Mit dem Bulli der Neuzeit auf Tuchfühlung

FAHRBERICHT Mit gewerbetauglichen Nutzwerten, extrovertiertem und zugleich ikonischem Design und vollelektrischem Antrieb krallte sich der 2022 präsentierte Volkswagen ID. Buzz gleich den Titel «International Van of the Year 2023». Wir testeten die Kastenwagen-Version.

Bulli der Neuzeit TIR transNews
Den Bulli der Neuzeit als Kastenwagen ID. Buzz Cargo gibt es im Gegensatz zum Bus nur in einer Länge, dafür bald auch als 4Motion.

Schon 2017 bei der Präsentation des Concept Cars «ID. Buzz» auf der North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit wurde klar, dass der «Microbus der Neuzeit», wie der technoide Urahn des legendären Bullis damals auch genannt wurde, ein anderes Auto sein würde, als man es sich gewohnt war. Als reines BEV und mit seinem Retro-Look würde es eine bunt gemischte Kundengruppe begeistern, für die ein Transporter mehr als nur eine Box auf Rädern sein sollte und die sich mit ihrem Fahrzeug von der grauen Masse hervorheben wollen. Trotzdem: Der ID. Buzz – ab Serie mit einem Punkt weniger im Namen – wäre kein Volkswagen, würde er nicht auch einen hohen Nutzen bieten.

VW ID. Buzz Cargo Fahrbericht TIR transNews
Der Laderaum ist 3900 Liter gross und bietet Platz für zwei Europaletten.

Zwei tüchtige Brüder

Die Kastenwagen-Variante kommt mit Namenszusatz «Cargo». Auf den ersten Blick ordnet man sie grössenmässig zwischen VW Caddy und VW Transporter T6.1 ein, dessen Nachfolger bereits vor der Tür steht. Spannend wird der direkte Datenvergleich mit dem Kompakt-Van mit langem Radstand, dem Caddy Maxi. Er zeigt, dass sich die beiden Brüder in den inneren Werten viel näher sind, als ihr ungleiches Äusseres vermuten lässt:

  • Der ID. Buzz ist mit 4712 mm Länge zwar 141 mm kürzer als der Caddy Maxi, dafür mit 1985 mm (ohne Seitenspiegel) um 130 mm breiter und mit max. 1951 mm um rund 90 mm höher.
  • Der Radstand ist trotz kurzer Überhänge mit 2989 mm um nur 19 mm länger.

Das sind keine riesigen Unterschiede, doch viel wichtiger ist der Vergleich der Nutzwerte, denn genau darum geht es ja bei Nutzfahrzeugen:

  • Bei beiden gleich ist die Laderaumbreite am schmalsten Punkt, nämlich 1230 mm.
  • Identisch ist auch die Dachlast mit je 100 kg.
  • 2208 mm misst die Laderaumlänge (mit Ladeklappe) beim ID. Buzz und somit 58 mm mehr als beim Caddy Maxi.
  • Mit 1279 mm Ladehöhe übertrifft der ID. Buzz den Caddy Maxi um 15 mm.
VW ID. Buzz Cargo Fahrbericht TIR transNews
Mit der Schiebetür ist der Laderaum auch vom Trottoir aus gut zugänglich.

Wirklich entscheidend sind aber Nutzlast und Ladevolumen. Und hier überrascht der ID. Buzz. Denn trotz schwerer Batterie kann er bis zu 648 kg laden, beim Caddy Maxi sind es je nach Konfiguration zwischen 500 und 726 kg. Also mal mehr, mal weniger. Beim Ladevolumen hat der ID. Buzz mit 3,9 m² die Nase um 0,2 m² vorn. Nur bei der Anhängelast hängt der Caddy Maxi mit 1500 kg den ID. Buzz Cargo mit 1000 kg deutlich ab. Doch unterm Strich lässt sich sagen, dass beide Transporter in derselben Liga spielen. Zumindest auf dem Papier, denn mit Verbrennungsmotor, 4Motion und bald auch als PHEV deckt der Caddy heute ein viel breiteres Einsatzspektrum ab. Und er kostet in der Cargo-Entry-Maxi-Variante mit 24’740 Franken (exkl. MwSt.) nicht einmal die Hälfte des ID. Buzz Cargo, für den mindestens 57’249 Franken fällig werden.

VW ID. Buzz Cargo Fahrbericht TIR transNews
In Zweifarblackierung ist der obere Bereich mit Dach beim Bulli der Neuzeit stets «Candy weiss».

Bulli der Neuzeit fährt emissionsfrei

Dass die Transformation Geld kostet, hat inzwischen jeder begriffen. Und es gibt eine Kundengruppe, die bereit ist, dafür auch mehr auszugeben – solange die Leistung gleich bleibt. VW Nutzfahrzeuge hat es geschafft, dem Bulli der Neuzeit alltagstauglichen Nutzwert mitzugeben, was u.a. die Übergabe von 100 Fahrzeugen mit Sortimo-Ausbau an Solarpionier Helion Ende Januar unterstreicht. Mit der Einführung des Allradantriebs im Laufe dieses Jahres dürfte dann selbst das Thema Anhängelast vom Tisch sein.

Der Hauptunterschied zum Caddy ist der lokal emissionsfreie Antrieb mit einer permanentmagneterregten Synchronmaschine. Mit 150 kW (204 PS) Leistung, einem maximalen Drehmoment von 310 Nm und dem spontanen Ansprechverhalten ist man im ID. Buzz Cargo richtig flott unterwegs. Die Fahrtrichtungswahl für das 1-Gang-Getriebe erfolgt einfach durch Drehen des rechten Lenksäulenstocks, und zwar nach vorne für «D» und nach hinten für «R». Ein erneutes Drehen nach vorne aktiviert den stärkeren Rekuperationsmodus «B». Nach 10,2 Sekunden Pedaldurchdrücken sind 100 km/h erreicht, bei 145 km/h ist Schluss.

VW ID. Buzz Cargo Fahrbericht TIR transNews
Fahrrelevante Manipulationen geschehen am und hinter dem Multifunktionslenkrad.

Dank des Heckantriebs gibt es keine Antriebseinflüsse in der Lenkung. Die tief im Wagenboden integrierte 77-kWh-Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie (netto) sorgt trotz des hohen Karosserieaufbaus für nur geringe Wankbewegungen. Das mittig im Fahrzeug verteilte Gewicht sorgt für ein neutrales Fahrverhalten, was das Cruisen und Manövrieren äusserst einfach macht. Dazu trägt auch der aufgrund der grossen Radhäuser kleine Wendekreis von 11,1 m bei. In der City fühlt man sich hinter dem Lenkrad rasch sehr wohl, sofern einen die gelegentlichen neugierigen Blicke nicht stören. Denn der ID. Buzz fällt immer noch auf.

Laden mit bis zu 170 kW – theoretisch

Den Energieverbrauch gibt Volkswagen für den Cargo mit 22,2 bis 20,4 kWh/ 100 km an. Damit sollen zwischen 402 und 425 km möglich sein. Das haben wir zwar so nicht geschafft, aber 300 km liegen gut drin und damit kommt man wohl in den meisten Fällen sehr gut durch den Tag.

Geladen werden kann die Batterie danach entweder an einem AC-Ladepunkt mit 11 kW oder an einer DC-Schnellladesäule mit bis zu 170 kW. Dann füllt sich die Batterie in nur 30 Minuten von 5 auf 80 Prozent. Dies zumindest in der Theorie, denn nach verschiedenen Erfahrungen mit BEVs stellten wir ernüchternd fest, dass kaum eine öffentliche Ladesäule mit der versprochenen maximalen Leistung lädt. Mit 170 kW ist der ID. Buzz also für die kommenden Jahre ausreichend vorbereitet.

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