Die Brennstoffzelle schöpft Kraft aus Wasser und Luft

BRENNSTOFFZELLE Die Brennstoffzellentechnik soll in Zukunft ­wesentlich zur Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor und zur Verringerung der ­Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen beitragen. Der Durchbruch könnte mit Bussen und Last­wagen gelingen.

Wasserstoff Brennstoffzelle Lastwagen TIR transNews
Wasserstoff wird heute noch immer als Treibstoff für die Zukunft angesehen, doch die Bestrebungen sind gross, Lastwagen und Busse rasch mit der Brennstoffzelle bestücken zu können.

Im Personenwagenbereich wird der brennstoffzellen­basierte Elektroantrieb schon seit rund 20 Jahren erforscht und entwickelt. Entsprechend hat dort die Brennstoffzellentechnologie respektive die Elektrifizierung des Antriebsstrangs mit Strom aus Wasserstoff und Sauerstoff einen deutlichen Vorsprung. Weil aber bei schweren Nutzfahrzeugen im Vergleich zu Personenwagen mit rund fünf- bis zehnfachen jährlichen Fahrleistungen gerechnet werden kann, dürften Busse und Lastwagen in den kommenden Jahren zu den Treibern der Wasserstofftechnik werden.

Wie bei den Personenwagen stehen auch im Nutzfahrzeugsektor die Herstellungskosten der Brennstoffzelle und des Wasserstofftanks, die Lebensdauer, die Sicherheit und die Kaltstartfähigkeit des neuen Treibstoffsystems im Fokus der Entwickler. Aufgrund der grösseren Jahresfahrleistungen fallen jedoch bei den Nutzfahrzeugen der Wirkungsgrad der Systeme und damit die zu erwartenden Treibstoffkosten noch mehr ins Gewicht.

Zuerst für Stadtbusse Bereits sind zahlreiche Grossfahrzeuge mit dieser Technik in Betrieb. Sowohl Hyundai als auch Toyota haben derartige Busse auf der Strasse. Toyota bringt mit dem Modell Sora einen 10,5 Meter langen Brennstoffzellenbus mit 22 Sitz- und 56 Stehplätzen an den Start. Das Unternehmen plant, im Vorfeld der Olympischen Spiele 2020 in Tokio mehr als 100 dieser Busse einzusetzen. Deren Antrieb besteht aus zwei «Mirai-Antrieben», also zwei 113-kW-Brennstoffzellen, zwei Elektromotoren und einer Nickel-Metallhydrid-Batterie. Mirai heisst der auch in der Schweiz erhältliche Toyota-Brennstoffzellen-PW.

In der Region Brugg AG hat Postauto Schweiz während fünf Jahren fünf Brennstoffzellenbusse im Linienbetrieb gehabt. Trotz positivem Feedback von Fahrpersonal und Fahrgästen beendete das Unternehmen den Versuch schliesslich mit der Begründung, Beschaffungs-, Betriebs- und War­tungskosten seien noch zu hoch. Die eigens für den Versuchsbetrieb erstellte Wasserstofftankstelle wurde stillgelegt, könnte jedoch bei Gelegenheit zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden.

Andere Wasserstoffbusse verkehren im Rahmen verschiedener europäischer Programme in Belgien, Deutschland, England, Holland, Italien und Norwegen. Das von der EU geförderte Projekt JIVE (Joint Initiative for Hydrogen Vehicles across Europe) sieht den Einsatz von 139 Brennstoffzellenbussen in neun Städten vor. Es wurde im Januar 2017 gestartet und hat eine Laufzeit von sechs Jahren.

Wie der Mineralölkonzern Shell in der Wasserstoff-Studie «H2 – Energie der Zukunft?» festhält, beziehen moderne Brennstoffzellenbusse ihre Energie meistens aus zwei Brenn­stoffzellenstacks à rund 100 kW und führen 30 bis 50 kg Wasserstoff (H2) mit sich. Zusätzlich sind sie mit einer kleineren Traktionsbatterie ausgestattet, können also auch Brems­energie rekuperieren. Sie erzielen inzwischen Reichweiten von 300 bis 450 km und sind im täglichen Einsatz ähnlich flexibel wie dieselbetriebene Busse. Frühe Modelle verbrauchten für 100 km noch rund 20 kg H2, neue dagegen kommen auf der gleichen Distanz mit 8 bis 9 kg aus. Damit sind sie etwa um 40 Prozent effizienter als vergleichbare Dieselfahrzeuge.

Kostenseitig sind allerdings noch beträchtliche Fortschritte nötig. In der Shell-Studie wird diesbezüglich Hoffnung geschürt: Bis zum Jahr 2030 sollen Fuel-Cell-Busse gegenüber heute um rund 50 Prozent kostengünstiger herzustellen und dann preislich bereits in der Nähe von Dieselbussen sein.

Bald auch Lastwagen? Da der Einsatz von H2-betriebenen Brennstoffzellenbussen wesentlich zur technischen und wirtschaftlichen Entwicklung dieser Antriebstechnologie im Strassenverkehr beigetragen hat, scheint dieses Antriebskonzept auch gut übertragbar auf andere Nutzfahrzeuge. Nun mögen Reichweiten von 300 bis 400 Kilometer ausreichend sein für Stadtbusse, für Reisebusse und Lastwagen für den Fernverkehr genügt dies aber nicht. Deshalb werden Lastwagen heute noch fast ausschliesslich mit Diesel betrieben. In leichten Nutzfahrzeugen und kleineren Lastwagen dürften in den kommenden Jahren aber zunehmend auch elektrifizierte respektive hybridisierte Antriebe einfliessen. Batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge dagegen sind in den meisten Fällen aus Gewichts-, Reichweiten- und Kostengründen nur für leichtere Verteilerfahrzeuge oder für kurze Distanzen ein Thema. Für 40-Tonner im Fernverkehr wird der Einsatz von Brennstoffzellen noch auf sich warten lassen, denn Fahrzeuge der Leistungsklasse 300 bis 350 kW müssen im Dauereinsatz auf der Langstrecke erst noch erprobt werden. Die Entwicklungsziele sind klar: ­Minimierung von Ladevolumenverlusten, wettbewerbs­fähige Treibstoffpreise, grosse Reichweiten und ein gutes Tankstellennetz.

In der Schweiz ist vor wenigen Wochen ein Förderverein gegründet worden, der zum Ziel hat, in unserem Land ein flächendeckendes Netz von Wasserstofftankstellen zu errichten. Die beteiligten Firmen Agrola, Avia, Coop, Fenaco und Migrol sind sehr optimistisch. Sie rechnen damit, dass der Aufbau mit den eigenen Fahrzeugflotten und privatwirtschaftlich innerhalb der kommenden fünf Jahre erfolgt. Vorreiter Coop, der in Hunzenschwil bereits eine öffentliche H2-Tankstelle betreibt, hat drei weitere Baugesuche in Bern, Basel und Zürich eingereicht.

Ambitionierte Wasserstoffpläne hat auch Zulieferer Bosch. Zusammen mit dem US-amerikanischen Unternehmen Nikola Motors Company wollen die Deutschen bis 2021 zwei Brennstoffzellen-Elektrolastwagen entwickeln, die mit Reichweiten von bis zu 1900 Kilometer neue Massstäbe setzen sollen. Bosch passt dafür die für Personenwagen entwickelte E-Achse für den Einsatz in schweren Nutzfahrzeugen an. Dieses Aggregat fasst die drei wesentlichen Bestandteile elektrische Maschine, Getriebe und Leistungselektronik in einem einzigen kompakten Bauteil zusammen. Da Nikola Motors derzeit noch keine eigene Produktionsstätte für Nutzfahrzeuge hat, sollen die Fahrzeuge beim Spezialisten Fitzgerald Gliders gefertigt werden.

Besonders bei den Schweren wird derzeit neben dem Brennstoffzellen-Antriebsstrang auch der Einsatz der Zellenstacks zur Onboard-Stromversorgung erprobt. Mit solchen sogenannten Auxiliary Power Units (APU) werden die verschiedenen Nebenverbraucher im Fahrzeug mit Strom beliefert. Für die Versorgung der APU wandeln oft Reformer an Bord des Fahrzeugs Dieseltreibstoff in Wasserstoff um.

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Coop gehört zu den Vorreitern in Sachen Wasserstofftankstellen (Bild Hunzenschwil). Im neuen Förderverein gesellen sich nun auch andere Schweizer Erdölfirmen dazu.
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