einsetzen lässt und von Liefer- oder Logistikunternehmen spezifisch auf ihre Bedürfnisse aus- oder umbauen lässt, sei es für den Vertrieb oder die Lieferung zum Endkunden, als Paketausgabestation oder als Foodtruck. Der «Concierge» genannte Mitfahrer kann das Ausliefern von Waren, das Ausführen von Diensten und «seine» Robo-Pod-Flotte überwachen und betreuen. Vor allem kann er Premium-Dienstleistungen wie die Lieferungen von Lebensmitteln oder zerbrechlichen Waren persönlich ausführen. Der persönliche, menschliche Kontakt wird gerade bei zunehmender Automatisierung immer wichtiger werden.

Präsentiert wurden bei Ford zwei weitere interessante Weltpremieren: der Transit Custom PHEV (Plug-in-Hybrid) und der neue (grosse) Transit. Beide werden Mitte des nächsten Jahres lanciert. Der PHEV besitzt einen teilelektrifizierten Antriebsstrang, der im reinen Strombetrieb einen emissionsfreien Aktionsradius von bis zu 50 Kilometern ermöglichen soll. Stehen längere Touren auf dem Programm, springt der 1,0-l-Dreizylinder-Turbobenziner ein und lädt als «Range Extender» die Batterien während der Fahrt wieder auf. Die Reichweite beträgt so mehr als 500 Kilometer.

Der Transit mit zwei Tonnen Nutzlast, die grösste der vier europäischen Transporter-Baureihen von Ford, beeindruckt dank überarbeiteter Motoren mit bis zu sieben Prozent niedrigerem Verbrauch. Eine 136 kW (185 PS) starke Variante des 2,0-Liter-Turbodiesels erweitert das Motorenangebot nach oben, die neue 10-Gang-Automatik gibt es als Option für den Transit mit Heckantrieb.

Den endgültigen Beweis, dass man ohne Konnektivität nicht mehr auskommt, lieferte die Tatsache, dass selbst die Russen von GAZ in ihren Transporter GAZelle inzwischen standardmässig eine selber entwickelte Telematikbox verbauen. Sie misst und überträgt Daten von rund 50 Parametern auf einen Server (Cloudlösung), den Kunden stehen rund 100 Services zur Verfügung, aus denen sie auswählen können. Übrigens zeigten sich die Russen sehr stolz, zum zweiten Mal inmitten der etablierten OEMs ausstellen zu dürfen. GAZ ist die Nummer 1 unter den Nutzfahrzeugherstellern in Russland. Die auf der IAA gezeigte Auswahl umfasste leichte Nutzfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 3,5 bis 22 Tonnen sowie Busse für 17 bis 100 Personen. GAZ haben ihre Hausaufgaben gemacht und präsentierten nicht nur einen Euro-6-Motor, sondern auch einen batterie-elektrisch betriebenen Kleinbus.

Um Güter elektrisch auszuliefern, braucht es übrigens nicht zwingend ein Auto. Das an der Solutrans 2017 in Lyon aufgefallene E-Velo-Cargo-Konzept Movr von Rytle war auch an der IAA gleich mehrfach zu sehen. Noch kompakter fällt das von VW Nutzfahrzeuge in Eigen­regie entwickelte Cargo e-Bike aus: Das dreirädrige Lasten-Pedelec eröffnet mit einer Nutzlast von 210 kg ab 2019 zusätzliche Wege auf der letzten Meile – allerdings leider nicht in der Schweiz. Auf der anderen Seite der Palette zogen die beiden Studien Crafter Hymotion mit Brennstoffzellenantrieb – die Tanks sind modular ausgelegt und ermöglichen Reichweiten von 350 bis zu 500 km – und der I.D. Buzz Cargo viele Blicke auf sich. Der I.D. Buzz wurde schon vor fast zwei Jahren erstmals präsentiert, neu ist aber die Variante als Sachentransporter. So wurde zum Beispiel für Servicemonteure ein neues, elektrifiziertes Regalsystem entwickelt, das mit dem Auftrags- und Bestellsystem des Anwenders vernetzt ist. Mit der blau-weissen Lackierung und seinem Knutsch­kugel-Design erinnert der I.D. Buzz etwas an das Stadt-Elektroauto Microlino. Beiden gemeinsam ist die kontroverse Diskussion, ob das Fahrzeug visuell gefällt oder nicht.

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