Overland-Abenteuer durch drei Alpenländer

OFFROAD-CAMPING Nicht nur klassische Offroader sind rar geworden, auch das Angebot an Pick-ups wurde in den letzten Jahren zusammengestrichen. Dass sie aber noch immer eine hervorragende Alternative bieten, bewies uns der neue VW Amarok auf einem dreitägigen Abenteuer durch die Westalpen.

Drei Tage durch Savoyen und das westliche Piemont, teils auf unbefestigten Wegen und geschlafen wurde im Dachzelt: Das war die Amarok Overland Tour 2024.
Drei Tage durch Savoyen und das westliche Piemont, teils auf unbefestigten Wegen und geschlafen wurde im Dachzelt: Das war die Amarok Overland Tour 2024.

«Overlanding» ist das Reisen abseits befestigter Strassen, oft im abgelegenen und schwierigen Gelände. Vor allem als Freizeitaktivität bekannt, gibt es aber auch professionelle Einsätze, etwa für Energieversorger oder Forstarbeiter, die nicht am selben Tag zurückkommen können und wo deshalb Overland-Fähigkeiten von Fahrzeug, Material und Fahrern gefragt sind. Hierbei ist wichtig, dass das Fahrzeug robust genug ist, um schwierige Geländesituationen zu meistern. Aber auch die Ausrüstung, die man für eine solche Reise benötigt, muss funktional, wetterfest und zugleich leicht und kompakt verstaubar sein.

Offroad-Profi mit Pritsche

Bei unseren Fahrzeugen handelte es sich um mehrere Volkswagen Amarok in verschiedenen Ausstattungslinien, aber mit identischem Antriebsstrang: 3-Liter-V6-TDI mit 177 kW (240 PS) und 600 Nm maximalem Drehmoment, mit beim V6 serienmässigem 10-Gang-Wandlerautomatik und intelligentem 4Motion-Allradantrieb, bei dem eine Lamellenkupplung die Kraft je nach Grip und Geschwindigkeit variabel und automatisch zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Eine hintere Differenzialsperre ist optional erhältlich und im Topmodell PanAmericana serienmässig. Diese haben wir aber für unsere gesamte Klettertour nicht eingesetzt, denn der Allradantrieb mit Geländeuntersetzung (Antriebsmodus 4L) war für jede Situation ausreichend.

Kurze Pause (mit viel gutem Käse) am Stausee Lac de Roselend.
Kurze Pause (mit viel gutem Käse) am Stausee Lac de Roselend.

Angeboten wird der Pick-up in den drei Ausstattungsversionen «Amarok» (das Arbeitspferd), «Life» und «Style» sowie in den zwei Topversionen «PanAmericana» (mit Offroad-Styling) und «Aventura» (strassenorientiertes Exklusiv-Styling).

Dank Overland Outfitters alles in einem dabei

Relevantester Teil unserer Camping-Ausrüstung waren die Front-Runner-Dachzelte, zur Verfügung gestellt von Overland Outfitters, dessen Ladenlokal sich auf dem ehemaligen Maggi-Areal in Kempthal befindet, das heute unter dem Namen «The Valley» vermarktet wird. Geschäftsführer und Inhaber Oliver Hillebrand war zugleich unser Tour-Organisator und Guide.

Wo sich die Amarok den Weg zum Monte Jafferau hinaufkämpfen, ist im Winter eine Skipiste.
Wo sich die Amarok den Weg zum Monte Jafferau hinaufkämpfen, ist im Winter eine Skipiste.

Dachzelte werden über ein Dachträgersystem befestigt und können auch gemietet werden. Sie bieten mehrere Vorteile, unter anderem:

  • Die Ladefläche des Pick-ups steht für andere Zwecke (Ladung, Aufbauten) uneingeschränkt zur Verfügung
  • Das Zelt ist in wenigen Minuten auf- und wieder abgebaut
  • Beschaffenheit und auch Feuchtigkeit des Untergrunds spielen keine Rolle, im Zelt ist es immer eben und trocken
  • Bei Nichtgebrauch bleibt das Zelt zu Hause (im Gegensatz zu einem Campervan)

Zusammengefaltet deckte sich die Grundfläche der Dachzelte ungefähr mit der Fläche der Doppelkabinendächer unserer Pick-ups. Dadurch verlagerte sich zwar der Fahrzeugschwerpunkt ein wenig in der vertikalen, aber nicht in der horizontalen Achse. Das Fahrzeughandling wurde also kaum beeinflusst. Das ist ein wichtiger Punkt, denn unsere Overland-Tour führte uns über manch steile und unbefestigte Pfade (siehe Kasten).

Die Dachzelte sind auf dem Camping Huttopia Bourg Saint Maurice zum Schlafen bereit.
Die Dachzelte sind auf dem Camping Huttopia Bourg Saint Maurice zum Schlafen bereit.

Komplizen des Offroadfahrens

Das nebst dem Allradantrieb wichtigste technische Element beim Offroadfahren ist die Untersetzung, auch Reduktionsgetriebe genannt. Meist ist es ein Zweiganggetriebe, das alle Gänge des Getriebes noch einmal unterteilt (im Amarok wird das an das Verteilergetriebe gelieferte Drehmoment über ein Planetengetriebe geleitet, um das Übersetzungsverhältnis von 1:1 auf 3,06:1 zu ändern). Dadurch wird das Fahrzeug bei gleichbleibenden Tourenzahlen langsamer, verfügt aber über mehr Drehmoment (Kraft) und ist präziser zu steuern. Auch die Bremswirkung des Motors wirkt sich deutlicher aus, was eine essenzielle Funktion beim Hinauf- und Hinabfahren steiler Passagen ist.

Eine weitere wichtige Funktion der Untersetzung ist, dass auch bei langsamer Fahrt der Motor auf «normalem» Niveau dreht, wodurch die Motorkühlung (Wasser- und Ölpumpen) dauerhaft gewährleistet wird. Vor allem noch bei älteren 4×4-Fahrzeugen, die über längere Zeit ohne Untersetzung langsam bergauf oder bergab fahren, kann der Motor überhitzen. Volkswagen versicherte, dass dies beim Amarok nicht passieren könne.

Drehregler in der Mittelkonsole zur Wahl des Antriebsmodus. Darunter befindet sich unter anderem der Knopf für den Bergabfahrassistenten.
Drehregler in der Mittelkonsole zur Wahl des Antriebsmodus. Darunter befindet sich unter anderem der Knopf für den Bergabfahrassistenten.

Im Antriebsmodus 4L (Untersetzung) schaltet die Automatik nicht über den vierten Gang hinaus. Bergabwärts kann es aber trotzdem zu schnell werden. Um die Bremsen dann nicht über längere Zeit beanspruchen zu müssen, lassen sich nach einem Druck auf die «M»-Taste seitlich am Automatikhebel die Gänge mit den danebenliegenden Tasten «+» und «-» manuell hoch- und runterschalten. Dabei fällt auf, dass sich zwar vom 4. Gang manuell bis in den 1. Gang herunterschalten lässt, aber vom 1. Gang nur in den 2. Gang hoch, aber nicht darüber hinaus.

Um in leichterem Gelände dann also schneller werden zu können, muss man mit der «M»-Taste wieder den Automatikmodus aktivieren. Das lernt man schnell und nach einer kurzen Eingewöhnungszeit wechselt man dann routiniert je nach Situation rasch zwischen manueller und automatischer Gangwahl hin und her – und das mit nur einer Hand. Das Offroadfahren kann, moderner Technik im Amarok sei Dank, also auf Knopfdruck gemeistert werden. Viel falsch machen kann man dabei nicht.

Seitlich am Automatikwahlhebel befinden sich die Tasten «M», «+» und «−» für die manuelle Gangwahl.
Seitlich am Automatikwahlhebel befinden sich die Tasten «M», «+» und «−» für die manuelle Gangwahl.

Bergabfahrhilfe noch zeitgemäss?

Apropos Knopfdruck: Braucht es da überhaupt noch die Bergabfahrhilfe? Der Bergabfahrassistent verteilt die Bremskraft optimal und sorgt zudem dafür, dass mehr Bremskraft als üblich auch an die hinteren Räder gegeben wird. Er nutzt allerdings nicht die Motorbremse, sondern tut dies mit gezielten Bremseingriffen über das ESP. Trotzdem gibt es Szenarien, in denen die Bergabfahrhilfe der reinen Motorbremse vorzuziehen ist, nämlich wenn es steil und der Untergrund rutschig ist (Schlamm, Schneematsch etc.). Dann verhindert der Fahrassistent das gefährliche Ausbrechen des Fahrzeughecks und macht das Bergabfahren unter diesen Bedingungen sicherer.

Die langen Strecken bergabwärts wurden ebenfalls mit Untersetzung gefahren, um die Bremsen zu schonen.
Die langen Strecken bergabwärts wurden ebenfalls mit Untersetzung gefahren, um die Bremsen zu schonen.

Zugegeben, die dreitägige Overland-Reise mit grösseren Strecken über Stock und Stein war nicht nur überwältigend schön, sondern zuweilen auch sehr anstrengend. Aber sie war auch für weniger routinierte Fahrer zu schaffen. Möglich machte dies die moderne Allradtechnik und die Fahrassistenten, die serienmässig in jedem Amarok 4Motion verbaut sind. Auch wenn man sie nicht täglich braucht, so ist es sehr beruhigend, sie im richtigen Moment an Bord zu wissen.

Beim Lacets de Montvernier überwinden 17 Kehren auf 3,4 km 790 Höhenmeter.
Beim Lacets de Montvernier überwinden 17 Kehren auf 3,4 km 790 Höhenmeter.

Overland-Tour durch die Westalpen

Gestartet waren wir in Lully FR (1), fuhren über Genf (2) in Richtung der Savoyen, nahmen unser erstes Mittagessen im Restaurant La Porte Des Aravis «Chez Bruno» in La Clusaz (3) ein. Von hier aus ging es weiter auf der D909 Richtung Saint-Nicolas-la-Chapelle, wo wir die Hauptstrasse verliessen und Richtung Mont Charvin fuhren. Auf halber Strecke ging es dann abseits der befestigten Strassen über das Refuge Auberge du Col de l’Arpettaz Richtung Ugine (4). Ab Ugine nutzten wir eine Nebenstrecke, um über Arêches und über den Col du Pre zum Restaurant La Pierra Menta zukommen, wo wir die wunderbare Aussicht auf den Stausee Lac de Roselend genossen. Unsere Tour führte uns weiter über die Staumauer rund um den Stausee und schliesslich zum Camping Huttopia Bourg Saint Maurice (5). Am Ende des Tages gab es im Restaurant Le Tonneau Bourg Saint Maurice ein kräftiges Raclette. Am zweiten Tag ging es dann ab Bourg Saint Maurice Richtung Moûtiers weiter bis Pussy, wo wir die Hauptstrasse verliessen und über die D213 über den Col de la Madeleine Richtung Notre-Dame-du-Cruet fuhren. Kurz vor Notre-Dame-du-Cruet bogen wir links ab, um über sehr enge Nebenstrecken zum Espace nordique Le grand coin am Col du Chaussy (6) im Sonnenschein unser Mittagessen zu geniessen. Direkt danach ging es weiter zum Lacets de Montvernier, wo wir über die atemberaubende Strecke mit 17 Kehren auf 3,4 km hinab Richtung Pontamafrey fuhren, Gegenverkehr inklusive. Unten angekommen, ging es dann auf direktem Weg durch den Tunnel Routier du Fréjus (7) und über Bardonecchia die Ski-Piste hinauf zum Monte Jafferau (8), den wir aufgrund des Wetters und der noch mit Schnee bedeckten Offroad-Strecke aber nicht erreichten. Einsetzender Regen und ein Gewitter auf 2500 m zwangen uns zur raschen Umkehr wieder hinab nach Bardonecchia und weiter direkt zum Campingplatz Gran Bosco Camping & Lodge (9), mit feiner Pizza zur Belohnung. Am letzten Tag unserer kleinen Reise verhinderte der gesperrte Colle dell’Assietta, dass wir über Oulx und Sestriere Richtung Susa fahren konnten. Nach kurzer Besprechung wählte Oliver Hillebrand eine ältere Route zum Colle Bercia (10), wo wir uns bei Capanna Mautino einen Kaffee gönnten und unsere Fahrt über den Colle Bercia zum Restaurant Baita Gimont fortsetzten. Hier angekommen, gab es noch ein gemeinsames Abschiedsessen, bevor wir unsere Rückreise antraten, die uns wieder über Genf in die Schweiz führte.

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