Sprinter gehört bald zum Internet der Dinge

MERCEDES-BENZ Der kommende Mercedes-Benz Sprinter soll mehr als nur eine Box auf Rädern werden, nämlich Teil einer vernetzten Logistiklösung. Und natürlich vorbereitet für serienmässige Elektromobilität, denn schliesslich muss diese Generation mindestens bis 2025 aktuell sein.

In-Van-Delivery & Return Mercedes-Benz Sprinter TIR transNews
Bei «In-Van-Delivery & Return» spart sich der Handwerker die tägliche Fahrt zur Filiale, um den Laderaum aufzufüllen. Der Sprinter wird stattdessen beliefert.

«Viele der modernen Dienstleistungen, die das urbane Leben so angenehm machen, sind ohne Vans nicht denkbar. In einer digitalisierten Welt sind sie die Hardware, die Produkte und Dienstleistungen zum Kunden bringen. Und wenn sich Leben und Logistik in der Stadt verändern, müssen sich auch unsere Transporter verändern.» So beginnt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans, seine Eröffnungsrede zum Workshop über neue Konzepte für die letzte Meile. Dass sich die Logistik verändert, spüren wir schon lange selber, doch Keynote Speaker Dr. Matthias Winkenbach vom MIT (Boston), Professor für datengestützte Distributionsnetzwerke, zeichnet das globale Bild dazu: «2025 werden 25 Prozent der Weltbevölkerung in den 600 am schnellsten wachsenden Städten leben und 60 Prozent des globalen BIP generieren. Bis 2030 wird es über 40 Megacitys geben. ­Irgendwann stösst das geografische Wachstum jeder Stadt an physische Grenzen. Danach findet eine Verdichtung statt und sie wächst vor allem nach oben.»

Volker Mornhinweg Leiter Mercedes-­Benz Vans Sprinter TIR transNews
Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-­Benz Vans: «Der Sprinter war das erste Modell von Mercedes-Benz, das nicht mit einer Zahlen- oder Buchstabenkombination versehen wurde. Stattdessen trägt ­er einen internationalen, leicht verständlichen Namen, der sein Konzept auf den Punkt bringt: flexibel, agil und einprägsam.»

Zwei Aspekte haben Auswirkungen auf den Logistiker: Die urbane letzte Meile ist das schwierigste Teilstück der Logistikkette und E-Commerce führt zu einer Fragmentierung der globalen Warenströme. Ein UPS-Kurier – so das Beispiel Winkenbachs – macht durchschnittlich 120 Stopps pro Tag. Alleine in den USA gibt es 55 000 solcher UPS-Touren. Nachvollziehbar, dass auch nur die geringste skalierbare Effizienzsteigerung pro Kuriertour in der Summe Millionen einsparen kann. Das bedingt mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Dafür ist die Datenanalyse unabdingbar und alle Beteiligten müssen integriert und vernetzt sein. .

Die Weichen schon früh gestellt Bereits im September 2016 lud Mercedes-Benz zum «Van Innovation Campus» ein und stellte dort die Zukunftsinitiative «adVANce» vor mit dem Ziel, sich vom reinen Fahrzeughersteller zu einem Anbieter ganzheitlicher Transport- und Mobilitätslösungen zu entwickeln (TIR transNews berichtete ausführlich, siehe Kasten). Zahlreiche intelligente Lösungen für unterschiedliche Bereiche wurden vorgestellt, zum Teil als Pilotprojekte, zum Teil aber auch nur als Konzepte, die danach weiter ausgebaut wurden. An jener Veranstaltung erlebte auch der Vision Van seine Weltpremiere, den man u.a. auch an der transport-CH 2017 erleben konnte. Nun wird es konkret, wie Mornhinweg ausholt: «Der völlig neu gedachte Sprinter wird eine einzigartige, ganzheitliche Transportlösung sein: ein rundum vernetzter Van als Teil des Internet of Things, bei dem wir die Konnektivität bereits in die DNA des Fahrzeugs geschrieben haben.» Dazu präsentierte «adVANce» in sechs sogenannten Labs Konzepte für Teillogistiklösungen, aber auch konkrete Teile des neuen Sprinters.

1. Sprinter Versatility Kunden nutzen den Sprinter sowohl als High-End-Luxus-Bus für VIPs als auch als Baustellenfahrzeug, das am Ende des Tages mit einem Hochdruck­reiniger gesäubert wird. Diese Flexibilität soll auch in der neuen Generation abgebildet werden. Darum wird der neue Sprin­ter in über 1000 Grundvarianten angeboten werden – Ausstattungsdetails wie Lackierung, Klimaanlage oder Sitzkonfiguration noch gar nicht miteingerechnet. Das Cockpit wird es in vier Varianten geben, die alle als 1:1-Modell präsen­tiert wurden. Nebst vielen neuen Ablagen und Anschlussmöglichkeiten für Smartphones sind ein neues Mul­tifunk­tions­lenkrad und die Verlegung des Automatikschalthebels ans Lenkrad erwähnenswert.

Cockpit Mercedes-Benz Sprinter TIR transNews
Eines von vier neuen Cockpits: Diese Topversion mit viel Klavierlack wird vor allem in VIP-Shuttles zu finden sein.

2. e-sprinter «Wir wollen nicht einfach eine Batterie auf Rädern bauen, sondern gemeinsam mit unseren Kunden ein individuelles Ökosystem entwickeln», erklärt Mornhinweg. Deshalb werden Spezialisten interessierte Kunden nachhaltig beraten und auf Wunsch zum Beispiel eine passende Lade-Infrastruktur anbieten. Die Beratung werde auch Wert darauf legen, das Konzept bestmöglich in die bestehenden Betriebsabläufe einzubinden. Dafür gibt es etwa eine App, mit der Flottenmanager aufgrund des tatsächlichen Fahrprofils herausfinden können, welche ihrer Touren sich überhaupt für Elektromobilität eignen. Der E-Antrieb selbst ist identisch mit jenem aus dem eVito, der noch dieses Jahr lanciert wird (siehe Seite 29). 2019 wird Mercedes-Benz Vans mit der Lancierung des eSprinters zusätzlich 150 Mio. Euro in diesem Bereich investieren.

Elektromotor Mercedes-Benz Sprinter TIR transNews
Der Elektromotor wird sowohl im Vito als auch im Sprinter ­Verwendung finden. Hier mit crash-sicherem Rohrrahmen und ­Kanälen für die Fahrzeugklimatisierung.

3. Digitalisation & Intelligence Die breite Palette an vernetzten Diensten (siehe Kasten «Mercedes PRO») beinhaltet zum Beispiel eine flexible Routenplanung bei dynamischer Auftragslage, die Abfrage des aktuellen Fahrzeugstatus (Kühltransport, Diebstahlschutz) oder ein Wartungsmana­gement in Echtzeit. So sendet das Fahrzeug eine Warnung in die Cloud, wenn eine Reparatur oder ein Service ansteht. Der Händler kann darauf reagieren und sofort eine Offerte erstellen, Teile bestellen etc. Diese Dienste können für bestimmte Aufgaben gebündelt und in branchenspezifischen Paketen abgerufen werden. Die vielen unterschiedlichen Aufgaben des Flottenmanagements können über ein Portal an einem Bildschirm erledigt werden. Die grosse Innovation stellt aber der smarte Laderaum dar. Die zur Vernetzung des Laderaums nötige Schnittstelle ist systemoffen (Open Sour­ce) und basiert auf einer Linux-Variante. Sie steht allen Entwicklern zur Verfügung und erlaubt es dem Fahrzeug, Teil des Internets der Dinge zu werden.

4. CEP & Grocery Allein in Deutschland hat sich die Anzahl der Pakete zwischen den Jahren 2000 und 2017 beinahe verdoppelt. Bis 2025 erwarten Experten eine weitere Verdopplung. Die CEP-Branche (Courier, Express, Parcel) ist geprägt von enormem Kostendruck. Gefragt sind ausserdem Tempo und Flexibilität. Das zeigt sich besonders bei dem stark wachsenden Trend, auch Lebensmittel online zu bestellen. Bei eGrocery muss der Kühlkoffer eines Vans in verschiedene Klimazonen eingeteilt werden, damit die Ware genau so beim Kunden ankommt, wie er sie auch im Supermarkt aus dem Regal nehmen würde.

Mercedes-Benz Sprinter TIR transNews
Der Migros- und Coop-Heimlieferdienst der Zukunft: drei separate Klimazonen, Just-in-Sequence und Pick-by-Light.

Dieser Umstand stellt besonders hohe Anforderungen an das Fahrzeug- und Laderaumkonzept. Im Lab wurde das 1:1-Modell eines innovativen Laderaums gezeigt, der aus drei nebeneinanderliegenden, durchgehenden Temperaturzonen besteht (z.B. Zimmertemperatur, gekühlt, tiefgekühlt). Vor der Tour werden die Bestellungen nach Temperatur getrennt in der richtigen Sequenz im Heck geladen. An der Lieferadresse gelangt der Fahrer direkt vom Cockpit in den Laderaum, schnappt sich die durch Lichter gekennzeichneten Taschen aus den jeweiligen Temperaturzonen (Pick-by-Light) und verlässt das Fahrzeug durch eine auto­matische seitliche Flügeltüre, die selbstständig verschlossen wird, wenn sich der Kurier vom Fahrzeug entfernt. Das intelligente Laderaumsystem schiebt die nächste Lieferung nach. Die Energieversorgung ist vom Fahrzeugantrieb unabhängig, damit bei einem Elektro-Sprinter die Reichweite nicht beeinträchtigt wird.

5. People Moving Durch die steigende Verkehrsbelastung in den Städten werden neuartige Konzepte wie Ridesharing und Ridepooling immer beliebter. Mercedes-Benz Vans ist mit dem Fahrgemeinschafts-Start-up «Via» ein Joint Venture eingegangen. Diese Technologie-Partnerschaft bietet in den USA (New York, Washington und Chicago) bereits erfolgreich Pooling-Dienste an (Mitfahrsammeltaxi). Vans in diesem Bereich sind ausserdem auf Konnektivität angewiesen, damit sie mit den entsprechenden Plattformen kommunizieren können. Neu verfügen die Sitze ab Werk (optional) über eine Sitzlehnenverstellung und Cupholder, es gibt auch Smartphone-Halter mit Ladebuchsen.

6. Crafts & Service Über 130 Berufe listet Mercedes-Benz unter «Handwerk» auf. Die Handwerker und Servicetechniker haben zum Teil komplett unterschiedliche Anforderungen, doch für die meisten ist ihr Transporter mobile Werkstatt, mobiles Lager und Arbeitsplatz zugleich. Für diese Kunden hat Mercedes-Benz eine herausnehmbare Multifunktionsbox entwickelt sowie ein Haltesystem für lange Gegenstände (wie z.B. Röhren) im Innern des Lade­raums, die unten am Dach, an der Seitenwand oder auch am Boden befestigt werden können. So bleibt das Material vor Witterung und Diebstahl geschützt. Handwerker und Servicetechniker verlieren zudem oft Zeit, weil sie vor oder nach Aufträgen Ersatz- und Austauschteile im Lager holen und/oder dort abladen müssen. Insbesondere bei schwieriger Verkehrslage bei Schichtende geht so viel Zeit verloren.

Bei «In-Van-Delivery & Return» wird der Ersatzteilbestand im Fahrzeug durch Logistik-Dienstleister gemanagt, die nach Arbeitsende der Handwerker zum (per GPS lokalisierbaren) abgestellten Fahrzeug fahren, es mit einem digitalen Schlüssel öffnen und ausgebaute Teile aus dem Laderaum nehmen und neue Ersatzteile hineinlegen (und beides zur Dokumentierung scannen). Am nächsten Morgen fährt der Handwerker direkt zum Kunden. Das gestaltet die Arbeit der Fachleute effizienter und verschafft ihnen Zeit für zusätzliche Aufträge.

Abschliessend betonte Volker Mornhinweg: «Bislang hat sich das Sprinter-Segment vor allem über Zuladung, Ladevolumen und Wirtschaftlichkeit definiert. Diese Elemente bleiben natürlich wichtig. Wir ergänzen sie aber durch wei­tere wesentliche Aspekte, die für die moderne Logistik das A und O sind: die vollständige Anbindung an das Internet und die nahtlose Integration in betriebliche Abläufe, insbesondere bei der IT-Infrastruktur.»

Die fünf adVANce-Innovationsfelder

  • Bei digital@vans geht es vor allem um Konnektivität und die digitale Vernetzung der Fahrzeuge.
  • solutions@vans sind Hardware-Lösungen, die das Tagesgeschäft der Kunden effizienter machen.
  • Bei rental@vans geht es um innovative Mietmodelle mit einem Pay-per-Use-Ansatz, also «Mobility on Demand».
  • sharing@vans entwickelt neue Konzepte für den öffentlichen Personentransport.
  • eDrive@vans hat einen umfassenden Ansatz zur Elektromobilität im Fokus.

Mercedes PRO: Telematik ab Werk
Nach der Einführung der Nachrüstlösung «Mercedes PRO Adapter» im September 2017 kommt jetzt mit dem Sprinter erstmals das voll in das Fahrzeug integrierte digitale Kommunikationsmodul zum Einsatz. Zu den zentralen Diensten zählen beispielsweise Fahrzeugstatus, Fahrzeuglogistik, Flottenkommunikation, Wartungs- und Unfallmanagement oder ein digitales Fahrtenbuch. Alle Vernetzungsangebote werden unter «Mercedes PRO connect» zusammengefasst. Der webbasierte Service für Fuhrparkkunden vom Kleinstgewerbe bis hin zu Grosskunden verbindet den Fuhrparkmanager über das Fahrzeugmanagement-Tool mit allen Fahrzeugen und Fahrern in seiner Flotte. Damit können Aufträge online gesteuert und Fahrzeuginformationen wie Standort, Treibstoffvorrat oder Wartungsintervalle nahezu in Echtzeit abgefragt werden.

Eines der wichtigsten Zukunftsthemen ist die Vernetzung des Laderaums: Beispielsweise bei Kurierfahrten können Fahrer und Fuhrparkmanager in Echtzeit den Bestand im Auge behalten.

Hier geht’s zur Webseite von Mercedes-Benz Vans Schweiz.

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