E-Force-CEO: «Die OEMs sind noch lange nicht so weit»

SWISS MADE In der Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen ist die Schweiz zuvorderst mit dabei. Die E-Force One AG in Beckenried hat bereits 19 E-LKW an Kunden übergeben, 15 davon für Kühltransporte. Wir trafen uns mit CEO ­Stefan Aufdereggen zum Interview.

Stefan Aufdereggen CEO E-Force One AG
Stefan Aufdereggen, CEO E-Force One AG

TIR transNews: Wo stehen Sie im Vergleich zu den etablierten LKW-Herstellern?

Stefan Aufdereggen: Inzwischen sind alle OEMs zwar in die Elektromobilität gestartet, nur sind sie noch lange nicht so weit. Kleine Unternehmen wie wir forschen und testen und wir gehen bis 40 Tonnen, während die OEMs noch bei 16 oder 28 Tonnen bleiben. Wir haben inzwischen fünf Jahre Erfahrung – so viel wie keiner sonst. Insofern verkaufe ich meinen Kunden auch ein Stück Sicherheit. 18 E-Force der ersten Generation sind auf der Strasse und haben ­zusammen in den letzten fünf Jahren 1,5 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das 19. Fahrzeug, der Dreiachser von Pistor mit einem Gesamtzuggewicht von 40 t, ist das erste Fahrzeug der nächsten Generation.

Wo liegen die Unterschiede zur ersten Generation?

Die erste Generation arbeitete mit einem Zwei-Motoren-Prinzip, einem zwischengeschalteten Getriebe wie beim herkömmlichen LKW und 400 Volt Bordspannung. Die neue Generation hat einen Ein-Motor-Direktantrieb mit Untersetzungsgetriebe und arbeitet mit 800 Volt Bordspannung. Zudem ist die Batterie modular konzipiert. Damit haben wir einen Antriebsstrang, der die Kundenbedürfnisse von 18 t bis 44 t abdeckt.

Wieso die Erhöhung der Spannung?

2012 gab es die Motoren, die wir gebraucht hätten, noch nicht. Wir haben uns aus dem PW-Regal bedient. Der neue Motor kommt aus dem Schiffsbereich und bringt die gewünschte Standfestigkeit mit. Das Ohmsche Gesetz (U=R*I) verknüpft die physikalischen Grössen Strom, Spannung und Widerstand. Erhöhe ich die Spannung, kann bei gleichen Kabeldurchmessern mehr Strom fliessen, was die Ladezeit verkürzt. Und es bietet auch bautechnische Vorteile.

Wie erleben Sie das Kundeninteresse?

Das Interesse ist im Moment sehr hoch, auch international, insbesondere im deutschsprachigen Raum und zu einem gewissen Teil aus Frankreich.

Woher kommen Ihre Kunden?

Primär aus dem Frische- und Lebensmittelbereich. 15 von 19 E-Force haben einen Kühlaufbau. Von Tiefkühlung à la Pistor bis Frischebereich null Grad können wir alles anbieten. Unsere Kühlsystempartner sind Frigoblock und Thermoking. Auch diese Unternehmungen mussten und müssen sich uns anpassen. Es gibt auch hier noch keine Serienprodukte für 800 Volt Bordspannung, aber es wird investiert und entwickelt.

Wie sieht Ihr Line-up aus?

Wir bieten verschiedene Modelle an. Die Batterien sind von 150–330 kWh modular konfigurierbar. Anhand der Profildaten der Routen des Kunden errechnen wir das kleinste Batteriepaket und die kleinste DC-Ladeleistung, damit er maximale Nutzlast bei minimaler Investition erhält. Eines unserer nächsten grossen Ziele ist zusammen mit drm die Entwicklung eines vollelektrischen Abfallsammelfahrzeugs, das spätestens im ersten Quartal 2019 auf die Strasse kommen soll und Unternehmen und Zweckverbände aus Entsorgung und Recycling zum Testen zur Verfügung stehen wird.

Wie hat sich die Batterietechnik entwickelt?

Bei unserer ersten Generation lag die Batteriekapazität bei 240 kWh, heute sind wir bei 330 kWh, was eine Reichweite von bis zu 300 km ermöglicht. Es kommt aber immer auf die Topografie und die Last an. Die Batterien sowie das Batterie-­Managementsystem (BMS) sind komplette Eigenentwicklungen. Die Zellen werden bei einem namhaften Hersteller eingekauft. Es stehen zwei Motoren zur Wahl: je nach Anforderung 350 oder 550 kW.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus?

Ein Elektrotruck ist vollständig von der LSVA befreit. Ein 40-t-Sattelmotorfahrzeug mit einer Laufleistung von 55 000 km spart im Jahr 50 000 Franken an LSVA. Der Mehrpreis für den Elektro-LKW ist allein durch diese Einsparung in vier bis fünf Jahren amortisiert. Mit grossen Laufleistungen wird der E-Truck günstiger. Und durch den Wirkungsgrad von rund 90 Prozent ist der Energieverbrauch pro Kilometer dreimal tiefer als bei einem Verbrennungsmotor.

Werden E-LKW einmal gleich teuer wie Diesel-LKW?

Heute macht die Batterie die Hälfte des Fahrzeugpreises aus. Wenn sich die Batterietechnologie weiterentwickelt, werden wir auch mit den Preisen runterkommen.

Wie lange wartet heute ein Kunde auf einen E-Force?

Etwa ein Jahr, die Produktion befindet sich in Fehraltdorf.

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